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ADB:Sturm, Beata

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Artikel „Sturm, Beata“ von Karl Friedrich Ledderhose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 2–4, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sturm,_Beata&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 04:45 Uhr UTC)
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Sturm: Beata St., in Süddeutschland meistentheils unter dem Namen der württembergischen Tabea bekannt, mit Beziehung auf Apostelgesch. 9, 36: „Zu Joppe war eine Jüngerin mit Namen Tabea, die war voll guter Werke und Almosen, die sie that.“ Am 17. December 1682 kam sie in Stuttgart auf die Welt. Ihr Vater war der Oberjustizrath und Doctor beider Rechte Johann Heinrich St., welcher der Landschaft als Consulent diente. Ihre Mutter war Brigitta Beata Zeller. Die Sturm’schen Kinder hatten einen eigenen Hauslehrer. Beata nahm früh am Unterricht Antheil und lernte lesen und schreiben, aber sie mußte bald aussetzen, da sich eine besondere Schwäche in den Augen einstellte, und nach einer schweren Krankheit brach sogar der Staar an beiden Augen aus. Die Trübsale hatten damit noch kein Ende, denn am 8. August 1693 wurde ihr Vater mit Anderen als Geisel in französische Gefangenschaft abgeführt, wozu er sich freilich aus Liebe zu seinem Vaterlande bei dem Einfalle der Franzosen in Württemberg selbst angeboten hatte. Einen Monat nachher lag die Mutter auf dem Sterbebette. So war auf einmal Beata vater- und mutterlos. Sie erlebte aber die Freude, daß nach zweijähriger Blindheit von einem berühmten Augenarzte in Stuttgart nach fünfmaliger Operation ihr Gesicht ziemlich wieder hergestellt wurde. Erst nach schwerer Gefangenschaft kehrte der Vater nach vier Jahren zurück. Jetzt nahm er sich selber des Unterrichts seiner Kinder an, doch konnte er seine Tochter wegen ihrer schwachen Augen nicht strenge zum Lernen anhalten. Er war ein frommer und gelehrter Mann, las z. B. die Bibel in den Grundsprachen. Sie selber war eine fleißige Bibelleserin und in der heiligen Schrift wohl heimisch. Sie hatte in ihrem nicht langen Leben die Bibel etliche dreißig Mal durchgelesen. Ein scharfer Verstand und ein gutes Gedächtniß zeichneten sie aus. Eine Predigt war sie im Stande fast wörtlich wiederzugeben. Wenn sie ein Lied zweimal gehört hatte, war es ihr Eigenthum. Nach Anleitung ihrer Eltern besuchte sie regelmäßig die Kirche, besonders tief wirkte auf ihr Herz der Helfer Unkauf. Ihr bester Freund auf Erden, ihr Vater, starb im Anfang des Jahres 1709. Sie führte jetzt zwei Jahre lang die Haushaltung ihres Bruders, aber als das elterliche Haus verkauft war, zog sie nach Blaubeuren in das Haus des Prälaten Eisenwein, eines nahen Freundes ihres verewigten Vaters. In den schweren Herzenskämpfen, die sie hier durchmachte, bewährte sich der Prälat als ein treuer, erfahrener Wegweiser. Als Eisenwein als Rath ins Consistorium berufen wurde, zog sie wieder nach Stuttgart. Sie war eine durchweg evangelische Protestantin, und namentlich war die Rechtfertigung aus Gnaden der Mittelpunkt ihres Christenthums, besonders nachdem ihr jüngerer Bruder ihr die Schriften Luther’s mitgetheilt hatte. Sie las nun neben der Bibel Luther’s Schriften und äußerte öfters, daß ihr noch niemand [3] Christum so köstlich gepredigt und groß gemacht habe, als ihr lieber Luther. Sie könne sich nicht satt daran lesen. „Christus für uns“, war von nun an der Mittelpunkt ihres Herzens und Lebens. Damit tröstete sie angefochtene Seelen und pflegte gewöhnlich zu sagen: „Ich bin selber auch hinter diesem Ofen gesessen.“ Was man jetzt unter dem Namen Innere Mission großartig betreibt, das hat unsere Tabea im tiefsten Sinne des Wortes geübt. Die Wittwen und Waisen, Arme und Kranke, Leute, welche in finsteren Löchern und armseligen Stübchen wohnten, solche die in Schulden steckten, und besonders innerlich angefochtene Seelen lagen ihr auf dem Herzen. Reichte ihr bescheidenes Vermögen nicht hin, so suchte sie Hülfe bei den Reichen. Alsdann schleppte sie Essen und Trinken und was sonst nöthig war, herbei. Wie glücklich fühlte sie sich, als ihr das elterliche Erbtheil zugefallen war. Die ererbten Kleider, der Schmuck, die Kleinodien, überhaupt was nicht nagelfest war, machte sie zu Geld, sie wußte, wann sie es zu vertheilen hatte. Nur ein bescheidenes Capital zu eigener Verpflegung durfte sie nicht angreifen. Als sie einmal schwer krank darnieder lag, wollte man zum Ueberzug ihres Bettes frisches Weißzeug aus dem Schranke holen, der war aber leer, denn das gute Weißzeug hatte sie bereits an Arme verschenkt. Wer sie durch die Straßen Stuttgarts wandeln sah, ohne sie zu kennen, hätte nicht gedacht, daß es eine Person von ziemlich vornehmem Stande war. Denn leiblich schön war sie nicht, dazu kam die Blödigkeit ihrer Augen, ihre geringe Kleidung, weit unter ihrem Stande. Einmal ging sie sogar im Unterrock über die Straßen, denn eben hatte sie eine hungrige Frau gespeist, weil dieselbe so lumpig gekleidet war, erhielt sie von Beata das Kleid. Sie selber brach sich trotz ihrer Schwächlichkeit am Essen und Trinken ab, nur um Bedürftige zu speisen und zu tränken. Die Verwalter ihres Vermögens wurden von ihr bestürmt, ein Capital von 200 Gulden ihr auszuzahlen. Es währte aber nicht lange Zeit, so hatte sie damit bis auf den letzten Kreuzer aufgeräumt. Sie hatte nur einen Kummer, daß sie an ihren Lieblingen, den Armen, nicht mehr thun konnte. Wie gerne diente sie! Da konnte es geschehen, daß sie einer Magd das Holz in die Küche trug oder einer anderen die Kinder hütete. Einladungen zu Gastmälern schlug sie aus; schickte man ihr Essen, so trug sie es hungrigen Armen und Kranken zu. Beim Austheilen ihrer Wohlthaten vergaß sie freilich christliche Klugheit. Erst durch großen Schaden wurde sie klug. Hätte sie Freiheit gehabt, mit ihrem Vermögen zu schalten und zu walten, so wäre sie bald fertig gewesen und Anderen zur Last gefallen. Darum hat sie späterhin dankbar anerkannt, daß die Ihrigen ihr in dieser Hinsicht einen Zaum anlegten. Die Jungfer St. war nicht bloß eine christliche Person, sondern auch durchweg eine kirchliche. Wegen ihrer blöden Augen war sie nicht im Stande, viel zu schreiben. Um so dankbarer kann man sein, daß köstliche Briefe von ihr an ihren Vetter gedruckt sind. Besonders zeugen ihre Anmerkungen zu Stellen der heiligen Schrift, die man von ihr besitzt, von einem tiefen, praktischen Blicke, und es lohnt sich wohl der Mühe, sich mit denselben bekannt zu machen. Wir haben von dem Leben Beatens gewiß den Eindruck, daß es nicht lange währen werde. War sie doch oft kränklich und mußte sogar mehrmals schwere Krankheiten durchmachen. Dennoch betrachtet sie ihr Leben für einen Vorsabbath auf die Ruhe des Volkes Gottes. Schon seit Jahren hatte sie ihre Sterbekleider zurecht gelegt. Auch über ihr zeitliches Vermögen hatte sie Verfügung getroffen. Die Hälfte bestimmte sie für die öffentlichen Armenhäuser Stuttgarts, die andere Hälfte vermachte sie ihren Brüdern, und setzte auf dem Zettel, auf dem es stand, die Worte bei: „Die übrige Hälfte lasse Euch der liebe Gott im Segen genießen und vergelte Eure Liebe mit seiner Liebe!“ In Beziehung auf ihren Tod sagte sie einmal: „Ich bin meiner Seligkeit so gewiß, daß auch der geringste Zweifel [4] bei mir nicht waltet; denn ich habe schon das ewige Leben in mir.“ Am 4. Jan. 1730 sah man sie noch in der Mittwochskirche; sie hatte sogar in den letzten Wochen ihres Lebens Kranke gepflegt, aber am 8. Januar zeigte sich Frieselkrankheit. Die Krankheit entwickelte sich rasch, und schon am 11. Januar verschied sie unter dem Gebet ihres Seelsorgers. Ihr Leben währte wenig über 47 Jahre.

Beata Sturm, genannt die württembergische Tabea nach ihrem Leben. dargestellt von Karl Friedrich Ledderhose. Christlicher Verein im nördlichen Deutschland.