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ADB:Tiesenhausen, Heinrich von

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Artikel „Tiesenhausen, Heinrich von“ von Joseph Girgensohn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 289, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tiesenhausen,_Heinrich_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 08:40 Uhr UTC)
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Tiesenhausen: Heinrich v. T., livländischer Staatsmann und Schriftsteller, stammte aus einem alten deutschen, schon im Anfang des 13. Jahrhunderts in Livland nachweisbaren, Adelsgeschlecht. Ungefähr 1520 auf dem Schlosse Berson geboren, trat er in verhältnißmäßig jungen Jahren in den Dienst beim Markgrafen Wilhelm von Brandenburg, dem letzten Erzbischof von Riga. Als dessen vertrauter Rath ist er wiederholt zu diplomatischen Sendungen an den Herzog Albrecht von Preußen und an den polnischen Hof gebraucht worden. Als der livländisch-russische Krieg 1558–61 die Unmöglichkeit erwies, daß der Ordensstaat an der Düna allein der russischen Uebermacht widerstehen konnte neigte sich T., wie sein Herr, Erzbischof Wilhelm, zu Polen. Als 1561 Esthland schwedisch, Oesel dänisch, Kurland ein polnisches Lehnherzogthum wurde, hat T. die Unterwerfung Livlands unter das polnische Scepter mit betrieben. Livland wurde unter der Bedingung, daß die augsburgische Confession und deutsche Obrigkeit und Gericht nicht angetastet werden sollten, unter die Verwaltung eines polnischen Statthalters gestellt, nicht aber von polnischen Truppen vertheidigt, so daß die Russen wiederholt verheerende Raubzüge in das vom Kriege erschöpfte Land machen konnten. 1577 wurden Tiesenhausen’s Güter verwüstet, seine Gemahlin und mehrere seiner Kinder in die russische Gefangenschaft geschleppt. Nach Abzug der Russen besetzten die Polen die Güter und gaben sie erst nach vielen Verhandlungen und nach Zahlung größerer Geldsummen heraus. In der Zeit der Noth hat T. Wirtschaftsbücher geführt, die neuerdings herausgegeben, ein interessantes Bild damaligen wirthschaftlichen Lebens darbieten. Trotz seines in Staats- und Kriegsdienst sich bewegenden Lebens hat der alte Ritter doch Muße gefunden, mehrere historische Werke von nicht unbedeutendem Werth zu verfassen. Er schrieb eine Geschichte seiner Familie, eine Chronik der Erzbischöfe von Livland und eine Widerlegung des livländischen Chronisten Russow, auch hat er andere Aufzeichnungen hinterlassen, die alle Zeugniß von seinem Patriotismus, seiner frommen Gesinnung und seiner lebhaften Fürsorge für seine Familie, für Pfarrer, Küster und arme Leute geben. Er starb im J. 1600, nachdem er seine Frau und einige seiner Kinder aus der Gefangenschaft ausgelöst und seine Güter durch weise Sparsamkeit und sorgfältige Wirthschaft wieder heraufgebracht hatte, hoch geehrt von seinen Zeitgenossen.

Vgl. Des Bannerherrn Heinrich von Tiesenhausen des Aelteren von Berson ausgewählte Schriften und Aufzeichnungen. Herausgegeben im Auftrage der Gräfin Marie v. Przezdziecka geb. Gräfin Tyzenhaus. Leipzig 1890.