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ADB:Superville, Daniel von

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Artikel „Superville, Daniel von“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 634–637, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Superville,_Daniel_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:33 Uhr UTC)
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Superville: Daniel von S., Mediciner von polyhistorischer Bildung, † 1773, wurde in Rotterdam am 2. December 1696 als dritter Sohn des Kaufmanns Jacob v. S. geboren, eines Refugiés, der aus einer alten französischen Familie stammte; sein Vater und Großvater waren zu Saumur in Anjou angesehene Aerzte gewesen; sein Bruder Daniel war in Rotterdam, wo er 1728 starb, ein hervorragender Theologe; er hatte sich am 5. October [635] 1683 mit einer Holländerin Margareta geb. Bettekeuke verheirathet. Der Sohn bezog nach Vollendung der Schulstudien eine Universität – zunächst wissen wir nicht welche –, um sich der Arzneiwissenschaft zu widmen, und ging im J. 1718 auf die Universität Utrecht über, wo er noch am 1. November d. J. mit einer Disputation „de sanguine et sanguificatione“ zum Doctor der Medicin promovirte. Er begab sich darauf nach Leyden, wo er am 13. Februar 1719 inscribirt wurde, Weihnachten 1719 als Mitglied der Wallonischen Kirche aufgenommen, 1721 in ihr zum Diakon erwählt wurde und sich am 26. April 1722 mit Katharine Elisabeth le Cointe vermählte. Im Juni 1722 verließ er Leyden und erschien noch in demselben Jahre in Stettin, weil ihn hier der König als Hof- und französischen Coloniemedicus angestellt und ihm am Gymnasium eine Professur der Anatomie und Chirurgie verliehen hatte. Da die letztere Stelle aber bereits besetzt war, so begann er 1724 unentgeltlich medicinische Demonstrationen zu halten; erst am 9. Mai 1726 wurde er auf Drängen des Königs als außerordentlicher Professor für jene Fächer eingeführt. Auch sonst suchte er sich eifrig zu bethätigen. Auf seinen Wunsch wurde er wohl schon 1725 Mitglied des neuerrichteten Collegium medicum; auch Landphysicus wird er gelegentlich genannt, und als solcher wird er die Visitation der pommerschen Apotheken u. a. vorgenommen haben. Nicht minder kam er in wissenschaftlichen Kreisen zu Ansehen; die kaiserliche Akademie der Naturforscher ernannte ihn am 10. December 1739 unter dem Namen Apollophanes III zu ihrem Mitgliede, ebenso auch die Societät der Wissenschaften in Berlin, was sich nach Pertz’ Zeugniß allerdings nicht mehr actenmäßig belegen läßt, aber u. a. durch die Unterschrift seines von Fritsch 1744 gestochenen Bildnisses beglaubigt ist. Auch zu dem Berliner Hofe kam er in nahe Beziehungen. Er heilte König Friedrich Wilhelm I. von der Wassersucht, und wenn er gelegentlich auch dem Spotte des Kronprinzen zur Zielscheibe diente, so hat doch auch dieser viel von ihm gehalten, da er seine ärztliche Kunst für Voltaire in Anspruch nahm und ihn seiner Schwester, der Markgräfin Wilhelmine von Baireuth, empfahl. Der gute Erfolg, den er auch für ihre Gesundheit 1738 erzielte, veranlaßte eine Wiederholung des Besuches und dann seinen völligen Uebertritt in markgräfliche Dienste.

S. wurde nun in Baireuth Leibarzt, wirklicher Geheimrath und Director der Bergwerke. Er gehörte bald zu den intimsten Vertrauten der Markgräfin und gewann auch auf den Markgrafen einen großen Einfluß; das machte sich in der Staatsverwaltung wie im Leben des Hofes bemerkbar. Sein Hauptwerk ist hier die Gründung einer neuen Universität gewesen, die zuerst am 21. März 1742 in Baireuth eröffnet, dann, nach Erlangen verlegt, hier am 4. November 1743 wieder aufgethan wurde. Es bedurfte einer klugen, thatkräftigen Persönlichkeit, um manchen Gegnern gegenüber unter schwierigen Verhältnissen diesem Plane die Ausführung zu sichern; nicht minder, um die junge Anstalt zu einer gedeihlichen Wirksamkeit zu bringen. Hierauf zielte mit bestem Erfolge das unablässige Streben Superville’s ab, der anfangs zum Director der Universität, dann, als nach der Declaration vom 16. November 1746 das Directorium in ein Curatorium verwandelt war, zu ihrem cancellarius perpetuus ernannt worden war. Unermüdlich war er auf die Hebung der Hochschule bedacht, auf die Erweiterung ihrer Rechte, die Verbesserung ihrer finanziellen Fundirung, die Heranziehung tüchtiger Kräfte, die Weckung wissenschaftlichen Lebens durch die Stiftung einer Gesellschaft, die Beschaffung einer ausreichenden Bibliothek u. a. Auch vor eigenen bedeutenden Opfern schreckte er dabei nicht zurück; er schenkte, um mit gutem Beispiele voranzugehen, der Universität seine werthvolle Bücherei und eine Sammlung [636] physikalischer, chirurgischer und anatomischer Instrumente. Er verlor die Anstalt keinen Augenblick aus den Augen, auch wenn er, wie im J. 1745, wo er fast ein Jahr im Haag weilte, zu auswärtigen Gesandtschaften verwandt wurde; über alle Universitätsangelegenheiten traf er auch in der Ferne die Entscheidung. Wie er freudig seine Person für die Sache, die er zu der seinigen gemacht hatte, einsetzte, so trat er mit rücksichtsloser Entschiedenheit auch denen entgegen, die ihm seine Kreise störten. Das schuf ihm manche Gegner, wie der Erfolg, den er hatte, zahlreiche Neider ihm weckte. Vermuthlich hat dieser Männer heimliches Treiben seinen plötzlichen Sturz herbeigeführt. Der eigentliche Anlaß dazu ist nicht aufgeklärt. Es war offenbar nur eine Redensart, wenn S. der Universität am 2. März 1748 mittheilte, daß er aus Gesundheitsrücksichten sein Amt niederlegen werde. Die Schritte, die die Anstalt dagegen unternahm, waren erfolglos; schon unterm 3. April 1748 wurde ihm ein Nachfolger bestellt. Jedenfalls war die Markgräfin bei diesem Vorgehen gegen S. unbetheiligt; sie hat ihm ihre Gunst keineswegs entzogen. Denn sie bedachte ihn noch in ihrem ersten Testamente (April 1748) mit einer Pension und hat ihm später das Originalmanuscript ihrer Memoiren vermacht, wohl in der Absicht, daß er sie nach ihrem Tode herausgeben sollte. Er hat sie in der That auch einer stilistischen Durcharbeitung unterzogen, dann aber doch nicht veröffentlicht, so daß sie erst lange nach seinem Tode (1810) im Druck erschienen. Ob ihn selbst Bedenken über den Inhalt der Aufzeichnungen abgehalten haben, wird sich schwerlich noch feststellen lassen.

S. scheint die markgräflichen Lande nun schleunigst verlassen und sich zunächst in Bremen niedergelassen zu haben; denn von hier siedelte er um die Mitte des Jahres 1749 nach Braunschweig über, wo Herzog Karl ihm eine freie Wohnung einräumte. Ob eine Empfehlung der Markgräfin, deren Schwester Philippine Charlotte an Karl verheirathet war, hier mitgewirkt hat, müssen wir dahingestellt sein lassen. Jedenfalls trat er bald zu diesen Fürstlichkeiten in nähere Beziehung. Er wurde schon 1751 zu einer diplomatischen Sendung nach Holland verwandt und spielte eine Rolle in dem schöngeistigen Kreise, den die Herzogin um sich sammelte. Ihr Bruder König Friedrich schreibt von ihr an die Markgräfin am 17. November 1751: elle tient un petit bureau d’esprit à Brunsvic, dont votre médecin est le directeur et l’oracle. Er hat dann den Herzog namentlich auch zur Gründung des Kunst- und Naturaliencabinets veranlaßt, aus dem später das Herzogliche Museum hervorgegangen ist. Zunächst ordnete er eine kleine Sammlung von antiken Münzen, die dann vermehrt wurde, und erstattete darauf 1754 im Auftrage des Herzogs einen Bericht über die Anlage einer Kunst- und Naturaliensammlung, für die er einen vollständigen Plan ausarbeitete. Er rieth zunächst, aus den fürstlichen Schlössern die überall zerstreuten Alterthümer, Kunstsachen und Naturalien zusammenzubringen. Dieses geschah, und es entstand so in einigen Zimmern des großen Mosthofes, des stark umgestalteten Gebäudes der Burg Dankwarderode, der Anfang eines Museums, dessen Einrichtung und erste Leitung S. besorgte. 1755 unternahm er auch eine längere Reise nach Holland und Frankreich, wo er verschiedene Sammlungen von antiken Münzen, geschnittenen Steinen, Statuen, Inschriften, Curiositäten u. s. w. für den Herzog erwarb. Auch Naturalien und Alterthümer wurden von verschiedenen Seiten angefordert oder angekauft; anatomische Präparate wurden auf Superville’s Anweisung hergestellt. So nahm die Sammlung schnell einen sehr erfreulichen Fortgang. Da aber kam die Noth des siebenjährigen Krieges dazwischen, die schwer auf dem Braunschweiger [637] Lande lastete und vorläufig natürlich den von S. verfolgten Bestrebungen ein völliges Ende machen mußte. Das war wohl die Ursache, daß er in seine alte Heimath zurückkehrte. Der Abschied vollzog sich hier in ungetrübter Freundschaft; der Herzog bewilligte ihm für die Zeit seines Aufenthalts im Auslande unterm 13. August 1761 die Hälfte seiner bisherigen Pension (1000 Gulden). Er schlug nun im Haag, bezw. im nahen Voorburg, seinen Wohnsitz auf und hat auch hier gelegentlich nach Braunschweig auf Wunsch noch Auskunft ertheilt und Geschäfte erledigt. Als seine Gattin 1769 starb, ist er mit Marie Marthe, der Tochter Pierre le Cointe’s und Elisabeth de Gounyle, der Wittwe Corneille’s de Normandie, bai11if der Stadt Vließingen, wohl seiner Schwägerin (geboren 24. Februar 1704), am 13. Mai 1770 eine zweite Ehe eingegangen. Trotz seinem schwächlichen Körper, der oft von Krankheit heimgesucht wurde, brachte er sein Leben fast auf 77 Jahre; er starb in Rotterdam am 16. November 1773 und wurde in der französischen Kirche (Vrouwe Kerk) zu Leyden beigesetzt.

Vgl. E. Sehling, Daniel v. Superville. Das Kanzleramt an der Universität Erlangen (Leipzig 1893) und die hier angeführte Litteratur; dazu Braunschw. Magazin 1906, S. 83 f.; gütige Auskunft vom Secretariat der Commission de l’histoire des Eglises Wallons, der Universitäten Leyden und Utrecht, den Stadtarchiven zu Rotterdam und im Haag, dem Staatsarchiv zu Stettin; herzogl. Landeshauptarchiv zu Wolfenbüttel.