ADB:Stephani, Clemens
H. Sachs angeregte Tragödie „Von einer Königin auß Lamparden“ stammt; 3 Jahre später finden wir ihn als Studenten in Leipzig. Anfangs des Jahres 1558 wurde er Cantor der Lateinschule in Eger, bekleidete dieses Amt jedoch nur bis Ostern desselben Jahres; von jener Zeit an scheint er dauernd in Eger geblieben zu sein und seinen Unterhalt als Privatlehrer gefunden zu haben, wie aus der Vorrede zu seiner „Geistlichen Action“ zu entnehmen. Im J. 1576 erwarb er, nachdem er das Bürgerrecht in Eger erlangt, [88] eine Druckerei in der Stadt und hatte die Absicht, einen Buchhandel zu beginnen, erhielt jedoch nur das Recht, an Jahrmärkten öffentlich feil zu bieten. St. scheint ein Hitzkopf gewesen zu sein, da wir ihn einige Male in Streitigkeiten vor dem Stadtrath in Eger finden. 1581 wurde er, da er den von ihm verklagten Stadtknecht beschimpfte und „gräulich schmähte“, anstatt Zeugen zu stellen, zur Strafe auf den Felsthurm eingewiesen. 1584 hatte er gegen den Mag. Joh. Goldhammer ein „ehrenverletzlich Gedicht zusammenklaubt, so doch weder Hand noch Fuß hat“, und dasselbe „zu agiren vorgenommen“, sah sich aber auf die Klage des Magisters hin gezwungen, die Aufführung einzustellen. 1592 ist er Mitte Februar in Eger gestorben.
Stephani: Clemens St., dramatischer Dichter des 16. Jahrhunderts, stammte nach eigener Angabe aus Buchau, einem kleinen deutsch-böhmischen Städtchen südöstlich von Karlsbad. Von seinem Leben ist uns nur wenig bekannt. Er mag um das Jahr 1530 geboren sein, da bereits aus dem Jahre 1551 seine erste, durchDie Zahl der Dichtungen Stephani’s ist nicht groß; freilich ist uns manches verloren gegangen oder bisher noch nicht aufgefunden. Mit seinem ersten Werke, der „Historia von einer Königin aus Lamparden“, steht er, wie erwähnt, auf den Schultern des H. Sachs; doch schon seine Uebersetzung der „Andria“ und des „Eunuchus“ aus dem Jahre 1554 zeigt einen bedeutenden Fortschritt, gereiftere Kunst und freiere Beherrschung der Sprache. Die Uebersetzung der „Andria“ durch Ham kennt er und benützt sie gelegentlich; sein „Eunuchus“ (noch handschriftlich) ist die erste Uebertragung des Stückes in deutsche Reime und zugleich die beste, die das 16. Jahrhundert hervorgebracht hat. Beide Stücke sind ausdrücklich für die Aufführung bestimmt und dem Pfalzgrafen Otto Heinrich gewidmet. Den Höhepunkt seines Könnens erreicht St. in der „Geistlichen Action“ (1568), mit der er in die große Reihe der Hecastusdramen eintritt; aber er erhebt sich weit über seine Vorgänger. Im ersten Act rühmt Gott seine Allmacht vor den Engeln und befiehlt Gabriel, auf die Erde niederzusteigen, um die Menschen vor des Satans List zu behüten; dem entspricht im 2. Acte eine Scene in der Hölle: Beelzebub freut sich über die sündige Welt und läßt seine Teufel ausfahren, auf der Welt Unheil zu stiften. Der 3. Act bringt die Hauptperson, den Sünder, der sich mit seinem gottlosen Leben brüstet, sich über die Mahnungen seiner Eltern hinwegsetzt und in den Burgkeller eilt; die schwache Mutter gibt ihm nach allen Warnungen doch wieder einen Zehrpfennig mit. Im folgenden Act unterredet sich der Pfarrer mit Gott und macht einen Versuch, den Sünder zu bekehren; der aber verspottet ihn und verläßt sich auf den „Glauben in seiner Hand“, sein Geld. Im 5. Acte, der alle Personen des Stückes vereint, erreicht den Sünder das Geschick. Der Tod schießt ihn mit seinen Pfeilen, und der Sünder fühlt seine letzte Stunde herannahen. Wieder naht sich ihm der Pfarrer und versichert, daß Gott ein gütiger Richter sei, der des Sünders Tod nicht wolle, wenn dieser wahre Buße thue. Der Sünder nimmt das Abendmahl und seine Seele ist gerettet. Mit einem 4stimmigen Gesange der Engel: „Heilig bist Du Herr Zebaoth und hast nicht Lust an Sünders Tod“, schließt das Stück, das seinem Entwurfe, seiner Sprache und der knappen, der Katastrophe zudrängenden Entwicklung nach mit zu den besten Stücken des 16. Jahrhunderts gerechnet werden muß. – Auch Stephani’s „Satyra oder Bawrenspil mit fünff Personen, von einer Müllnerin vnd jren Pfarrherr“ aus demselben Jahre 1568 ist eines der besten Spiele des 16. Jahrhunderts, wenn auch die Erfindung nicht Eigenthum unseres Dichters ist. Schon Peter Probst hat den Stoff in einem (handschriftlich auf der Dresdner Bibliothek befindlichen) Fastnachtspiele „von einem Mülner vnd seinem weib sambt eim Pfarrer vnd eim studenntten“ behandelt; es ist leicht möglich, daß St. im nahen Nürnberg eine Aufführung dieses Fastnachtspieles sah und sich dadurch zur Abfassung seines eigenen Spiels bewogen fand. Stephani’s Darstellung ist naturalistischer, seine Sprache derber und er scheut gelegentlich auch vor einer Zote nicht zurück, wie wir das schon in seiner „Königin auß Lamparden“ bemerken [89] konnten, wo er sich freilich damit entschuldigen kann, daß jene Tragödie „durch vnd durch gar trawrig kleglich, auch erschröcklich ist, das sich die Spectatores ein wenig widrumb ergetzen“. Aber seine Kunst ist doch auch wieder eine größere, als die seines Vorgängers. Schon durch die Einführung der Kupplerin bereichert er das Stück in wirkungsvoller Weise; auch sonst ist die Handlung reicher. Köstlich ist die Scene, in welcher der Pfarrer als Teufel die Weisungen des Studenten als Zauberers vollführt. Während das Fastnachtsspiel Probst’s natürlich ohne Eintheilung in Acte geblieben ist, zählte Stephani’s Stück 5 Acte. – Außer diesen Dramen besitzen wir von St. noch eine prosaische Beschreibung der „vor vnerhörten jämmerlichen Wassersnoth, so sich dieses 1582. Jar, den 9. May, in Keyser Carls Bad vnd in den vmbligenden Stetten vnd Flecken, im Land zu Behaim zugetragen“, die in Nürnberg erschien und noch im selben Jahre in Regensburg nachgedruckt wurde. Das Ereigniß hatte außerdem eine Reihe von Schilderungen in Vers und Prosa zur Folge. Auch um die Sammlung von musikalischen Compositionen hat St. sich verdient gemacht. Wir besitzen von ihm aus dem Jahre 1560 die „Cantiones sacrae“; 1567 gab er den ersten Theil der Wilhelm v. Rosenberg, Herrn auf Krummau gewidmeten „Suavissimae et jucindissimae harmoniae, 8, 5 et 4 vocum ex duabus vocibus a praestantissimis artificibus hujus artis compositae, Norimb., in offic. Joann. Montani“ heraus, dem er 1568 einen zweiten Theil folgen ließ, „Lib. sec. suavissimarum et jucundissimarum harmoniarum, 5 et 4 vocum, ex duabus vocibus fluentium, ex offic. Ulr. Neuberi“, gewidmet dem Rathe der Stadt Budweis. Aus demselben Jahre stammt eine Sammlung „schöner außerleßner deutscher Psalm vnd anderer künstlicher Moteten vnd Geistlichen Lieder XX. Nürnberg, Ulr. Neuber“ und die „Cantiones triginta selectissimae 5. 6. 7. 8. 12 et plurum vocum, sub quatuor tantum, artificiose … compositae. Norimb. ex offic. typogr. Ulr. Neuberi“, aus dem Jahre 1569 der Psalm „Beati omnes“ in 17 Compositionen verschiedener Meister (Nürnberg, Ulr. Neuber).
- Acten des Stadtarchivs Eger (gütige Mittheilungen des Herrn Stadtarchivars Gradl). – Wolkan, Böhmens Antheil an der deutschen Litteratur des 16. Jahrh. I. Theil: Bibliographie (die Nrn. 60, 65, 99, 150, 165 bis 169, 174, 284 beziehen sich auf den Dichter). II. Theil: Texte (Abdruck der Andria und der Satyra). III. Theil: Litteraturgeschichte. – R. Eitner, Bibliogr. d. Musiksammelwerke des 16. u. 17. Jahrh. s. v.