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ADB:Treu, Michael Daniel

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Artikel „Treu“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 579–580, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Treu,_Michael_Daniel&oldid=- (Version vom 6. November 2024, 02:01 Uhr UTC)
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Treu: In den älteren Theatergeschichten wird gelegentlich ein Theaterprincipal Karl T. genannt, der an verschiedenen Orten, z. B. in Berlin auftaucht, ohne daß es möglich wäre, Genaueres über seine Persönlichkeit zu ermitteln. Weit mehr wissen wir über den Theaterdirector Michael Daniel T., den wir nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung für den Begründer des ersten deutschen Hoftheaters anzusehen haben. Dieser T. muß um das Jahr 1634 geboren sein. Urkundlich tritt er uns zuerst im Jahre 1666 entgegen, wo er sich mit der Bitte um Spielerlaubniß an den Magistrat zu Lüneburg wendet. In dieser Eingabe, die durch das beigefügte Verzeichniß seines aus 25 Stücken bestehenden Repertoires ein besonderes Interesse gewinnt, erfahren wir noch, daß er sich einige Jahre am dänischen Hofe aufgehalten hatte und dorthin zurückzukehren gedachte. Statt dessen begab er sich mit seiner Truppe nach München, wo er im Jahre 1669 neunzehn Komödien zur Aufführung brachte, zwölf davon in der Residenz und sieben in dem kurfürstlichen Lustschlosse zu Dachau. Zur gleichen Zeit führte auch die Gemahlin Treu’s, Maria Clara Treuin, die Tochter eines ehemaligen Herzog Albrecht’schen Schneiders, auf besonderen Befehl des Kurfürsten Ferdinand Maria in der Stadt ihre „Actiones“ auf. Treu’s Leistungen müssen dem Kurfürsten behagt haben, da man von Seiten des Hofes den Versuch machte, ihn und seine Gesellschaft an München zu fesseln. Dies geschah in der Weise, daß man die einzelnen Mitglieder beim Hofstaat unterzubringen suchte oder ihnen ein Wartegeld bis zum Freiwerden eines Postens gewährte. T. wurde durch zwei kurfürstliche Decrete vom 17. Juli 1670 und vom 22. April 1671 ein Jahresgehalt von 300 Gulden zugesichert, während die beiden Schauspieler Daniel Conradi und Peter v. Strahlen kleine Posten am Hofe erhielten. Wie man die übrigen Mitglieder der Truppe versorgte, wissen wir nicht. Erst vom Jahre 1681 an vermögen wir eine Besoldung, die für ausschließlich schauspielerische Dienste berechnet wurde, nachzuweisen. Sie wurde an Ursula Margaretha Perner, die am 1. November 1681 nach München als „teutsche Comoediantin“ berufen wurde, ausgezahlt. Um in bairische Dienste treten zu können, hatten T. und Peter v. Strahlen katholisch werden müssen. T. beschränkte jedoch seine Thätigkeit nicht auf den Hof, sondern veranstaltete schon im Jahre 1670 Aufführungen für die Bürgerschaft im großen Saale des alten Rathhauses. Anfangs scheint er damit Glück gehabt zu haben, doch ließ der Besuch schon nach einigen Jahren so nach, daß T. das Unternehmen wieder aufgab und nur in den Jahren 1677 und 1696 den Versuch noch einmal aufnahm. Auch am Hofe fand T. und seine Gesellschaft nur kurze Zeit hindurch Beifall, das Interesse schwand mehr und mehr seitdem die Kurfürstin Adelaide von Savoyen eine französische Truppe unter Ph. Millot’s Führung engagirt hatte. Nach dem Tode der Kurfürstin im J. 1676 kamen für die deutschen Schauspieler wieder bessere Zeiten. Die französische Truppe wurde entlassen, und während der Jahrzehnte von 1677 bis 1687 finden wir in den Rechnungen des Hofzahlamts zahlreiche Belege für eine häufige Verwendung der deutschen Gesellschaft. Seitdem jedoch wieder italienische Schauspieler am Hofe auftraten, ließ der Antheil des Hofes an Treu’s Darbietungen von Jahr zu Jahr merklich ab. Dazu kam noch der Umstand, daß Kurfürst Max Emanuel in Brüssel residirte, und daß dadurch überhaupt die theatralischen Bestrebungen in München ganz in den Hintergrund traten. T. spielte im J. 1696 noch zweimal und im J. 1697 noch dreimal vor dem Kurprinz Joseph Ferdinand. Diese Aufführungen und die bereits erwähnten, im J. 1696 auf dem Rathhaus zu München abgehaltenen sind die letzten, von denen wir noch hören. Schon vorher [580] war T. in seinen Einkünften wesentlich beschnitten worden, da die wachsende Finanznoth in Baiern zu größter Sparsamkeit zwang. So kam es, daß er seine letzten Tage im äußersten Elend verbrachte, zumal seine Gattin ihm bereits am 12. September 1690 durch den Tod entrissen war. Er starb am 22. März 1708 und wurde auf dem Friedhof Sanct Petri nächst der Kreuzkirche begraben. – Es ist nicht leicht, noch heute eine genaue Vorstellung über die Bedeutung und die Leistungen Treu’s zu gewinnen, da die vorhandenen Quellen dazu nicht ausreichen. Bemerkenswerth erscheint die Thatsache, daß in seiner Truppe auch Schauspielerinnen mitwirkten, was damals in Deutschland noch zu den Ausnahmen gehörte. Sein Repertoire muß ziemlich umfassend gewesen sein. Nach dem von ihm in Lüneburg eingereichten Verzeichniß zu urtheilen, stand er in früheren Jahren ganz unter dem Einflusse der englischen Komödianten. Ueber den Charakter der Münchener Stücke läßt sich wenig sagen, da wir nur die Titel kennen. Immerhin bleibt es interessant, daß auch eine deutsche Komödie von Dr. Faust unter den aufgeführten Stücken erwähnt wird.

Vgl. Karl Theodor Gaedertz, Archivalische Nachrichten über die Theaterzustände von Hildesheim, Lübeck, Lüneburg im 16. und 17. Jahrhundert. Bremen 1888. S. 99–102. – Karl Trautmann, Deutsche Schauspieler am bairischen Hofe (Jahrbuch für Münchener Geschichte. Bamberg 1889. III, S. 300–318.) – Internationale Ausstellung für Musik und Theaterwesen. Wien 1892. Fach-Katalog der Abtheilung für deutsches Drama und Theater. Wien 1892. S. 85. XVI, 3. S. 238, LIX, 1–7.