Zum Inhalt springen

ADB:Tiffernus, Michael

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Tiffernus, Michael“ von Rudolf Krauß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 293–295, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tiffernus,_Michael&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:05 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Tietz, Friedrich
Band 38 (1894), S. 293–295 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand Juli 2018, suchen)
Michael Tiffernus in Wikidata
GND-Nummer 117381934
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|38|293|295|Tiffernus, Michael|Rudolf Krauß|ADB:Tiffernus, Michael}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117381934}}    

Tiffernus: Michael T., Erzieher des Prinzen, nachmaligen Herzogs Christoph von Württemberg, geboren 1488, gestorben am 11. April 1555. T. stammt aus der Landschaft Krain, sein Geburtsort und seine Herkunft sind nicht näher bekannt. Ueber seine Jugendschicksale enthält ein Brief des Primus Truber vom 5. Oktober 1585 an den Herzog Ludwig von Württemberg Nachrichten. Darnach soll er bei einem Einfall der Türken in Krain als neugeborenes Kind mit einer Anzahl anderer Christen in die Sklaverei geschleppt, aber nach Verjagung der Türken in deren Lager zurückgelassen worden sein. Ein Bürger aus Tybein, namens Erasmus Stich, habe dort das Findelkind aufgefunden, es mit nach Hause genommen und taufen lassen. Der wackere Mann habe dann den Pflegeknaben auf die Schule geschickt und ihm eine so treffliche Erziehung gegeben, daß er auf die Universität Wien gesandt und in das Krainische Stipendium, die sogenannte Bursa animi, aufgenommen werden konnte. Diese Mittheilungen mögen im wesentlichen richtig sein. Nur liegt eine Verwechslung des Orts, an dem T. seine Jugend verbrachte, vor. Nicht in Tybein (dem heutigen Duino, einer kleinen Stadt bei Triest) ist er erzogen worden, vielmehr in Tüffer, früher Tyffer, einem Markt in Südsteiermark bei Cilly, unfern der Krainer Grenze. Dafür spricht sowohl der Name, der T. seiner Adoptivvaterstadt zu Ehren beigelegt wurde, als insbesondere auch der Umstand, dass zu Tüffer in jener Zeit eine Bürgerfamilie Stich existirte und nicht geringes Ansehen genoß. – Auf der Universität Wien zeichnete sich T. durch großen Fleiß aus; er erwarb die Magisterwürde und soll sogar zum Professor der Philisophie an der Hochschule ernannt worden sein, eine wenig glaubwürdige Nachricht, da er schwerlich diese Stellung gegen die eines Prinzenerziehers aufgegeben hätte. Sehr wahrscheinlich klingt dagegen die Mittheilung, daß er in Wien edle Knaben unterrichtet habe. Jedenfalls muß er für einen tüchtigen Humanisten gegolten und persönliche Achtung genossen haben, sonst wäre er kaum vom österreichischen Hof, der nach der Verjagung Herzog Ulrich’s von Württemberg die Erziehung des jungen Prinzen Christoph in die Hand genommen hatte, zu dessen Präceptor bestellt worden. Gegen Ende des Jahres 1526 übernahm der damals achtunddreißigjährige T. sein neues Amt. Der Prinz hielt sich seit Juli 1525 zu Neustadt in Oesterreich auf. T. rechtfertigte vollständig das in ihn gesetzte Vertrauen. In dreijährigem Zusammenleben mit Christoph förderte er dessen Kenntnisse in den verschiedensten Wissenszweigen und brachte namentlich im Lateinischen ihn soweit, „daß er sich zeitlebens mit männinglich wohl bereden konnte“. Auch auf die Charakterbildung des Prinzen haben die gediegenen sittlichen Grundsätze Tiffernus’ offenbar günstige Einwirkung gehabt. Und es bildeten sich zwischen beiden Freundschaftsbeziehungen von solcher Festigkeit, daß auch nach vollendeter Erziehung sie sich nicht von einander trennten. Christoph fand nun in seinem ehemaligen Lehrer einen Freund und Berather von seltener Treue, Umsicht und Entschlossenheit. T. hielt sich fortan stets im Gefolge des Prinzen und war namentlich auch damals sein Begleiter, als er Anfang October 1532 mit Kaiser Karl V. über die Alpen nach Italien und von da nach Spanien ziehen sollte. Schon auf der Grenze von Steiermark und Kärnten entzog sich Christoph mit kühnem Entschluß dem kaiserlichen Machtbereich: T. war in den Plan eingeweiht, wenn er auch schwerlich dessen Urheber gewesen ist, T. setzte sich mit dem Prinzen den Mühseligkeiten und Gefahren der Flucht aus, die durch das Salzburgische nach Baiern ging, und trug ohne Zweifel zum Gelingen des Unternehmens nicht wenig bei, wenn auch eine Verfolgung durch spanische Reiter historisch nicht nachweisbar ist und somit die sich daran [294] knüpfenden abenteuerlichen Einzelheiten in das Gebiet der Sage zu verweisen sind. Als sicher darf dagegen die Angabe gelten, daß T. auf der Flucht dem Prinzen, dessen Pferd hinkte, das seinige abtrat. Als Christoph nach der Wiederherstellung seines Vaters von diesem im Herbst 1534 an den Hof König Franz I. von Frankreich geschickt wurde folgte ihm T.; er versah hauptsächlich das bei den schmalen Einkünften des Prinzen keineswegs dankbare Amt des Schatzmeisters, und führte die Rechnungen mit großer Pünktlichkeit. Am 16. Juni 1538 zu Villafranca bei Nizza ertheilte Kaiser Karl V., der sich einen Monat später zu Aiguesmortes bei Gelegenheit einer persönlichen Zusammenkunft mit König Franz I. und zugleich mit Christoph aussöhnte, dem Freund des Letzteren einen Wappenbrief, „weil ihm des Reiches lieber Getreuer, Michael Tiffernus, berühmt geworden seiner Ehrbarkeit, Schicklichkeit, guten Sitten, Tugend und Vernunft und der getreuen Dienste, wozu er sich erbot.“ Uebrigens dürfte die Vorliebe des Kaisers für T., der einst das meiste dazu beigetragen hatte, den Prinzen seiner Gewalt zu entreißen, nicht eben groß gewesen sein, und nur mit Rücksicht auf den Letzteren, den er damals für sich zu gewinnen suchte, wird er jenem die Ehre erwiesen haben; vielleicht hoffte er auch, T. werde infolge der Auszeichnung künftig in seinem Sinn auf Christoph einwirken. Im J. 1542 erfolgte endlich die Aussöhnung zwischen Herzog Ulrich und seinem Sohn durch den Reichenweiher Vertrag (17. Mai). Christoph erhielt nun die Statthalterschaft von Mömpelgard und übertrug T., als seinem Rath, die wichtigsten Regierungsangelegenheiten. Vermuthlich hat dieser hier auch die Beschäftigung seines Herrn mit religiösen Dingen getheilt und seinen Übertritt zur Reformation vollzogen. Als dann der Prinz im Begriff stand, sich auf Wunsch seines Vaters mit Maria Anna, der Tochter des Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach, zu vermählen, betraute er im Frühjahr 1543 den zuverlässigen Freund mit einer Sendung an den Ansbacher Hof, wo dieser über die Verhältnisse genaue Erkundigungen einzuziehen hatte. Man wird wohl annehmen dürfen, daß T. beim Regierungsantritt Christoph’s nach Stttgart mit übersiedelte, aber bedeutenden Einfluß auf den Gang der Geschäfte hat er offenbar nicht gehabt, wenn auch der junge Herzog gelegentlich den Rath des bewährten Diener eingeholt haben mag. Der Wunsch des alternden und kränklichen Mannes war auch schwerlich auf eine maßgebliche Stellung gerichtet. Er genoß nun die wohlverdiente Ruhe und bezog einen Jahresgehalt, den ihm der Herzog ausgesetzt hatte. Im Herbst 1552 kam T. um Aufbesserung ein, und der Herzog zeigte sich alsbald willfährig, indem er ihm 100 Goldgulden, ein Fuder Wein, 6 Scheffel Gerste, eine Kuh und einen Wagen mit Oehmd zustellen ließ. Wir erfahren bei dieser Gelegenheit, daß Tiffernus’ Hauswesen aus einer alten Wirthschafterin, einer Köchin und einem jungen Bedienten bestand. Verheiratet war er nie; ein bezügliches vorteilhaftes Anerbieten der bairischen Herzöge hatte er abgelehnt. Im Frühjahr 1553 bat er seinen Fürsten in einer neuen Eingabe, ihn auf dem bevorstehenden Lehentag mit einem Lehen zu bedenken. Die Lehensrichter, denen die Entscheidung überwiesen wurde, verhielten sich hingegen ablehnend. Körperliche Leiden trübten die letzten Tage Tiffernus’, der mit dem Herzog nur noch selten persönlich zusammentraf, obschon er dessen Regierungshandlungen mit lebhafter Theilnahme verfolgte. In seiner letzten Krankheit bestellte ihm der herzogliche Marschall, Wilhelm v. Massenbach, einen besonderen Wärter; Christoph weilte gerade zu Augsburg auf dem Reichstag. Dorthin wurde ihm das Ableben seines alten Lehrers gemeldet, das am 11. April 1555 erfolgt war. T. wurde, seinem Wunsch entsprechend, in der Stuttgarter Stiftskirche begraben, wo ihm der Herzog einen Grabstein mit Inschrift setzen ließ. Es fand sich ein Testament vor, in dem T., der keine [295] Verwandten hatte, sein Vermögen zum kleineren Theil für verschiedene milde Stiftungen in Stuttgart und für Legate, zum größeren für die Erweiterung des herzoglichen Stipendiums im theologischen Stift zu Tübingen bestimmte. Dem Herzog war die pünktliche Vollstreckung dieses letzten Willens Gewissenssache. Er ließ Brenz, Alber und andere je mit einem Becher aus dem Silbergeschirr des Verstorbenen als Andenken an diesen behalten; es ergibt sich daraus, daß T. zu den erwähnten Männern in nahen Beziehungen gestanden hat. Der übrige Hausrath wurde verkauft und dadurch das für das Stipendium ausgesetzte Capital von 1500 Kronen auf 2320 Gulden erhöht, so daß aus den Zinsen in der Folge vier weitere Studierende der Theologie im evangelischen Stift erhalten werden konnten. So hat diese edle Stiftung im Verein mit den großen Verdiensten, die sich T. um die Erziehung Herzog Christoph’s erworben hat, dem ausgezeichneten Mann für alle Zeiten ein freundliches Andenken im württembergischen Land gesichert.

Mittheilungen des hist. Vereins für Krain, 13. Jahrgang (1858) S. 21 f. – Schnurrer, Erläuterungen der Württembergischen Kirchen-, Reformations- und Gelehrtengeschichte (1798) S. 541 ff. – J. C. Pfister, Herzog Christoph zu Wirtemberg (1820) II, S. 43 ff. – Pfaff, Würtemb. Gedenkbuch auf alle Tage des Jahres, 2. Auflage (1865) S. 152 f. – Vgl. ferner die übrigen Werke über die Herzöge Ulrich und Christoph, und Chr. Fr. Stälin, Wirtembergische Geschichte IV.