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ADB:Tobias, Carl Anton

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Artikel „Tobias, Anton“ von Otto Kaemmel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 390–392, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tobias,_Carl_Anton&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 22:01 Uhr UTC)
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Tobias: Karl Anton T., Provinzialhistoriker, wurde am 11. Juni 1828 zu Glauchau in Sachsen als Sohn eines Schuhmachermeisters geboren. Der Knabe, dessen gute Begabung und treuer Fleiß sich bald zeigten, erhielt trotz der sehr beschränkten Verhältnisse seines Vaterhauses eine gute Erziehung, anfangs in seiner Vaterstadt, seit Michaelis 1843 auf dem Gymnasium in Zwickau, wo er im September 1848 die Reifeprüfung bestand. Da seinem ursprünglichen, von seiner zärtlich geliebten Mutter besonders genährten Wunsche, [391] Theologie zu studiren, der Vater, in Erwägung der damaligen geringen Aussichten für dieses Fach, die Genehmigung versagte, wandte sich T. auf der Universität Leipzig dem Studium der Philosophie und Mathematik zu und legte in diesen Fächern am 26. October 1852 die Staatsprüfung ab. Nachdem er sich am 21. April 1853 den Doctorgrad erworben hatte, trat er als Probelehrer an der Nicolaischule (unter Nobbe’s Rectorat) ein und blieb dieser Anstalt auch nach Ablauf des Probejahres treu, bis er im Juni 1855 als Hilfslehrer an das eben damals mit einer Realschule verbundene Gymnasium in Zittau berufen wurde, und noch im Herbst desselben Jahres als ständiger Oberlehrer dort eintrat. In dieser bescheidenen amtlichen Stellung, in der er bis an sein frühes Ende blieb, vertrat er den mathematischen Unterricht in den mittleren und unteren Classen des Gymnasiums und den Rechenunterricht in den oberen Realclassen. Er war ein vortrefflicher Lehrer seines Faches, ein ausgezeichneter Rechenmeister, und stets bestrebt, mathematische Dinge in klarer, logischer, verstandesbildender Entwicklung seinen Schülern nahe zu bringen und sie zu ebensolchem Denken anzuleiten. Aber so eifrig und gewissenhaft er seine Amtspflicht that, so ganz Herzenssache war ihm die Mathematik doch eigentlich nicht. Schon in Zwickau und später in Leipzig, hier besonders unter dem Einflusse des Leiters der Universitätsbibliothek, Hofrath Gersdorf, hatte er ein umfassendes culturhistorisches, antiquarisches und litterarisches Interesse entwickelt und sich eine ausgebreitete Kenntniß angeeignet. In der historisch nach vielen Richtungen besonders interessanten und anregenden Oberlausitz, die ihre reiche Provinzial- und Ortsgeschichte von jeher mit Vorliebe gepflegt hat, fühlte er sich bald heimisch, namentlich seitdem er hier im September 1858 sich seinen eigenen Herd gegründet hatte. Kein besserer konnte deshalb 1857 zum Bibliothekar der alten und ansehnlichen Stadtbibliothek (und der damit räumlich vereinigten Gymnasialbibliothek) erwählt werden als T. Er war ein geborner Sammler und Bibliothekar durch seine peinliche Ordnungsliebe, seine unverdrossene Ausdauer, mit der auch in kurzer Zeit eine vollständige Katalogisirung durchführte, seinen untrüglichen, findigen Spürsinn und seine unerschöpfliche, mitarbeitende Bereitwilligkeit solchen Benützern seiner Schätze gegenüber, die ehrlich arbeiteten wie er selbst. Auch für sich selber brachte er bald eine ansehnliche Bibliothek (von etwa 11 000 Numern) und umfängliche andere Sammlungen zu stande. Er war nie glücklicher und liebenswürdiger, als wenn er eine schwer errungene Seltenheit einem empfänglichen Besucher zeigen und sich dabei seiner Umsicht und Beharrlichkeit in der Erwerbung freuen konnte. Sein nächstes Vorbild war der verdiente Localhistoriker Chr. A. Pescheck (s. A. D. B. XXV, 412 ff.). Zu dessen Geschichte von Zittau schaffte T. unermüdlich neuen, ergänzenden und berichtigenden Stoff herbei, und für die Geschichte des Gymnasiums sammelte er ein reiches und wohl fast lückenloses Material. Sammler blieb er auch als Schriftsteller. Er schrieb wenig, weil er von der peinlichsten Genauigkeit war, vielleicht auch, weil er fühlte, daß er die Gabe der übersichtlichen Zusammenfassung und anschaulichen Darstellung nicht besaß. Seine bedeutendste wissenschaftliche Arbeit sind die mit Material fast überladenen „Regesten des Hauses Schönburg“ im Zittauer Osterprogramm von 1865. Vorher hatte er schon 1863 als „Beiträge zur Geschichte der Stadt Zittau“ „Begebenheiten und Erlebnisse in Zittau 1813“ meist aus privaten Aufzeichnungen und den Rathsacten dieses Jahres zusammengestellt. Als der Krieg von 1866 ausbrach und die südliche Oberlausitz den imposanten Durchmarsch zweier preußischer Armeen unter dem Prinzen Friedrich Karl und General Herwarth v. Bittenfeld erlebte, faßte er sofort den Entschluß, der Historiker dieser Ereignisse zu werden, soweit sie Stadt und Landschaft betrafen. Er führte diese Aufgabe mit unermüdlichem Eifer [392] durch und setzte sich dabei einmal sogar persönlicher Gefährdung aus, denn als er am 23. Juni den Durchmarsch des IV. Armeecorps beobachtete und sich dabei unbefangen Aufzeichnungen machte, wurde er als Kundschafter aufgegriffen, bis an die nahe österreichische Grenze mitgeführt und erst gegen Abend wieder entlassen. Im nächsten Jahre erschien dann seine gründliche, nur wieder mit Einzelheiten zu sehr überladene und daher schwer lesbare „Geschichte der preußischen Invasion in Zittau und der südlichen Oberlausitz“ in einem stattlichen Bande. Zu seinen „Beiträgen zur ältesten Geschichte der evangelisch-lutherischen Kirche in Reichenberg, Friedland, Grafenstein, Gabel u. s. w.“ (Reichenberg 1868) gab ihm die Einweihung der evangelischen Kirche in Reichenberg Veranlassung. Als eifriger Sammler unterhielt er zahlreiche Beziehungen zu auswärtigen Gelehrten und Häuptern adliger Geschlechter und war Mitglied einer ganzen Anzahl gelehrter Gesellschaften. Nach alter Weise rühmte er sich dessen gern, denn in seiner lebhaften, sanguinischen Art war er, wie ihn persönliche Kränkungen tief schmerzten und lange nachhielten, so auch für alle Freundlichkeit und jede Anerkennung empfänglich und Zeitlebens dankbar. Für seine Freunde und für seine Schüler hatte er stets ein warmes Herz, und wie er sichs in seiner Jugend hatte sauer werden lassen und durch eigene Kraft alles hatte erreichen müssen, so wirkte er auch erzieherisch auf seine Schüler sehr entschieden ein, streng und gerecht, aber auch warmherzig und freudig in der Anerkennung ehrlichen Strebens. Dabei war er ein scharfer Beobachter menschlicher Art und wußte solche Erfahrungen bald humoristisch, bald sarkastisch zu verwerthen. Seiner Familie blieb er ein treusorgender, zärtlicher Vater bis in seine letzte Stunde. Ein schweres Magenleiden, das ihn schon seit 1860 quälte, oft in seiner Thätigkeit störte und wohl auch bisweilen reizbar machte, setzte seinem Leben nach kaum vollendetem 44. Lebensjahre am 10. October 1872 das Ziel. Das Werthvollste seiner Sammlungen ging durch Kauf in den Besitz der Stadt Zittau über.

Vgl. die Nekrologe in den Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 1873, S. 170 ff. (von H. Hallwich) und im Neuen Lausitzischen Magazin, 1873, S. 368 ff. (leider mit manchen sinnstörenden Druckfehlern). – Außerdem wurden private Aufzeichnungen und eigene Erinnerungen benützt.