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ADB:Volkhart, Albrecht

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Artikel „Volkhart, Albrecht“ von Pius Dirr in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 351–352, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Volkhart,_Albrecht&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 08:42 Uhr UTC)
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Volkhart *): Albrecht V., Buchdrucker und Publicist, Vorkämpfer der deutschen Einheitsbewegung, geboren am 10. Juli 1804 in Fürth i. B. als Sohn eines protestantischen Buchdruckers, † am 26. September 1863 in Augsburg. Nach einer freudlosen Jugend, die dem früh verwaisten Knaben zu Theil ward, und nach Beendigung seiner Lehrzeit als Buchdrucker arbeitete V. seit 1825 in der Officin der „Allgemeinen Zeitung“ in Augsburg als Schriftsetzer, um sich 1827, nach seiner Verheirathung mit einer Augsburger Bürgerstochter, hier ein selbständiges Druckereigeschäft zu gründen. Die immer stärker werdende liberale Zeitströmung nahm den temperamentvollen jungen Mann bald ganz gefangen; er trat zu den namhaftesten süddeutschen Volksführern in Beziehungen und gestaltete sein Geschäft zu einer Pflanzstätte volksthümlicher Schriften aus. Auch gab er selbst ein Tageblatt „Die Zeit“ heraus. Hier offenbarte er alsbald ungewöhnliche publicistische Fähigkeiten und verfocht mit jugendlichem Feuer die Forderungen eines demokratischen Liberalismus, was ihn mehrfach in Conflicte mit Censurbehörden und Regierung brachte. Als nun die liberale Bewegung seit der Julirevolution immer mehr in das Stadium unglückseligen Ueberschwangs und eines unfruchtbaren Radicalismus gerieth, brachte die Metternich’sche Staatsraison auch über das bislang von der Reaction wenig behelligte Baiern eine wilde Demagogenhetze. Der längst anrüchige Herausgeber der „Zeit“, der sich den Irrthümern der jungen Freiheitsbestrebungen auch nicht ganz zu entziehen vermocht hatte, war eines der ersten Opfer. Zwei Flugschriften, die aus seiner Druckerei hervorgegangen waren, wurden sein Unglück: der vielgelesene „Bürgerkatechismus“ von Dr. Ludwig Pistor, der eine theoretische Verfechtung der republikanischen Staatsform enthielt, und eine Broschüre des in ganz Deutschland umhergehetzten und schließlich auch aus Baiern ausgewiesenen Hannoveraners Dr. Ernst Grosse, des Herausgebers der Werke Westenrieder’s, die in Form eines Abschiedes von Baiern bairische Zustände geißelte. In beiden Schriften fanden die maßgebenden Behörden ein Verbrechen des nächsten Versuchs zum Hochverrath, der Aufforderung zum Aufstand und der Majestätsbeleidigung. Der Autoren, die rechtzeitig flüchtig gingen, wurde man nicht habhaft; man zog also den Drucker gefänglich ein. Nach kurzer Untersuchung verurtheilte das Landshuter Appellationsgericht, der „Blutsenat“, V. zu Zuchthaus auf unbestimmte Zeit und zu demüthigender Abbitte.

Erst nach fünfeinhalbjähriger Gefangenschaft im Zuchthaus in der Au bei München wurde V. durch die Bemühungen des Zuchthausdirectors Baron v. Weveld, dessen Freundschaft der Sträfling durch seine hervorragenden Geistes- und Charaktereigenschaften gewonnen hatte, in Freiheit gesetzt. Mit geläutertem Sinne und gereiften Anschauungen ging V. aufs neue ans Werk, brachte sein Geschäft wieder in die Höhe und gründete das „Augsburger Anzeigeblatt“, das zum Sprachrohr des liberal und constitutionell gesinnten Theiles der Bürgerschaft wurde. Das Sturmjahr 1848 trug den redebegabten Mann als unbestrittenen Führer der Volkspartei zur Höhe. Er war sich [352] seiner Verantwortung bewußt und leitete die Bewegung in Augsburg in gemäßigte Bahnen; constitutionelle Monarchie, Gewissensfreiheit und eine starke deutsche Centralgewalt mit Volksvertretung waren seine hauptsächlichsten Programmpunkte. Als Begründer des Augsburger Gewerbevereins ward er vom bairischen Kreise Schwaben zum Handwerks- und Gewerbecongreß nach Frankfurt entsandt, wo er den Vorsitz des dritten Ausschusses führte.

Auch nachdem die Hoffnungen und Pläne von 1848 gescheitert waren, blieb V. gegenüber der wieder hereinbrechenden Reaction entschlossen auf dem Plan, als Führer einer zunächst kleinen, aber entschiedenen und zielbewußten Gruppe, die nun den Kampf gegen die ultramontane Herrschaft in Stadt und Land und gegen die besonders von der Augsburger Allgemeinen Zeitung vertretene großdeutsche Richtung aufnahm. Anfang der fünfziger Jahre gewann V. die Unterstützung und Freundschaft zweier Männer, die nachmals als fortschrittliche Parlamentarier und Vorkämpfer der nationalen Ziele in Baiern und im Reich im Vordergrund standen: des Advocaten Dr. Völk und des Regierungsaccessisten Ludwig Fischer, der durch Volkhart’s Einfluß 1863 zum Bürgermeister von Augsburg gewählt wurde und als solcher eine nahezu 40jährige erfolgreiche Lebensarbeit entfaltet hat. Das „Anzeigeblatt“ verfocht gegenüber den Großdeutschen mit wachsendem Erfolg den Gedanken des Anschlusses Süddeutschlands an Preußen. V. hatte noch die Genugthuung, seine politische Richtung in der Gemeinde und bei den Landtagswahlen in Augsburg seit 1859 die Oberhand gewinnen und 1863 die bairische Fortschrittspartei erstehen zu sehen. Das Wirken seiner jüngeren Gesinnungsgenossen Völk und Fischer und die Erfüllung seines sehnlichsten Strebens, die Einigung des deutschen Volkes zu erleben, war ihm versagt.

Was er als Mitglied der Stadtverwaltung, als Führer des Gewerbestandes, als Begründer wirthschaftlicher und genossenschaftlicher Einrichungen, als Organisator der städtischen Armenpflege, als Mitschöpfer der ersten schwäbischen Industrieausstellung von 1852, als aufopfernder Helfer in Nothstands- und Cholerajahren für seine Mitbürger arbeitete und schuf, hat vielfach dauernde Geltung und Wirksamkeit erlangt und sichert ihm eine erste Stelle in der Geschichte gemeindlicher und socialer Reformarbeit in Baiern.

V. war der Typus eines aufopferungsfähigen Pioniers des nationalen Einheitsgedankens und bürgerlich-liberalen Fortschritts im deutschen Süden. Im Dienste dieser Ideen hat er ein Leben voll entsagungreicher, aber fruchtbarer Kleinarbeit hingebracht, in aller Trübsal der Zeiten immer wieder gehoben und begeistert durch den felsenfesten Glauben an eine endliche glückliche Zukunft des deutschen Volkes und zugleich getragen von werkthätiger Menschenliebe.

Acten über den Proceß Volkhart’s im Stadtarchiv Augsburg. – Augsburger Anzeigeblatt, Jahrgänge bis 1863. – Dirr, Albrecht Volkhart, Gedenkschrift für die Augsburger Volkhart-Stiftung.

[351] *) Zu Bd. LIV, S. 764.