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ADB:Steinbach, Christoph Ernst

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Artikel „Steinbach, Christoph Ernst“ von Edward Schröder in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 684–686, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steinbach,_Christoph_Ernst&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 04:40 Uhr UTC)
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Steinbach: Christoph Ernst St., der dritte in der Reihe der alten Aerzte (vgl. Dasypodius im 16., Henisch im 17. Jahrh.), denen die deutsche Lexikographie zu Danke verpflichtet ist. Er war geboren am 24. März 1698 in dem niederschlesischen Dorfe Semmelwitz, besuchte zuerst die Stadtschule im nahen Jauer, dann seit 1717 das Breslauer Elisabeth–Gymnasium, von wo er 1720 die Universität Jena bezog, um Medicin zu studiren. 1722 machte er eine Reise nach England und siedelte dann auf die Rostocker Hochschule über, die damals in Georg Detharding einen ärztlichen Lehrer von weitem Ruf besaß. Nachdem er 1723 promovirt hatte, ließ er sich 1724 in Breslau als Arzt nieder und hat hier die Praxis bis an sein Ende ausgeübt. Größere Aufgaben stellte ihm ein Truppendurchmarsch im J. 1739 und zwei Jahre später die Fürsorge für die Verwundeten aus der Schlacht bei Mollwitz. Bei einer Reise, die er bald hernach antrat, zog er sich ein Fleckfieber zu, an dem er, nach Breslau zurückgekehrt, am 27. Mai 1741 gestorben ist.

Schon vor seiner Heimkehr nach Schlesien hat der junge Mediciner eine „Kurtze und gründliche Anweisung zur Deutschen Sprache vel succincta et perfecta grammatica linguae germanicae nova methodo tradita“ (Rostochii et Parchimi 1724) herausgegeben. Die Blüthe der Litteratur, die er in den Werken seiner schlesischen Landsleute Opitz, Gryphius, Hofmannswaldau und Lohenstein erblickt, muß nach seiner patriotischen Auffassung auch zu einer gesteigerten Werthschätzung der deutschen Sprache führen, und St. will ihr vorarbeiten, indem er für In- und Ausländer den Beweis liefert, daß unsere Muttersprache keineswegs so schwierig und „voller Unrichtigkeiten“ sei, wie man gemeinhin annehme. Die Regeln auch im scheinbar regellosen aus der Sprache selbst, mit möglichster Vermeidung eines fremden Schemas nachzuweisen, ist der gesunde Zweck des Werkchens, das in „Etymologie“ (d. i. Lautlehre, Wortbildung, Flexion) und Syntax zerfällt und sich durch die bestimmte Scheidung von starker (I) und schwacher (II) Conjugation, durch gute Beobachtung des Umlauts und Ablauts, Erkenntniß mancher etymologischen Zusammenhänge und Aufmerksamkeit für den lebendigen Sprachgebrauch auszeichnet. St. nennt unter seinen Vorgängern keinen Ausländer und verräth keine altdeutschen Kenntnisse: gleichwol dürfte ihm Hickes mit seiner Conjugatio I (schwache) und II (starke) kaum fremd gewesen sein, während er von Lambert ten Kate zeitlebens unbeeinflußt geblieben ist. Nachdem bereits die Vorrede der Grammatik die Ankündigung und eine lexikalische Probe gebracht hatte, folgte im nächsten Jahre das „Deutsche Wörterbuch vel Lexicon latino-germanicum secundum methodum grammaticae ejusdem autoris“ (Breßlau 1725). Es ist ein mäßiges Bändchen [685] (444 S. kl. 8°), das Material aus Lindner’s lateinisch-deutschem Lexikon „nach Grundwörtern“ alphabetisch angeordnet, ohne eigene Sammlungen. Der Hauptwerth wird auf die Etymologie gelegt und für diese sind wichtige Erkenntnisse klar ausgesprochen und consequent verwerthet: so vor allem, daß die gleichen Ablautserscheinungen wie im Verbum auch in der Nominalbildung wiederkehren (ich binde, ich band, gebunden – die Binde, das Band, der Bund). Die Ableitung aus fremden Sprachen gilt dem Verf. nur als ultimum refugium, ein für jene Zeit doppelt lobenswerther Grundsatz, wo eben wieder ein gelehrter Landsmann Steinbach’s, der Conrector am Breslauer Magdalenäum Christoph Thieler, in seinem „Vorboten eines Teutschen Lexici etymologici“ (Breßlau 1724) die Aufsuchung des „hebräischen Stammworts“ als den höchsten Gipfel etymologischer Weisheit proclamirt hatte. Neun Jahre später erschien dann eine zweite Ausgabe in wesentlich erweiterter Gestalt: „Deutsches Wörterbuch vel Lexicon germanico-latinum“, 2 Bde. (1086 u. 1134 S.) in gr. 8° (Breßlau 1734), Kaiser Karl VI. und den Reichsständen gewidmet, mit einem empfehlenden Vorbericht Joh. Ulrich König’s. Die Vorrede des Verfassers erzählt von dem Anwachsen des Werkes: auch weiterhin haben lateinisch-deutsche Lexika und nächstdem das Zeitungs-Lexikon die Hauptquellen des Wortmaterials gebildet, erst kurz vor dem Abschluß hat St. für Einträge aus neuern Dichtern Sorge getragen, besonders ausführlich und weit überwiegend solche aus Hofmannswaldau und Günther. So ist der Sprachgebrauch neben der Etymologie einigermaßen zur Geltung gekommen und das Werk immerhin lebensvoller gerathen, als sein letzter Vorgänger „Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs“ von dem Spaten (Stieler). Der etymologische Theil aber steht, obwol die altdeutschen Kenntnisse des Verfassers nur secundären Quellen (Stade und Eckhart – Wachter erschien zu spät) entstammen und wenig zur Geltung kommen, durch unleugbaren Tact in Ableitung und Gruppirung über allem was seither für die lebende Sprache zusammenfassend geleistet war, wenn er auch freilich bald genug (1741) durch Frisch’s monumentale Leistung überholt worden ist.

Auch die Litteraturgeschichte kennt Steinbach’s Namen: denn schon den Zeitgenossen war das Pseudonym Carl Ehrenfried Siebrand, unter dem er 1738 „Johann Christian Günther’s, des berühmten Schlesischen Dichters, Leben und Schriften“ erscheinen ließ, durchsichtig genug. Das Buch ist seinem sachlichen Inhalt nach ein Quellenwerk von dauerndem Werthe, obwol der Verfasser urkundliche Mittheilung und eigene Deutung und Vermuthung nicht klar geschieden hat; es beeinträchtigt aber unsere Vorstellung von der Person des begabten und verdienten Lexikographen nicht wenig durch die eingestreuten, vielfach recht schiefen Geschmacksurtheile und die plumpe und bornirte Polemik gegen die Kritiker seines Helden, vor allem gegen Gottsched, in dem St. zugleich den Verfasser einer Anzeige seines Wörterbuchs vermuthete (Beytr. z. Ctit. Hist. IV [14] 190–222, sie rührte von J. J. Schwabe her). Diese von persönlicher Empfindlichkeit mehr noch als von schlesischem Chauvinismus dictirten Ausfälle führten zwar zum Austritt Gottsched’s aus der Leipziger Deutschen Gesellschaft, als diese ihr Mitglied St. nicht ohne weiteres ausschloß (Danzel, Gottsched S. 98 ff.), zogen aber dem händelsüchtigen Güntherbiographen zwei Gegenschriften aus dem Gottschedischen Lager zu, die sein litterarisches Renommée vernichtet haben werden: zunächst eine entschiedene sachliche Zurechtweisung in dem „Schreiben an Herr Doctor Steinbach in Breßlau u. s. w.“, dann eine in der Ironie wie in der Grobheit gleich schonungslose Abfertigung, das „Gespräche zwischen Johann Christian Günthern aus Schlesien in dem Reiche der Todten, und einem Ungenannten in dem Reiche der Lebendigen“, als dessen Verfasser man neuerdings Liscow erkannt zu haben glaubt.

[686] Neue Fortsetzung der gelehrten Neuigkeiten Schlesiens auf die Jahre 1741 und 1742 (Liegnitz, Bd. VIII) S. 231–234; vgl. Gel. Neuigkeiten Schlesiens VII, 112, 406–418 (Nachweise des Herrn Stadtbibliothekars Dr. Markgraf in Breslau). – Raumer S. 187 f. – G. Eitner, J. Chr. Günther’s Biograph Dr. St. u. die Gottschedianer, Progr. des Magdalenäums zu Breslau 1872. – Die Streitschriften gegen St. sind dem Göttinger Exemplar seines Buches über Günther (H. lit. biogr. IV, 5760) angebunden.