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ADB:Steudel, Adolf

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Artikel „Steudel, Adolf“ von Theodor Schott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 150–151, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steudel,_Adolf&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:24 Uhr UTC)
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Steudel: Adolf St., geboren am 29. Juli 1805 zu Eßlingen (Württemberg), † am 7. April 1887 als Obertribunalprocurator zu Stuttgart, bekannt durch seine philosophischen Schriften, war der zweite Sohn des Kaufmanns Christian Gottlob St. und der Karoline geb. Bonz. Durch Familienrath zum Studium der Theologie bestimmt widmete er sich gegen die eigene Neigung aus Pietät gegen seine Eltern demselben und bezog October 1824 das evangelische Seminar in Tübingen. Das Studium der Philosophie, welches der dort geltende Lehrplan den angehenden Theologen vorschrieb, zog ihn, seinen eigenen Worten nach, so sehr an, „daß sein ganzes Wesen eine philosophische Richtung nahm und das selbständige, kritisch-philosophische Denken ihm zu einem wahren Lebensbedürfnisse wurde“. Für Steudel’s innere Entwicklung, für die wissenschaftliche Arbeit seines Lebens war dies entscheidend. Mit vieler Mühe gelang ihm endlich, bei seinem Vater die Erlaubniß zur Aenderung seines Studiums durchzusetzen, er verließ die Theologie, trat aus dem Seminar aus und wurde, freilich auch ohne Neigung, Jurist. Nach gut bestandenem Examen wurde er Assistent beim Criminalamt in Stuttgart, da ihm aber „vor einer Pyramide von Vorgesetzten graute“ und weil er glaubte, mehr Zeit zu philosophischen Studien zu bekommen, verließ er den Staatsdienst und wurde Rechtsanwalt in Stuttgart. Nur sehr langsam bekam er eine ordentliche Praxis und Anerkennung in seinem Fache; er wurde Anwalt bei der Hofbank und im J. 1846 zum Obertribunalprocurator ernannt. Ruhig ohne besondere Ereignisse floß von dort an sein Leben dahin; die Stürme des Jahres 1848 führten den auch politisch freisinnigen Mann für kurze Zeit ins politische Leben, er wurde Vorsitzender des demokratischen Volksvereins in Stuttgart, 1849 von der außerordentlichen württembergischen Landesversammlung in den Staatsgerichtshof gewählt; im J. 1850 trat derselbe (das einzige mal seit seinem Bestehen) in Thätigkeit, als der Minister der auswärtigen Angelegenheiten Frhr. v. Wächter-Spittler wegen Verletzung der Verfassung in Anklagestand versetzt wurde; mit L. Uhland stimmte St. für Verurtheilung, ohne daß derselben aber von der Regierung Folge gegeben wurde. Bis zum J. 1874 setzte St. die Advocatur fort, freilich „mit steigendem Widerwillen“; da gab ihm der Erlös aus einem von seinem Bruder Hermann ererbten Garten, der als Bauplatz gut verkauft wurde, die Möglichkeit, auf die verhaßte Advocatur zu verzichten und seine Zeit [151] und Kraft vollends ganz den ersehnten philosophischen Studien zu widmen; denn die Philosophie war „die Luft, in welcher er athmete“. Allein für sich lebend – er hatte sich nicht verheirathet, „weil die Ehe ihm nicht taugte“, auch waren seine Einnahmen lange Zeit gering – und durch die Einsamkeit etwas Sonderling geworden, brachte er seine Tage in ruhiger fleißiger Arbeit dahin; alle Sommer gönnte sich der bedürfnißlose Mann eine Reise ins Gebirge und so durchwanderte er allmählich zu Fuß fast die ganze Schweiz. Das Jahr 1877 brachte ihm die wohlverdiente philosophische Doctorwürde, welche ihm die philosophische Facultät von Tübingen bei dem Jubiläum der Universität honoris causa ertheilte. Bis in sein hohes Alter blieb er gesund; im J. 1855 war er von monatelanger Krankheit mit schneeweißen Haaren erstanden, auch seine Nerven machten sich oft fühlbar, aber noch im 80. Jahre konnte er „von Morgens bis Abends Tag für Tag arbeiten“. Am 7. April 1887 starb er in Stuttgart nach längerem Leiden.

Die Ergebnisse seiner philosophischen Studien legte er in dem umfangreichen Werke nieder: „Philosophie im Umriß“, Bd. 1–4. Stuttgart 1871–85; seine Anschauung ist ein spinozistischer Pantheismus, jedes Problem wird zuerst historisch behandelt und die Ansichten der einzelnen Philosophen darüber dargestellt und kritisch beleuchtet. Dabei zeigt sich auch die Schärfe seines Verstandes und die Klarheit seines Urtheils am besten, während der systematische Theil weniger befriedigt, er begnügt sich manchmal mit der Unerklärbarkeit erkenntnißtheoretischer und kosmologischer Principien (so z. B. in seiner Schrift: „Der Spiritismus vor dem Richterstuhle des philosophischen Verstandes“, Stuttgart 1886, wo er wohlbezeugte Spukgeschichten als unerklärliche Beigaben dieses Lebens ansieht). Die juridische Art der Kritik, welche einem Zeugenverhör ziemlich gleicht, die langen Citate, die oft ungelenke Polemik schadeten der Darstellung, aber die Nichtbeachtung von Seiten der anderen Philosophen hatte der zwar keineswegs geniale, aber kritisch selbständige Forscher nicht verdient. Hauptsächlich Max Schneidewin, der die Einleitung zu Steudel’s Philosophie im Umriß als: Das goldene ABC der Philosophie neu herausgab (1891), auch einen Lebenslauf und kritische Bemerkungen dazufügte, suchte St. zu Ehren zu bringen.

Quellen außer dem oben genannten Werke ein von Steudel im Septbr. 1882 selbst verfaßter, von seinen Verwandten mir gütigst zur Verfügung gestellter Lebensabriß.