ADB:Virmont
*) (Viermund u. s. w.): niederrheinisches Adelsgeschlecht, das im 16., 17. und 18. Jahrhundert durch mehrere seiner Glieder biographische Theilnahme erweckt.
VirmontI. Ambrosius von Viermund und Nersen. Unter der Regierung des Kurfürsten Hermann IV. von Köln (1480–1508), eines hessischen Prinzen, waren die kurkölnischen und hessischen Lande in engere Beziehungen getreten. Hermann zog mehrfach Geistliche und Adlige seiner Heimath in kölnische Dienste, so die Herren von Hatzfeld, die Schencken zu Schweinsberg und die von Viermünden (Virmin, Virminne, Virmund, Virmond, Virmont). Letztere, von dem Orte Viermünden an der Eder im Kreise Frankenberg benannt, hatten neben den Schencken zu Schweinsberg seit 1461 die kölnischen Aemter Medebach, Hallenberg, Schmallenberg und Winterberg in Pfandschaft. Sie hatten seit 1369 in dem erheiratheten Schlosse Nordenbeck bei Corbach, in dessen Nähe sie von Alters her eine Reihe kölnischer, arnsbergischer, corveyischer und itterischer Lehen besaßen, ihren Wohnsitz. Der Ritter Ambrosius oder Brosecke von Viermünden (1378–1426) hatte im Dienst der Erzbischöfe von Mainz in den hessisch-mainzischen Fehden seiner Zeit eine große Rolle gespielt; er schloß mit 28 Rittern die zweite westfälische Rittergesellschaft zu gegenseitigem Schutz und Hülfe und zur Schlichtung von Streitigkeiten und gehörte später der Rittergesellschaft vom Luchse an, in welche er mit dem Grafen Heinrich VII. von Waldeck 1410 den Erzbischof Johann II. von Mainz aufnahm. Durch Heirath mit der Wittwe Agnes v. Diedenshausen erwarb er weitere Güter in der Grafschaft Witgenstein, sein Urenkel Philipp I. v. V. durch Heirath einer Erbtochter Beata v. Düngeln weitere Güter in der Grafschaft Mark, namentlich das Rittergut Bladenhorst bei Dortmund.
Philipp’s Bruder Ambrosius war seit 1502 mit Agnes v. Pallandt, Erbtochter des Schlosses und der Herrlichkeit Neersen am Niersfluß auf der Grenze des Erzstifts Köln und des Herzogthums Jülich gelegen, vermählt und wurde mit diesen Gütern sowie den Vogteien von Anrath und Uerdingen vom Erzbischof Hermann IV. am 1. August 1502, sowie mit der Vogtei zu Neersen vom Herzog Wilhelm von Jülich belehnt; er trat damit ganz in kölnische Dienste, begründete die erst 1744 erloschene rheinische Linie Virmund-Neersen und veräußerte den ihm in Waldeck und Hessen zugefallenen väterlichen Besitz, die Stadt Fürstenberg in Waldeck an den waldeckischen Landsassen Friedrich v. Twiste, den sog. kleinen Bischof von Münster (1518), das ihm 1510 zugestorbene Theil des hessischen Gerichts Viermünden an seinen Bruder Philipp v. V., welchem und nach ihm zu allen Zeiten dem Stammesältesten die lehensche Hand vorbehalten bleiben sollte. Mit einer ihm damals zugefallenen Fruchtrente begründete er für sich und sein Geschlecht eine Dienstagsmesse im Kloster Grafschaft. Nach dem Tode seines Bruders Philipp [333] belehnte er als Aeltester die viermündischen Lehensleute in Waldeck, Hessen und Westfalen (1530).
Ambrosius war kurfürstlicher Rath und der kölnische Diplomat unter Hermann IV., Philipp II. und Hermann V. und begleitete dieselben zu den Reichstagen. Er selbst blieb zwar der katholischen Kirche treu und versorgte drei seiner Töchter im Kloster Engelthal bei Bonn, wurde aber doch für besonders geeignet gehalten, unter Hermann V. Grenz- und andere Streitigkeiten und Fragen der hessischen und der beabsichtigten kölnischen Kirchenreformation mit Hessen zu verhandeln, da er seit 1524 zu dem Marschall Hermann von der Malsburg, welcher des Landgrafen Philipp d. G. Kriege führte, in engster Verwandtschaft stand.
Im J. 1501 war Ambrosius v. Viremund als Lehnsmann bei Hermann IV., als derselbe zu Worms den Melchior v. Daun, Herrn zu Falkenstein, mit der vom Erzstift Köln lehnrührigen Herrschaft Bretzenheim mit Winzenheim an der Nahe belehnte. Im J. 1514 verhandelte er zu Wolfhagen und 1516 zu Siegen mit den hessischen Räthen über die kölnische Kriegsschuld an Hessen für die dem Erzstifte im Neusser Krieg geleistete Kriegshülfe. Im J. 1517 war er mit Werner Hesse und Vincenz v. Laes Lehnsmann, als Erzbischof Hermann V. den Joh. Waldbott mit dem Hause Gudenau und einem Burglehen zu Altenahr belehnte. Im J. 1520 legte er auf einem Tage zu Ostönne die erzstiftischen Streitigkeiten mit der Stadt Soest bei. Bei der Wahl des Kaisers Karl V. gewann und stärkte er den schwankenden Kurfürsten Hermann V. (von Wied) gegenüber den Werbungen der Partei des Königs Franz I. von Frankreich, wofür ihn Karl V. durch eine Leibrente von 200 Thaler belohnte (1518). Auch die späteren Kaiser Ferdinand II. und Joseph I., welche seine Nachkommen in den Freiherrn- und Reichsgrafenstand erhoben, gedenken in den deshalbigen Patenten seiner damals dem Kaiserhause geleisteten Dienste mit besonderer Anerkennung. Im J. 1528 verhandelte Ambrosius v. V. mit Hermann von der Malsburg zu Kassel über die Beschwerde des Revilienstiftes zu Köln und der Bürger der in hessischer Pfandschaft stehenden kölnischen Stadt Rhens a. Rh. wegen der vom Landgrafen Philipp vorgenommenen Kirchenreformation, durch welche sich das Stift als Patron der Kirche und die Bürger im Gebrauche der dasigen Kirchengüter beeinträchtigt erachteten. Im J. 1536 verhandelte er gemeinschaftlich mit seinem Neffen, dem Amtmann zu Medebach Hermann v. Viermünden zu Nordenbeck, und dem kölnischen Kanonikus Dr. Joh. Gropper mit den hessischen Räthen v. d. Malsburg, Joh. Feige und Dr. Walter zu Kassel (3. Septbr.) über die Beilegung von alten Grenz- und Hutestreitigkeiten in den Marken wüst gewordener Ortschaften zwischen Battenberg und Hallenberg; der Receß wurde in den Tagen des 7. bis 11. Mai 1537 durch einen großen Grenzbegang von den hessischen und kölnischen Räthen und Amtleuten ausgeführt. Ambrosius starb 1539.
- Rotulum documentorum transsumptorum v. J. 1581, eine Urkundensammlung im Besitze des Rittergutsbesitzers Canisius zu Schloß Nordenbeck bei Corbach. – Verres, Geschichte der Herrlichkeit Neersen und Anrath. 1880, 5. Heft, S. 241 ff. – A. Heldmann, Hess. Pfandschaften im cöln. Westfalen. 1891 (aus der Zeitschr. f. vaterl. Gesch. u. Alterthumskunde Westfalens, 48. und 49. Bd.). – Annalen des histor. Vereins für den Niederrhein 1894, 57. Bd., S. 244. – v. Steinen, Westf. Gesch. XIV, S. 1449. – Lentzen, Gesch. der Herrlichkeit Anrath. 1889, S. 3. – A. Heldmann, Zur Geschichte des Gerichts Viermünden, IV: Das Geschlecht [334] von Viermünden (in der Zeitschr. d. Vereins f. hess. Gesch. u. Landeskunde, N. F., Bd. XXVII, S. 166 ff.) – Seibertz, Quellen 3, 441.
II. Johann Freiherr von Viermund und Neersen. Johann von Virmont-Neersen, Sohn des Ambrosius VI., Erbvogts zu Neersen, aus dessen zweiter Ehe mit Alvara v. Quadt, geboren am 7. Juli 1588, setzte nach dem Tode von sieben älteren Brüdern den Stamm fort. Er ist der erste des Viermünden’schen Geschlechts, der in die Kriegsgeschichte der Neuzeit, des dreißigjährigen Kriegs, eingreift und einen weltgeschichtlichen Namen erwirbt. Sein ganzes Leben ist, wie seine Zeit, voll Unruhe, in der er Deutschland wiederholt von einem Ende bis zum andern durchzieht.
Während seiner Minderjährigkeit empfing Georg v. Neuenhoff für ihn die Lehen; er selbst wurde 1611 von Jülich, 1615 vom Erzbischof Ferdinand von Köln mit den Lehen seiner Linie belehnt und trat am 2. October 1612 mit Johanna Maria, des Grafen Wilhelm v. Flodorf zu Leuth und Reicholt im Herzogthum Luxemburg Tochter in die Ehe und durch einen Jesuitenpater bewogen 1616 zur katholischen Kirche, welche sein Vater zur Zeit der Truchsessischen Wirren verlassen hatte. Mit dem den Convertiten eigenen Eifer förderte er die Ziele der katholischen Kirche und der Jesuiten mit der Feder wie mit dem Schwerte. Er rechtfertigte seinen Uebertritt öffentlich durch eine Druckschrift und betrieb die Gründung einer Jesuitenniederlassung in der benachbarten Stadt Neuß a. Rh. Bei dem Eifer, mit welchem sich die katholische Liga zum Kriege rüstete, und nur durch ihre Siege konnte er auch allein hoffen, die seit 1563 schwebende Viermündensche Erbschafts- und Gütersache, d. h. die Frage, ob die Güter des Adels in Hessen und Waldeck nach fränkischem Rechte nur dem Stamme zugehörten, oder auch auf weibliche Descendenten übergingen – das letzte hatte trotz der deshalbigen Burgfrieden und Testamente das Reichskammergericht 1577 und 1586 entschieden –, trotz der ergangenen Erkenntnisse nach dem Erlöschen des hessisch-westfälisch-märkischen Hauptstammes der von Viermünden in einer für das Geschlecht günstigen Weise zur anderweiten Entscheidung zu bringen. Dieses Ziel hat Johann zeitlebens auch auf seinen Kriegszügen, wie auch seine Nachkommen bis 1744, stets im Auge gehabt. Johann nahm schon früh Kriegsdienste in den Niederlanden. Der große deutsche Krieg eröffnete ihm eine weitere militärische Laufbahn. Im kurkölnischen Gebiet schlugen sowohl die Ligisten und Spanier, wie Kursachsen und andere protestantische Fürsten ihre Werbebureaus auf.
Kaiser Ferdinand II., in seinen Erblanden durch den Abfall der Böhmen bedrängt, suchte die Hülfe der Liga gegen den Gegenkönig Friedrich V. von der Pfalz. Tilly warb mehrere belgische Regimenter an, in welche auch viele niederrheinische Adlige eintraten. Auch Johann v. V. sammelte gegen Ende des Jahres 1619 ein Regiment von 300 Kürassieren, welches im Gange des dreißigjährigen Krieges das Neersische heißt. Dasselbe wurde am 24. Februar 1620 zu Deutz durch den Obersten Hans Christoph Burhus und nach seinem Eintreffen in Tilly’s Hauptquartier Dillingen nebst anderen angeworbenen Truppen am 29. Juni 1620 von Herzog Maximilian von Baiern übernommen und gemustert. Johann nahm dann an dem böhmischen Kriege und der Schlacht bei Prag mit Auszeichnung Theil, er entriß den Aufständischen mehrere feste Plätze und sicherte die zum Erzherzogthum Oesterreich ob der Enns führenden Pässe für den Kaiser, der ihn deshalb in den Freiherrnstand mit dem Titel Freiherr von Viermund und Herr zu Neersen erhob (14. September 1621).
In der Folgezeit folgte das Neersische Regiment mit 600 Mann als [335] Theil des Anholtischen Corps den Zügen Tilly’s nach Westfalen und Hessen. Als im J. 1622 Kurköln seine Rüstungen ganz aufgab, wurden alle kurkölnischen Officiere bei Tilly eingestellt, und Johann v. V. vermehrte nun sein Regiment, so daß dessen monatlicher Unterhalt 8200 Patacons erforderte. Im J. 1623 überzog Tilly mit sieben bairischen Regimentern Niederhessen und setzte von hier aus durch seinen Obersten Mortaigne den Landgrafen Ludwig V. von Hessen-Darmstadt laut des kaiserlichen Reichshofrathsspruchs vom 4. April 1623 in die vom Landgrafen Ludwig IV. hinterlassenen oberhessischen Landestheile ein. Tilly hatte damals sein Hauptquartier in Hersfeld. Er that von hier aus für Johann v. V., den er schätzte und öfters zu diplomatischen Missionen verwandte, bei der Statthalterin der Niederlande Fürsprache wegen einiger Güter seiner Frau in Geldern, welche, weil deren Vater Wilhelm v. Flodorf zur oranischen Partei gehörte, von den Spaniern confiscirt worden waren. Tilly bezeugt ihm, daß er sich im Kriege tapfer bewiesen, mit großem Eifer gedient und sich in allen bisherigen Gelegenheiten des Kriegs muthvoll und eines Edelmanns würdig betragen. Johann erhielt diese Güter 1628 zurück. Am 25. Februar 1623 quartierte sich ein Theil des Neersischen Regiments in Corbach ein und lag dort bis zu Neujahr 1625. Zu seinem Unterhalt mußten die drei westlichen waldeckischen Aemter 83 287 Thaler aufbringen. Am 13. December 1624 lag Johann v. V. selbst in Corbach mitten im alten viermünden-nordenbeckischen Besitz. Wenige Tage zuvor, am 27. November 1624, war der Mannesstamm der älteren hessisch-waldeckischen Linie zu Bladenhorst ausgestorben. Johann war jetzt der Nächstberechtigte zu den verlorenen Gütern des Geschlechts in Hessen, Waldeck, Westfalen und Mark und konnte die Entscheidung auf die Spitze des Schwertes stellen. Sein Regiment zählte 1000 Pferde. Am 28. Januar 1625 lag Johann sogar in dem festen Schlosse Nordenbeck. Er hatte schon am 13. December 1624 einige benachbarte Viermündensche Güter notariell „apprehendieren“ lassen, so den von Nassau lehnrührigen Zehnten zu Braunshausen, die vier Erbhöfe zu Viermünden u. s. w. und meldete sich zu dem erledigten Lehen bei Nassau und dem Kurfürsten Ferdinand von Köln. Doch die Unruhe des Kriegs führte ihn bald wieder weit weg von den Gütern der Vorfahren. Im Mai ist er im Lager zu Breda, im September zu Düsseldorf, fünf Wochen später im Lager zu Papenbruch. Kölnischerseits bezweifelte man seine Berechtigung, da die kölnischen Lehen meist feuda promiscua waren und die Schwestern des letzten Viermund zu Bladenhorst näher berechtigt erschienen, denn „der Krummstab schleußt Niemand aus“. Der nassauische Rath Naurodt betrachtete diese nassauischen Lehen des viermundischen Geschlechts als ein Compensationsobject, um damit die Ruhe des Landes vor dem Heere Tilly’s zu erkaufen, und wollte daher dem in den Waffen stehenden Freiherrn nicht „vor den Kopf stoßen“. Wirklich gab dieser auch aus dem Lager von Papenbruch die Zusage, daß Tilly Nassau mit Winterquartieren zu verschonen versprochen habe und er, Johann, allen Nachtheil Nassaus hindern oder melden wolle (20. October 1625). Ob sich Johann auch um die Wiederbelehnung mit der vom Landgrafen Ludwig IV. 1587 eingezogenen Hälfte des hessischen Gerichts Viermünden bei Ludwig V. beworben hat, muß bis zur Auffindung deshalbiger Urkunden ungewiß bleiben.
Im Herbste 1625 wurde Johann v. V. von Tilly aus dem Lager von Schulenburg an den Kurfürsten Philipp Christoph nach Trier gesandt, um denselben aufzufordern, mit seinen Ständen das Tilly’sche Heer besser in seiner bedrängten Lage in Norddeutschland mit Geld und Proviant zu unterstützen, da die Bevölkerung des niedersächsischen Kreises dem Könige von Dänemark [336] anhing, anderenfalls die ganze katholische Sache geschädigt und Tilly zum Rückzug aus Norddeutschland und zur Ueberwinterung im Trierischen Gebiet genöthigt sein würde. Die Richtigkeit dieser Befürchtung erfuhr gerade das Neersische Regiment durch einen zwiefachen Ueberfall der Dänen und Bauern am 28. December 1625 und 2. Januar 1626 bei Dransfeld und Nörten, wo dasselbe 200 Mann verlor. Im Frühling 1626 lag Johann wieder in Westfalen, im Januar 1627 war er in Brüssel „wegen der viermündenschen (Güter-)Sachen“. Im J. 1629, dem Jahre des Restitutionsedictes, nahm ihn Kurfürst Ferdinand von Köln zu seinem Rath, Amtmann und Commandanten von Bonn an, der Kaiser Ferdinand II. verlieh ihm am 3. October 1629 eine Art viermündensches Restitutionsedict, d. h. ein vermehrtes Wappen und das Privilegium, „sich von seinen jetzigen und künftigen Gütern zu schreiben“, und eine kaiserliche Commission auf Kurköln zur Untersuchung und Restitution der viermündenschen Stammgüter auf Grund der Familienverträge. Johann ließ die zerstreuten viermündenschen Verwandten und Güterinhaber, namentlich die von Braunsberg zu Burgbrohl als Inhaber Nordenbecks auf den 24. April 1630 vor das kölnische Gericht zu Zülpich laden. Dieser Restitutionsversuch blieb im Laufe des Kriegs ebenso erfolglos, wie das Reichsrestitutionsedict über die Kirchengüter.
Im J. 1630 war Johann v. V. Generalwachtmeister. Am 20. October erhielt er vom Kaiser Befehl, sich dem Grafen Montecuculi zu unterstellen und Schlesien zu schützen. Bei der Belagerung Magdeburgs commandirte er 1200 Mann Fußvolk und 200 Reiter auf der linken Elbseite. Nach der Eroberung Magdeburgs erhielt er den Befehl, mit 3000 Mann die Stadt Rostock gegen die Schweden zu vertheidigen. Trotz seiner ungünstigen Lage und schlechten Verproviantirung hielt er die Stadt in Hoffnung auf Ersatz vier und einen halben Monat lang und schloß nach Tilly’s Niederlage bei Breitenfeld mit den Belagerern, dem Herzog Albrecht von Mecklenburg und dem schwedischen General Tott, eine Capitulation ab und zog mit seinem Corps, welches noch 2000 Mann Fußvolk, 2 Compagnien Reiter und 45 Kroaten stark war, mit allen Officieren, allen Waffen, fliegenden Fahnen, Geschützen und Munition nach Wolfenbüttel ab. Schon bald nachher erhielt er vom kaiserlichen Befehlshaber Grafen Wolf von Mansfeld zu Magdeburg den Befehl, die Stadt Halberstadt mit dem Obersten v. Bönnighausen anzugreifen. Als er schon eine Bresche geschossen, ging ihm die Munition aus, und er mußte sich auf Befehl Mansfeld’s nach Magdeburg zurückziehen. Als er dort mit den anderen Führern drei Tage zu einem Kriegsrathe in Magdeburg war, überfiel und vernichtete der schwedische General Banner zuerst das Bönnighausen’sche Corps und schloß das Viermundische zu Wanzleben ein, wo es aus Mangel an Proviant sich ergeben mußte und nach Ueberlieferung seiner 15 Fahnen in schwedische Dienste übertrat. Als sich Johann v. V. im J. 1632 vom Heere in die Heimath begeben hatte und am anderen Tage nach Köln geritten war, um in der dasigen Jesuitenkirche eine Danksagung zu thun, wurde er von einem Feinde „aus hohem Geschlechte“ vor derselben erschossen und in der Kirche zu Anrath begraben. Er war der dritte seines Stammes und Namens binnen 70 Jahren, der ein gewaltsames Ende gefunden. Merkwürdiger Weise findet sich in den kölnischen Gerichtsverhandlungen nichts über diesen Mord oder den Mörder. Seine Töchter Alvera und Odilia begaben sich wegen dieses schrecklichen Endes ihres Vaters in den Orden der Nonnen des heil. Grabes zu St. Leonhard zu Aachen.
- Casp. Peter Luell, Lebhaftes Conterfait der Alvera von Virmund. 1682, S. 2 ff. – Löhrer, Geschichte der Stadt Neuß, S. 302. – Villermont, [337] Tilly I, 118; II, 294 ff. – Heilmann, Bairische Kriegsgeschichte I, 49. – A. Heldmann, Entwickelung des Wappens des Geschlechts von Viermünden (im: Deutschen Herold 1890, Nr. 4). – Theatrum europaeum, II, 486.
III. Adrian Wilhelm Freiherr von Viermund-Neersen. Adrian Wilhelm Frhr. v. Viermund und Herr zu Neersen, Johann’s Sohn, geboren am 24. November 1613, wurde 1633 mit den kurkölnischen Lehen, 1650 vom Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm mit den jülichschen Lehen belehnt. Er war in erster Ehe mit Johanna Katharina v. Bongardt, in zweiter mit der Neusser Stiftsdame Maria von der Horst vermählt. Auch er stand, wie sein Vater, zuerst in kurkölnischen, später jedoch in bairischen und zuletzt in pfalz-neuburgischen Diensten. In der ersten Zeit seiner Herrschaft spielte sich der letzte Act des dreißigjährigen Kriegs, der sog. Hessenkrieg, ab, welcher gerade die niederrheinischen Gebiete schrecklich verwüstete und auch das Schloß Neersen in die Hände des gefürchteten Feindes brachte. Adrian Wilhelm wurde vom Kurfürsten Ferdinand je nach den Umständen dieses verheerenden Kriegs bald mit diplomatischen Verhandlungen mit den hessischen Heerführern Rabenhaupt und Graf v. Eberstein, bald mit dem militärischen Schutz des kölnischen Gebietes gegen dieselben betraut. Gegen das Ende des Kriegs stand Adrian Wilhelm in bairischen Diensten und commandirte ein Regiment, ebenfalls das Neersische genannt. Im J. 1648 brachte er als Commandant von Augsburg den Westfälischen Frieden in dieser Reichsstadt zur Ausführung und befreite dieselbe von den Einlagerungen der Schweden. Nach ergebnißlosen Verhandlungen wegen Eintritts in venetianische Dienste trat er im J. 1651 als Oberst über 1000 Mann zu Fuß in pfalz-neuburgische Dienste und nahm unter dem Pfalzgrafen Philipp Wilhelm als Diplomat, General und als Vertheidiger der ständischen Rechte in dem cleve-jülichschen Erbschaftsstreite, in welchem sein Schwager, der Freiherr Theodor v. Wilich zu Winnenthal, verhaftet worden war, eine hervorragende und energische Stellung gegen den Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg ein. Er führte auch im Namen des Pfalzgrafen die Vorverhandlungen, welche zum Abschlusse des sog. ersten Rheinbundes vom Jahre 1658 zwischen den rheinischen Kurfürsten, Hessen-Kassel, Braunschweig, Schweden, Frankreich und Pfalz-Neuburg „zur Erhaltung der deutschen Freiheit und beständigen Genusses des Westfälischen Friedens“ führten. Im J. 1656 war er Oberbefehlshaber der Truppen, welche das jülichsche Gebiet gegen die Condé’schen Truppen schützen sollten und vertrieb diese durch ein für beide Theile blutiges Gefecht aus der Herrschaft Dalenbruch. Im J. 1644 war der Freiherr kaiserlicher Commissar in Sachen der Herrschaft Kaldenborn in der Eifel und sollte auch damals in den Grafenstand erhoben werden. In den Streitigkeiten des Pfalzgrafen mit der reichsunmittelbaren Abtei Siegburg eroberte er als jülichscher Feldmarschall 1670 die Stadt und Klosterfestung, entwaffnete die Einwohner und Mönche, vertrieb den Abt Joh. Bock und seine Anhänger und unterwarf dieselbe der Herrschaft des Pfalzgrafen und seiner Nachfolger.
Auch der Freiherr Adrian Wilhelm v. V. rollte aufs neue die viermündensche Güterfrage nach allen Seiten hin auf. Er erlangte auch einige Belehnungen mit ehemaligen viermündenschen Lehen seitens der Lehnherren, bat auch um Wiederbelehnung mit dem halben hessischen Gerichte Viermünden, er erlangte sogar eine neue kaiserliche Commission auf Kurköln und Pfalz-Neuburg zur Restitution der viermündenschen Stammgüter. Der Kurfürst [338] Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der bereits 1649 durch Vergleich den Nachlaß zu Bladenhorst zwischen den weiblichen viermündenschen Descendenten regulirt hatte, verbot jedoch den letzteren der kaiserlichen Commission als einer Umgehung der ersten Instanz Folge zu leisten, ließ aber dem Freiherrn den Rechtsweg offen (16. Februar 1668). Dieser verzichtete darauf in einem Vergleiche von 1672 auf die märkischen Güter zu Gunsten der weiblichen Nachkommen, wogegen diese ihm ihre angeblichen Rechte an das Schloß Nordenbeck und seine Zubehörungen abtraten. Mehr Glück hatte der Freiherr mit Erwerbungen in der niederrheinischen Gegend von Neersen, namentlich der Gladbacher Herrschaft Donk, mit welcher er von Philipp Wilhelm unter nachfolgender kaiserlicher Bestätigung 1666 belehnt wurde. Kaiser Leopold I. ernannte ihn 1674 zum kaiserlichen Feldmarschall.
Mit seiner ersten Frau, in deren Familie kirchliche Stiftungen Familiensitte waren, machte Adrian Wilhelm ebenfalls mehrere Stiftungen; sie stifteten namentlich das Minoritenkloster und die Kirche zu Neersen als Begräbnißstätte für seine Familie. Durch seine Unterstützung konnte sein kunstsinniger Hauspriester Gerhard v. Vynhoven nach einer Reise in das Heilige Land den Bau der Wallfahrtscapelle Kleinjerusalem bei Neersen, einer Nachbildung der Hauptstätten des Heiligen Landes, 1652–1656 bewerkstelligen. Adrian Wilhelm starb am 15. Juli 1681. Von seinen Söhnen folgte ihm Ambrosius Adrian Adolf in der Herrschaft Neersen, von den Söhnen zweiter Ehe fiel Karl Kaspar in der Schlacht bei Fleurus (1690), der andere Damian Hugo v. V. muß uns weiter beschäftigen.
- Verres a. a. O. S. 253. – Ennen, Geschichte d. Stadt Köln. 1880, 5, S. 715. – Haefter, Urkunden und Actenstücke 5, 615. 744. 758. – Joachim, Entwickelung des Rheinbunds v. 1658, S. 59 ff. – Pribram, Beitr. zur Gesch. des Rheinbunds v. 1658 (in den Sitzungsberichten der histor. Classe d. Wiener Akademie; 1888, Bd. 115, S. 129. – Montanus, Vorzeit der Länder Cleve-Mark 2, S. 297 ff. – Paul Clemen, Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz (1896) III, 4, S. 64 ff.
IV. Damian Hugo Graf von Virmont. Graf Damian Hugo v. V. war zu Schloß Herten im Rheinland am 24. August 1666 geboren und von Kind auf zum geistlichen Stande bestimmt und auch dem entsprechend ausgebildet. Sein Oheim, der Freiherr Arnold Christian von der Horst, hatte bereits 1675 zu seinen Gunsten eine Dompräbende zu Speier resignirt. Doch folgte er bald dem Lebensgange seines Vaters und Großvaters. Er trat 1696 in kaiserliche Dienste als Oberst eines vom Herzog Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg auf seine Kosten für den Kaiser Leopold I. ausgerüsteten Regiments, zu dessen Oberstinhaber der Herzog den Deutschmeister und Pfalzgrafen Franz Ludwig, Herzog in Baiern, am 21. Januar 1696 ernannte, und das in Franken geworben in Donauwörth sich sammelte und am 3. Juni 1696 in den kaiserlichen Dienst übernommen wurde. Es ist dieses das sog. Deutschmeister-Regiment, später die „Edelknaben“ genannt, jetzt „k. und k. Infanterie-Regiment Hoch- und Deutschmeister Nr. 4“, welches sich nachgehends in 206 Schlachten, namentlich bei Kolin, ruhmvoll ausgezeichnet und darin 407 Officiere und 20 000 Soldaten verloren hat, und am 6. September 1896 seine zweite Hundertjahrfeier begehen konnte. Das demselben am 29. September 1906 in Wien errichtete Denkmal zeigt im Relief seinen ersten Obersten v. Viermund das Regiment führend. Dasselbe zeichnete sich zuerst am 6. September 1697 an der Szireger Haide und fünf Tage später in der Schlacht bei Zentha so rühmlich aus, daß der Kaiser auf den Bericht des Prinzen Eugen an den [339] Freiherrn v. Virmund ein Dank- und Anerkennungsschreiben erließ. Der Freiherr machte dann den Türkenkrieg mit, stand meist in Siebenbürgen und durchlief alle militärischen Stufen bis zum Feldzeugmeister. Die schon seinem Vater zugedachte Erhebung in den Reichsgrafenstand wurde ihm und seinem Neffen, dem späteren Reichskammerrichter zu Wetzlar Ambrosius Franz Friedrich Adalbert, welcher das Geschlecht 1744 beschlossen hat, am 8. September 1706 ertheilt unter Erweiterung des Wappens durch Zufügung von Wappenbildern aus dem Wappen der erloschenen Grafen von Pyrmont-Gleichen auf Grund eines Druckfehlers des Siebmacher’schen Wappenbuchs und mit dem französisirten Namen v. Virmont.
Der Graf trat später in die diplomatische Laufbahn, war kaiserlicher Statthalter zu Mantua und Gesandter bei den Höfen von Schweden zu Stralsund (1715) und Preußen zu Berlin (1716), wo er mit günstigem Erfolg allerlei Angelegenheiten „des gemeinsamen Wesens“, namentlich die Fernhaltung der russischen Truppen vom nordischen Kriege verhandelte. Von da wurde er im August 1716 eiligst nach Polen beordert wegen der Beunruhigung Ungarns durch die in den polnischen Grenzstädten sich sammelnden ungarischen Insurgenten. Am 21. November 1717 nahm er die Huldigung der Reichsstadt Aachen entgegen und hielt dabei einen glänzenden Einzug. Es war dieses die letzte Huldigung, welche durch einen besonderen kaiserlichen Gesandten abgenommen wurde. Dieser Graf v. Virmont wie auch sein oben genannter Neffe, der Reichskammerrichter, traten als Vertreter des Kaisers überall mit großem Glanze auf; sie liebten pompöse Auf- und Einzüge, um des Kaisers sinkende Macht und Ansehen wieder zu Geltung und Erscheinung zu bringen.
Als nach den glänzenden Siegen des Prinzen Eugen über die Türken und nach der Eroberung der für uneinnehmbar gehaltenen Festungen Temesvar und Belgrad die Pforte um Frieden bat, wurde der Graf Damian Hugo v. V., weil Prinz Eugen die Friedensverhandlungen nicht selber zu führen, sondern ihnen nur nahe zu sein wünschte, um jeder Zeit denselben den nöthigen Nachdruck zu geben, zum kaiserlichen Bevollmächtigten bestellt und hat als solcher durch den Abschluß des Friedens von Passarowitz die großen Thaten des Prinzen Eugen gekrönt. Nachdem er den Winter in Düsseldorf zugebracht, fuhr der Graf am 22. April 1718 mit zahlreichem Gefolge in 19 Schiffen von Wien die Donau hinab, am 27. April an Ofen vorbei, kam am 4. Mai in Belgrad und am 7. Mai in Passarowitz an, wo die Friedensverhandlungen auf einer Anhöhe bei dem Dorfe Clodik auf dem rechten Ufer der Morawa in einem vom Grafen mitgebrachten Zeltpavillon stattfanden und wegen ungenügender Bevollmächtigung der türkischen Unterhändler erst seit dem 5. Juni ihren Anfang und langsamen Fortgang nahmen. Prinz Eugen, welcher am 8. Juni, begrüßt von dem Donner der 400 Kanonen der Festung, in Belgrad ankam, hielt am 15. Juni an der Donaubrücke von Koilutsch an der Morawamündung mit dem Grafen und den beiden anderen kaiserlichen Bevollmächtigten v. Thalmann und v. Fleischmann eine Conferenz über die Friedensbedingungen, daß der Friede auf Grund des Besitzstandes geschlossen, Unmögliches und unhaltbares Gebiet nicht für das Kaiserhaus erstrebt und der Handelsvertrag ohne Mitwirkung der interessirten vermittelnden Mächte England und Holland abgeschlossen werde. Wegen der von Westen her drohenden Kriegsgefahren war der baldige Abschluß des Friedens nothwendig, und Eugen, welcher von Belgrad aus in ständiger Verbindung mit dem Grafen stand, unterstützte den Fortgang der Friedensverhandlungen durch drohende militärische Demonstrationen. Am 21. Juli fand die Unterzeichnung des Friedenisvertrags statt. Es war der glücklichste Friede, welchen das alte Reich und das Erzhaus [340] Oesterreich mit den Türken geschlossen hat. Es erhielt dadurch das Banat von Temesvar, die kleine Walachei bis zur Aluta, fast ganz Serbien bis zum Timok und einen Theil von Bosnien zwischen Unna und Sau, d. h. ungefähr die Machtsphäre, welche Oesterreich durch den Berliner Frieden vom Jahre 1878 erhalten hat. Die Türken mußten alle Christensklaven gegen Lösegeld freigeben, die Entfernung der ungarischen Insurgenten von der Grenze zusichern. Durch einen gleichzeitig abgeschlossenen Handelssvertrag wurde allen kaiserlichen Unterthanen Handelsfreiheit durch das ganze türkische Reich bis an die Grenzen Persiens und deren Schutz durch kaiserliche Consuln gleichwie den anderen abendländischen Mächten in der Türkei zugestanden. Nur die Republik Venedig, derentwegen dieser Türkenkrieg ausgebrochen war, konnte das verlorene Morea nicht wieder erlangen.
Zur Ausführung des Friedens sandte jeder Theil nach der Sitte der Zeit einen Großbotschafter an den Hof des anderen. Vom Kaiserhof wurde der Graf v. Virmont dazu bestellt, welcher mit einem großen Gefolge von 400 Mann am 17. Mai 1719 diese Reise unter dem Zulauf der Bevölkerung Wiens und der Glieder des Kaiserhauses in 72 Schiffen auf der Donau antrat, überall vom Adel und den anliegenden Städten, besonders Pest, wie auf einem Siegeszuge empfangen. Nachdem er Trinitatis in Belgrad gefeiert, begegnete er an der Grenze dem türkischen Großbotschafter, welcher ebenfalls mit dem ungeheuren Gefolge von 763 Personen, 645 Pferden, 100 Maulthieren und 180 Kameelen nach Wien zog und dem Kaiserhofe an 300 000 Gulden Unterhaltungskosten kostete. Der Graf wurde auf türkischem Gebiet von einer Janitschareneskorte von 200 Mann übernommen, zog dann, die Seinigen bei Nacht außerhalb der Städte im Lager haltend, um sich nicht der Gefahr der Pest oder eines Ueberfalls der noch immer erregten Bevölkerung auszusetzen, über Nyssa und Sofia durch die Trajanspforte über das Rhodopegebirge, Philippopel und Adrianopel, von den Commandanten dieser Städte mit Ehren empfangen und beschenkt, und langte am 26. Juli 1719 am Meere und am 31. Juli vor Constantinopel an. Am 3. August hielt er vor Taut Pascha mit fliegenden kaiserlichen Fahnen, mit Pauken und Trompeten einen glänzenden Einzug in die Hauptstadt, was noch keinem anderen Botschafter je erlaubt gewesen. Selbst der Großsultan schaute diesem Einzug der siegreichen Deutschen zu. Am 8. August hatte der Graf Audienz beim Sultan. Infolge von Erkrankungen und Todesfällen wurden ihm Ende September in Pera Wohnungen angewiesen, wo er 6 Monate und 27 Tage blieb. Ein gegen die Deutschen beabsichtigter Ueberfall der Janitscharen wurde noch rechtzeitig entdeckt und 40 Rädelsführer theils hingerichtet, theils erdrosselt oder in Säcke gebunden im Meere ersäuft. Auch das Personal des Grafen wurde außer 150 Thaler täglichen Handgeldes reichlich durch Naturallieferungen versorgt, und es kostete dessen Aufenthalt in Constantinopel den türkischen Hof ebenwohl 200 000 Thaler. Der Graf erwirkte die Entfernung der ungarischen Insurgenten von der Grenze und die Verweisung des Fürsten Franz Rakoczy II., dessen Gebeine am 28. October 1906 nach Ungarn zurückgebracht und im Dome zu Kaschau am 29. October beigesetzt worden sind, nach Rodosto in Asien; er erwirkte Fermane für die katholischen Christen auf Chios und ordnete die Grenz- und Besitzverhältnisse der Bojaren diesseits und jenseits der Aluta. Durch ihn machte auch die Königin von Schweden, die Gemahlin des Erbprinzen von Hessen, der Pforte die Mittheilung über den Tod ihres Bruders Karl XII., der s. Z. in der Türkei Schutz gesucht. Nach vielen ihm zu Ehren von den türkischen Großen gegebenen Festlichkeiten trat der Graf am 27. April 1720 die Rückreise an und langte am 22. Mai in Belgrad an, [341] wo er für die glücklich vollbrachte Botschaftsreise einen feierlichen Dankgottesdienst mit Tedeum abhalten ließ, und nach einem Besuch der deutsch-schwäbischen Colonien in Ungarn am 22. Juli in der Reichshauptstadt Wien eintraf. Der Graf wurde nach seiner Rückkehr am 12. März 1721 zum commandirenden General von Siebenbürgen und der kaiserlichen Walachei bestellt, starb aber schon am 21. April 1722 zu Hermannstadt.
Auch dieser Graf von Virmont hat nicht bloß vor dem Friedensschluß, sondern auch nach der Rückkehr aus der Türkei, „wo er die Geschäfte der gesammten christlichen Welt besorgt hatte“, die viermündensche Güter- und Successionsfrage nach dem Erlöschen der Familie v. Dersch zu Viermünden, welche mit der anderen Hälfte dieses Gerichts belehnt war (1717), erstrebt, um wieder in den Besitz seiner Vorfahren zu gelangen, wurde aber trotz seiner Verdienste um das Vaterland und die „christliche Welt“, trotz aller Rechtsdeductionen und trotz aller Fürsprache deutscher Fürsten von der hessen-kasselschen Regierung durch Verheimlichungen des Lehnhofs hingehalten und vom Landgrafen Karl abschlägig beschieden. Eine französische Maitresse dieses Fürsten, die Frau des halbverrückten Marquis v. Langalerie, welcher am 18. September 1717 im Gefängniß zu Wien starb, erhielt den Vorzug vor ihm und die Belehnung mit Viermünden. Auch seinem Neffen, dem Reichskammerrichter zu Wetzlar, der als Jurist diese Lehenssache energischer betrieb, wurde dieselbe Verheimlichung und abschlägige Bescheidung zu Theil. Der Letztere starb darüber 1744 und mit ihm diese Güterfrage, welche 182 Jahre dieses Geschlecht sowie die westdeutschen Fürsten und ihre Gerichtshöfe und selbst die deutschen Kaiser und Kurfürsten von Brandenburg oft beschäftigt hatte. Da Graf Damian Hugo’s v. V. einziger Sohn Franz Adrian als kaiserlicher Officier bei dem Sturm auf Temesvar am 1. October 1716 gefallen war, so hinterließ derselbe nur zwei Töchter, von welcher Maria Ludovica mit dem Grafen Joh. Hermann v. Nesselrode-Landskrone, die andere, Maria Anna, mit dem Grafen Anton Cornificius v. Uhlfeld vermählt war. Letztere war des Grafen Universalerbin laut Testaments vom 15. April 1722.
- R. March, Das Deutschmeister-Jubiläum (Ueber Land u. Meer 1896, Nr. 16, S. 262. Denkmalserrichtung 29. Sept. 1906, Illustr. Zeitung Nr. 3300). – Arneth, Prinz Eugen von Savoyen (1858) II, 419. – Meyer, Aachensche Geschichten (1781) I, 694 ff. – Der vollkommene Adlers-Sieg, Beschreibung dessen, was aus Gelegenheit des zwischen Kaiser Karl VI und den Türken zu Passarowitz gepflogenen Friedenstraktaten Merkwürdiges sich zugetragen. 1718, mit Abbildungen. – Das Hungarisch und Venetianische Kriegs- nunmehr Friedens-Theatrum zu Passarowitz am 21. Juli a. 1718. Leipzig 1718, S. 5 ff. – Mailath, Gesch. Oesterreichs IV, 508. 622. – Hammer, Gesch. des Osmanischen Reichs VII, 237. – H. C. von den Drieschen, Histor. Nachricht von der römisch-kaiserl. Großbotschaft, welche der R.Graf D. H. von Virmont rühmlich verrichtet. 1723, mit 10 Kupfern. – Außerdem sind für sämmtliche Biographien viele ungedruckte Acten und Urkunden der Archive zu Coblenz, Düsseldorf, Münster, Marburg, Wittgenstein, Wiesbaden u. Wien benutzt.
[332] *) Zu Bd. LIV, S. 746.