Zum Inhalt springen

ADB:Stutz, Jakob

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Stutz, Jakob“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 80–81, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stutz,_Jakob&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:08 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 37 (1894), S. 80–81 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Jakob Stutz in der Wikipedia
Jakob Stutz in Wikidata
GND-Nummer 118619772
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|37|80|81|Stutz, Jakob|Franz Brümmer|ADB:Stutz, Jakob}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118619772}}    

Stutz: Jakob St., schweizerischer Volksdichter, wurde am 27. November 1801 in Isikon, einem Dörflein der Gemeinde Hittnau, Kanton Zürich, geboren. Seine Jugend war recht freudlos und mit 13 Jahren war er völlig verwaist, so daß er sich bei andern Leuten als „Männbub“ (Gehülfe beim Pflügen) verdingen mußte. Hinter dem Pfluge dichtete er mit 16 Jahren sein erstes aus 25 Strophen bestehendes Lied auf die damalige Hungersnoth und die nothwendige Bekehrung der Christen, dem er im folgenden Jahre ein zweites, nach einer Feuersbrunst geschriebenes neues Lied von 22 Strophen folgen ließ. Hierdurch wurde der Pfarrer seines Ortes auf ihn aufmerksam; er ertheilte dem Jüngling Unterricht, sah aber nur geringe Fortschritte. Dann wurde St. Weber, im Herbst 1821 Hausknecht in Zürich, kehrte aber nach dem Tode seines Brotherrn in die Heimath zurück. Einige Jahre später wurde er mit dem Pfarrer und Dichter S. Tobler in Sternenberg bekannt, der im Verein mit dem Ortslehrer sich des Webers annahm und ihn unterrichtete, damit St. selbst einmal als Schullehrer sein Brot erwerben könne. Im J. 1827 erhielt er einen Ruf als Arbeitslehrer an die Blindenanstalt zu Zürich, an der damals Th. Scherr als Oberlehrer wirkte. In den neuen, besseren Verhältnissen fühlte sich St. sehr wohl, und angeregt durch Hebel’s alemannische Gedichte, schrieb er seine „Gemälde aus dem Volksleben, nach der Natur aufgenommen und treu dargestellt in gereimten Gesprächen zürcherischer Mundart“ (1830), wovon bis zum Jahre 1853 noch weitere fünf Theile erschienen. Echte, wahre Poesie ist freilich in diesen Gemälden wenig zu spüren, dazu fehlte dem Dichter die höhere Bildung und die schöpferische Phantasie; aber St. will auch gar nicht idealisiren, sondern das Leben in seiner harmlosen, mitunter auch widrigen Beschränktheit darstellen, so wie es sich ihm gerade zeigt. Seine Gemälde sind darum ungeschminkte Wahrheit; sie interessiren durch ihren Realismus und Naturalismus, wenngleich nicht zu leugnen ist, daß die bisweilen erschreckende Objectivität kein Hebel der Poesie genannt werden kann. Von 1836–1841 war St. als Lehrer im Appenzellerlande thätig; dann zog er zu seiner verwittweten Schwester nach Matt und [81] legte hier die Einsiedelei „Jakobs-Zell“ an, wo er als abgeschiedener Klausner lebte, sich mit aufgestellten Todtenköpfen umgab und einen Kreis jüngerer Freunde um sich sammelte, die gegenseitige Bildung und Förderung des Volkswohls pflegen wollten. Ueber die nächste auf dieses Einsiedlerleben folgende Zeit aus dem Leben des St. hüllen die vorliegenden Quellen einen Schleier; sie sprechen nur von großen Verirrungen des Dichters und auch von der Sühne derselben, unterlassen aber weitere Andeutungen. In den letzten 20 Jahren seines Lebens wechselte St. sein Domicil sehr häufig. In Ulster gab er einige Jahre eine Zeitschrift „Ernste und heitere Bilder aus dem Leben unseres Volkes“ heraus. Dann siedelte er nach Ernetschweil bei Utznach über und errichtete im „Neubad“ ein Volkstheater, für das er verschiedene Volksschauspiele, meist in zürcherischer Mundart, schrieb, wie: „Schön Fridli“; „Wie Stiefkinder ihre böse Stiefmutter los werden“; „Das Schwerste ist, sich selbst kennen“; „Du sollst nicht reden“; „Liebschaften, wie es viele giebt“; „Der Haneigg mueß Götti si“; „Eifersucht, oder wie am Dorfbrunnen die Lügen wachsen“; D’ Chrutwähe“; „Die neue Eva“; „Die Gevatterschaft zu Scheinhausen“; „Die nidisch Chlefe“; „Die Waise aus Savoyen“; „Des Vaters Geburtstag“; „Der verirrte Sohn“ u. s. w. Nach einigen Jahren finden wir St. in Maseltrangen, Kanton St. Gallen, wo er Privatlehrer in einer Bauernfamilie war, dann in Glarus, Rapperswil und endlich in Betschweil bei Bärentschweil im zürcherischen Oberland, wo er nach etwa zehnjährigem Aufenthalt Ende Mai 1877 starb. Obwol er bei Lebzeiten schon fast vergessen war, werden seine Schriften doch heute noch gern gelesen und theils in neuen Auflagen, theils in Auszügen durch den Buchhandel verbreitet.

Robert Weber, Poetische Nationallitteratur der deutschen Schweiz II, 292 ff. – Handschriftliche Mittheilungen aus Freundeskreisen.