ADB:Stiehle, Gustav von
[523] geodätischen Arbeiten, als Lehrer der Taktik an der Artillerie- und Ingenieurschule und, nachdem er 1855 Hauptmann geworden war, seit 1857 im Generalstabe des IV. Armeecorps Verwendung fand, bis er im nächstfolgenden Jahre zum Compagniechef im 7. Infanterieregimente ernannt ward. Aber schon die Mobilmachung vom Jahre 1859, welche durch den Krieg Oesterreichs gegen die Franko-Sarden in Italien veranlaßt war, führte ihn in den Generalstab zurück. Dann war er im Militär-Erziehungs- und Bildungswesen thätig. General v. Peucker (s. A. D. B. XXV, 556), der damals mit der Umformung der zur Vorbereitung für den Officiersberuf bestimmten Divisionsschulen zu Kriegsschulen beschäftigt war (B. Poten, Geschichte des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens in den Landen deutscher Zunge, Band IV, S. 225. Berlin 1896) bewirkte, daß die Einrichtung einer der beiden zuerst eröffneten Anstalten, der zu Potsdam, dem Major St. übertragen ward und daß, als ein Jahr später eine dritte Kriegsschule zu Neiße errichtet wurde, St. als Director dorthin übersiedelte. Nach Erledigung dieser Aufträge kehrte er 1861 nach Berlin in den Großen Generalstab zurück. Am 3. August 1863 ward sein Vater, ein schon aus dem Dienste geschiedener General, und dadurch auch der Sohn geadelt, am 19. December d. J. wurde letzterer als Generalstabsofficier zum Stabe des General Freiherrn v. Wrangel commandirt, welcher den Oberbefehl einer gegen Dänemark durch Oesterreich und Preußen aufzustellenden Armee übernehmen sollte. In dieser Stellung machte St. den Krieg mit, in dessen Verlaufe er zum Oberstlieutenant und königlichen Flügeladjutanten ernannt wurde und auch militärisch-diplomatische Verwendung fand. So wohnte er als militärischer Sachverständiger den Londoner Conferenzen und den Friedenesverhandlungen in Wien bei. Im J. 1866 begleitete er, zum Oberst aufrückend, den König in das Feld, wurde in Böhmen als Berichterstatter zur Elbarmee des Generals Herwarth von Bittenfeld entsandt und kehrte mit dem Orden pour le mérite geschmückt in seine Stellung bei der Person des Königs nach Berlin zurück. Nachdem er alsdann vom Mai 1868 bis zum December 1869 das Garde-Grenadierregiment Königin Augusta in Coblenz commandirt hatte, wurde er wieder in den Großen Generalstab berufen, bei Ausbruch des Krieges gegen Frankreich aber zum Chef des Stabes der II. Armee unter dem Prinzen Friedrich Karl von Preußen ernannt.
Stiehle: Gustav von St., königl. preußischer General der Infanterie, am 14. August 1823 zu Erfurt geboren, trat am 11. Februar 1840 bei dem in Colberg stehenden 21. Infanterieregimente in den Dienst und wurde am 25. Februar 1841 Officier. Seine Dienstlaufbahn gestaltete sich alsbald zu einer sehr wechselvollen, wie sie es bis zuletzt geblieben ist. Nachdem er von 1844–1847 die Allgemeine Kriegsschule (jetzt Kriegsakademie) besucht, im J. 1848 an der Bekämpfung des Aufstandes in der Provinz Posen theilgenommen und für Auszeichnung im Gefechte bei Sokolowo unweit Wreschen den Rothen Adlerorden 4. Classe mit Schwertern erhalten hatte, Bataillonsadjutant, Generalstabsofficier und Führer einer Landwehrcompagnie gewesen war, kam er im Mai 1852 zum Generalstabe, wo er zu trigonometrischen undDiesem hat er als solcher während des ganzen Feldzuges zur Seite gestanden. In den weitesten Kreisen ist sein Name bekannt geworden, als, nachdem die Schlachten vom 16. und 18. August geschlagen waren und die Widerstandskraft der Moselfeste Metz zu Ende ging, General v. Stiehle am 27. October seine Unterschrift unter die im Schlosse Frascaty abgeschlossene Capitulation der Armee des Marschalls Bazaine, der letzten kaiserlichen, setzen durfte. Dann ging es an die Loire und von hier zum letzten Waffengange, der mit der Besiegung der Armee des Generals Chanzy bei Le Mans im Januar 1871 zu Ende kam. Stiehle’s Wahl für die von ihm während des Feldzuges bekleidete Stellung hatte sich insofern als nicht besonders glücklich erwiesen, als seine und seines Chefs Eigenart, statt sich zu ergänzen, einander sehr ähnlich waren. Der Prinz war eine bedächtige Natur, die zur Vorsicht neigte. Er hätte eines Gehülfen bedurft von frischem Wagemuthe und von raschem Entschlusse. St. aber war ein methodischer Geist. An Gedanken und an Urtheilsfähigkeit mangelte es ihm nicht, aber es fehlte ihm die Fähigkeit, seine Schlüsse alsbald in Thaten umzusetzen, er überlegte und erwog häufig statt zu handeln (Fritz Hoenig, Der Volkskrieg an der Loire im Herbst 1870 VI, 293. Berlin 1897).
[524] Mit dem Eisernen Kreuze I. Classe und dem Orden pour le mérite heimgekehrt, fand St. im Frieden wiederum eine an Wechsel reiche Verwendung. Zunächst in seiner früheren Generalstabsstellung, aber schon Ende 1871 als Director des Allgemeinen Kriegsdepartements im Kriegsministerium, seit 1873 als Inspecteur der Jäger und Schützen, seit 1875 als Commandeur der 7. Division in Magdeburg, seit 1881 als commandirender General des V. Armeecorps in Posen und seit 1886 als Chef des Ingenieur- und des Pioniercorps und Generalinspecteur der Festungen. Als solcher trat er, seit 1875 Generallieutenant, seit 1884 General der Infanterie, am 4. September 1888 in den Ruhestand. Am 15. November 1899 starb er zu Berlin. Bei seinem Ausscheiden aus dem Dienste hatte Kaiser Wilhelm II. einem Fort bei Pillau den Namen „Fort Stiehle“ beigelegt.