ADB:Watzdorf, Karl Friedrich Ludwig von
Graf Senfft v. Pilsach vertraute ihm im Juli den Posten eines außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Ministers am russischen Hofe an. W. bekleidete diese bei der allmählichen Verschärfung der französisch-russischen Beziehungen schwierige Stellung, in der er sich durch sein persönliches und dienstliches Verhalten das Wohlwollen des Zaren Alexander und allgemeine Achtung erwarb, vom September 1810 bis Ende April 1812, wo er mit Urlaub Petersburg verließ, um nicht dahin zurückzukehren, da bald der Krieg ausbrach. Watzdorf’s rasche Fassungs- und scharfe Beobachtungsgabe, verbunden mit einem vortrefflichen Gedächtniß, Eigenschaften, die der seine Zeitgenossen gern scharf beurtheilende Senfft rühmend hervorhebt, veranlaßten Napoleon selbst, sich in Dresden eingehenden Bericht über russische Verhältnisse, besonders die Streitkräfte, von W. erstatten zu lassen, der freimüthig auf die großen Schwierigkeiten des Feldzugs hinwies, mit welcher Ansicht er in der Umgebung des Kaisers damals freilich ziemlich vereinzelt dastand. Im Juli 1812 erhielt er den Auftrag, die sächsischen Interessen im Hauptquartier der großen Armee zu vertreten, mußte jedoch, wie die Vertreter der übrigen Fürsten, vom Ende Juli bis Anfang December in Wilna zurückbleiben, wo Maret, Herzog von Bassano, der Minister des Auswärtigen, seinen ständigen Aufenthalt nahm. Watzdorf’s Scharfblick blieb von vornherein der schwächste Punkt des Unternehmens, das völlig Ungenügende der Verpflegungs- und Sanitätseinrichtungen, unverborgen und schon Anfang September, noch vor der Schlacht bei Borodino, sprach er den dringenden Wunsch aus, daß bald Friedensverhandlungen begännen, da Moskaus etwaige Räumung den unheilvollen Entschluß Rußlands erkennen lassen würde, den Krieg in die Länge zu ziehen. Der Gang der Ereignisse gab ihm Recht. Zeuge des namenlosen Elends des Rückzuges kehrte er im December nach Dresden heim, das er zu Ende des Januars 1813 wieder verließ, um den Gesandtenposten in Wien anzutreten, der ihm schon vor dem Feldzuge bestimmt gewesen war. Vom Februar an wirkte er hier eifrigst für das Zusammengehen mit Oesterreich, wodurch Sachsens Abkehr von Frankreich und Annäherung an Rußland und Preußen ermöglicht werden sollte, und suchte das sächsische Cabinet, dessen Leiter Senfft diese Idee theilte, besonders zu bewegen, diesen Hauptgesichtspunkt nicht durch kleinliche Eifersüchteleien und schwierige, unzeitgemäße Entschädigungsforderungen zu schädigen. Es gelang ihm, am 20. April mit Metternich eine vorläufig geheim zu haltende Convention zum Zwecke der allgemeinen Pacification abzuschließen, doch des Königs Einlenken in die alte Politik nach Napoleon’s Sieg bei Lützen ließ den Vertrag nicht ins Leben treten. W. blieb bis Anfang September in Wien, und gelangte nach dem Ausbruch des [271] Kriegs zwischen Oesterreich und Frankreich über Regensburg und Weimar im Anfang October nach Dresden zurück. Als nach der Leipziger Schlacht König Friedrich August als Gefangner in Berlin internirt war, berief er W. zu sich und betraute ihn mit einer Mission an die drei verbündeten Monarchen zu Frankfurt a. M. im November und December 1813, wo W. zwar persönlich freundliche Aufnahme fand und Alexander seinen Uebertritt in russische Dienste wünschte, sachlich aber betreffs des Königs Rückkehr nach Sachsen und Zutritt zum Bündniß gegen Napoleon nichts erreicht wurde. Nach der Einnahme von Paris wiederholte Friedrich August den Versuch der Annäherung und schickte W. im Juni 1814 mit Gratulationsschreiben nach Paris; doch konnte dieser hier nur bei Ludwig XVIII. sich seines Auftrags entledigen, der jedoch eingestand, zunächst nichts für Sachsen thun zu können und auf den Wiener Congreß vertröstete. Alexander und Friedrich Wilhelm III. waren schon vorher nach London gereist, wohin ihnen W. schleunigst nachreiste, ohne jedoch Gehör zu finden; Alexander beschränkte sich auf kühle Hinweise auf frühere Versicherungen. Auf der Rückreise nach Berlin besprach W. noch zu Frankfurt a. M. im Juli mit dem Freiherrn v. Stein die finanziellen Schwierigkeiten des Königs und erlangte die Zusicherung der Abhülfe. Im November 1814 wurde W. nach Prag zur Regelung privater Angelegenheiten der dort weilenden Mitglieder der königlichen Familie und zur Besorgung geheimer politischer Aufträge entsandt, und im April 1815 berief ihn der König von Prag nach Preßburg und übertrug ihm die Begleitung seiner Neffen Friedrich August und Clemens, die im österreichischen Hauptquartier am Feldzug gegen Napoleon theilnehmen sollten. Durch letztere Anordnung von der Theilnahme an den Hauptkämpfen in Belgien ausgeschlossen, durchzogen sie seit dem Juni, meist in Gesellschaft des Erzherzogs Ferdinand von Oesterreich, das Elsaß, die Champagne, verweilten die meiste Zeit in Burgund zu Auxerre und Dijon, besuchten im September Paris und auf der Heimreise die süddeutschen Höfe und trafen im October in Dresden ein, wo W., seit 25. April 1811 Generalmajor, am 5. November zum Generallieutenant und Generaladjutanten ernannt wurde. Im März 1816 erhielt er, obwol Protestant, die Leitung der Ausbildung der Prinzen Friedrich August, Clemens und Johann anvertraut, auf die er, ohne selbst höhere, wissenschaftliche Vorbildung zu besitzen, doch durch Ernst und Consequenz segensreich einwirkte. 1819 wurde er Obersthofmeister der drei Prinzen, begleitete im Herbst und Winter 1821/22 die Prinzen Clemens und Johann auf ihrer Reise durch die Schweiz, Oberitalien und Toscana, wo Clemens’ Tod der Reise ein vorzeitiges Ziel setzte, und blieb nach der Heimkehr Obersthofmeister Johann’s. Im August 1823 wurde er zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister am preußischen Hofe ernannt und weilte vom Herbst 1823 bis Ende 1834 in Berlin, wo er auch bei den Verhandlungen über den Zollanschluß Sachsens an Preußen, die am 30. März 1833 abgeschlossen wurden und mit zur Bildung des deutschen Zollvereins führten, betheiligt war. Seit 1835 in seine Dresdner Stellung als kgl. Generaladjutant zurückgekehrt, übernahm er noch den Posten eines Ministers des königlichen Hauses und wurde Mitglied des Staatsrathes. Durch seine Landesherren und auswärtige Fürsten mit hohen Auszeichnungen geehrt, starb er zu Dresden am 16. Mai 1840. Seinen Ehen mit Marie Freiin v. Stöcken († 1800) und seit 1804 mit Charlotte Henriette Gräfin v. Hopffgarten († 1864) entsproßten 3 Töchter und 3 Söhne, von denen Anton als kgl. preußischer Oberstlieutenant bei Waterloo fiel.
Watzdorf: Karl Friedrich Ludwig v. W., sächsischer General und Diplomat. Geboren am 1. September 1759 zu Kauschwitz bei Plauen im Vogtland als Sohn des kursächsischen Oberhofrichters Adam Friedrich v. W. († am 11. April 1781), trat Karl v. W. am 15. April 1777 in Dresden als Souslieutenant bei der Garde du Corps ein, wurde am 5. Januar 1780 Premierlieutenant, 9. Januar 1785 Rittmeister, 1786 Kreis- und Marschcommissar des Vogtländischen Kreises und Kammerjunker, 6. Juli 1788 Major, 19. December 1792 Wirklicher Geheimer Kriegsrath, 19. December 1801 Kammerherr, nahm 1806 am Feldzug in Thüringen gegen Napoleon theil, war 1809 Generalintendant der sächsischen Truppen im österreichischen Feldzug, wurde am 15. April 1810 Oberstlieutenant, 16. April unter dem Titel eines Inspecteur général aux revues Chef der bei der Neuformirung des sächsischen Heeres geschaffenen, neuen Armeeverpflegungsorganisation, und am 26. August Oberst. Um diese Zeit nahm seine Laufbahn jedoch eine ganz andere Richtung: der sächsische Minister des Auswärtigen- Sächsische Ranglisten und Staatskalender. – C. H. v. Watzdorf und F. Nitze, Historisch-genealogische Beschreibung des Geschlechts derer v. Watzdorf (Dresden 1872). – Mémoires du comte de Senfft 1806–1813 (Leipzig 1863). – C. Gretschel und F. Bülau, Geschichte des sächsischen Volkes und [272] Staates (Leipzig 1853) III. Bd. – Th. Flathe, Gesch. d. Kurst. u. Kgr. Sachsen (Gotha 1873), III. Bd. – J. P. v. Falkenstein, König Johann von Sachsen (Dresden 1878). Besonders Acten des Königl. Sächsischen Hauptstaatsarchivs zu Dresden.