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ADB:Stülpnagel, Ferdinand von (preußischer General)

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Artikel „Stülpnagel, Ferdinand v.“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 746–748, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:St%C3%BClpnagel,_Ferdinand_von_(preu%C3%9Fischer_General)&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 22:01 Uhr UTC)
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Stülpnagel: Ferdinand Wolf Louis Anton v. St., preußischer General der Infanterie, Sohn des Vorigen, wurde am 10. Januar 1813 zu Berlin geboren und auf dem Gymnasium zu Königsberg i. Pr. unterrichtet. Nachdem ihm ausnahmsweise gestattet war schon vor Vollendung des 17. Lebensjahres in den Dienst zu treten, ward er am 1. Mai 1829 bei dem zu Königsberg garnisonirenden 3. Infanterieregimente eingestellt und am 21. Februar 1831 zum Secondlieutenant ernannt. Nachdem er seit 1835 Bataillonsadjutant gewesen war, ward er 1838 zum Cadettenhause Berlin commandirt, wo er namentlich Unterricht in der Gymnastik zu ertheilen hatte, und 1840 als Premierlieutenant in das Cadettencorps versetzt. Im nächstfolgenden Jahre vermählte er sich mit einer Tochter des Generallieutenants v. Lossau. Am 24. März 1847 kehrte er als Hauptmann und Compagniechef des in Neu-Ruppin stehenden 24. Infanterieregiments in den Truppendienst zurück und nahm in dieser Stellung 1848 an der Niederwerfung der Aufstände in Berlin und Iserlohn, sowie 1849 in der Pfalz und in Baden theil. In ersterem Jahre fiel ihm die Aufgabe zu, das am 14. Juni verloren gegangene Berliner Zeughaus wieder zu besetzen; auf die Haltung und die Leistungen der von ihm ausgebildeten und geführten Compagnie in letzterem Jahre hat er während seines ganzen Lebens mit berechtigter Genugthuung zurückgeblickt. Der Wunsch, ein besseres Fortkommen in seiner militärischen Laufbahn zu finden als die Heimath ihm zu bieten schien, veranlaßte den Hauptmann v. St. damals, seinen Abschied behufs Uebertrittes in schleswig-holsteinische Dienste zu erbitten. Sein Gesuch wurde jedoch abschläglich beschieden. Nach Beendigung des badischen Feldzuges kam er zunächst nach Spandau in Garnison, wurde 1854 zum Major und Landwehrbataillons-Commandeur in Wriezen ernannt, 1855 in gleicher Eigenschaft nach Berlin, und 1857 in den Generalstab nach Magdeburg versetzt, wo er ein Jahr später Chef des Generalstabes des IV. Armeecorps ward. Die nämliche Stellung ward ihm am 29. October 1859 beim III. Armeecorps in Berlin angewiesen, an dessen Spitze im nächstfolgenden Jahre Prinz Friedrich Karl berufen wurde. Das anfangs kühle und rein dienstliche Verhältnis Stülpnagel’s zu seinem Vorgesetzten gestaltete sich bald zu einem sehr innigen und vertrauten, wie es bis zu Beider, im nämlichen Jahre erfolgtem Ableben geblieben ist. Eine Unterbrechung von Stülpnagel’s Thätigkeit in jener Stellung erfolgte durch seine am 10. Februar 1863 verfügte Ernennung zum Commandeur des 5. ostpreußischen Infanterieregiments Nr. 41, welcher am 21. Juni 1864 die Beförderung zum Commandeur der 2. Infanteriebrigade folgte. Am 10. December 1864 ward er in den Generalstab zurückversetzt und von neuem als Chef des Generalstabes des III. Armeecorps verwendet. 1859 war er Oberstlieutenant, 1861 Oberst geworden, am 18. Juni 1865 wurde er zum Generalmajor befördert. Als der Krieg von 1866 bevorstand und das Hauptquartier der dem Prinzen Friedrich Karl unterstellten I. Armee gebildet ward, wurde General v. St. zum Oberquartiermeister dieser Armee ernannt. Wenn ihm in solcher Stellung auch nicht vergönnt war selbständige Entschlüsse zu fassen und auf eigene Verantwortung Anordnungen zu treffen, so erwarb er sich doch um die Erfolge der I. Armee auf dem böhmischen und demnächst auf dem ungarischen Kriegsschauplatze hervorragendes Verdienst, welches vom König durch Verleihung des Ordens pour le Mérite anerkannt wurde. Daß Prinz Friedrich Karl den Werth seines treuen Gehülfen zu schätzen wußte beweist der Umstand, daß er letzteren, welcher nach Friedensschluß zunächst das Commando der zu Kassel neugebildeten 44. Infanteriebrigade übernommen hatte, als im Mai 1867 die Stellung des Commandeurs der 5. Infanteriedivision zu Frankfurt a. O. freigeworden war, für diese Stellung erbat. Zunächst mit der Führung der Division beauftragt, wurde St. [747] am 16. Juni 1867 zu ihrem Commandeur und gleichzeitig zum Generallieutentmant ernannt.

An der Spitze derselben sollte er unverwelkliche Lorbeeren pflücken und Früchte ernten, deren Saat er gemeinsam mit dem Prinzen in den vorangegangenen Friedensjahren gesät hatte. Im Verbande des III. Armeecorps und der vom Prinzen befehligten II. Armee, führte er sie im Jahre 1870 in das Feld. Am 16. August, in dem blutigen Ringen bei Vionville-Mars la Tour, fiel ihr der schwerste Theil der Arbeit zu. Mit zäher Standhaftigkeit hielt sie den beim ersten Anmarsche am Morgen jenes Tages gewonnenen Boden fest, und behauptete ihre Stellung gegen die unaufhörlich erneuten Versuche eines übermächtigen Feindes, sich den Weg zu bahnen, der aus der Falle von Metz befreien könnte. Als am Nachmittage sein Feldherr auf dem Schlachtfelde eintraf, durfte St. berichten: „Ich stehe wo ich stand“, und durfte versprechen, daß er seinen Platz nicht nur, wie der Prinz wünschte, eine Stunde lang halten, sondern daß er denselben bis auf den letzten Blutstropfen behaupten würde. Seinem mannhaften Ausharren und der Opferfreudigkeit der von ihm geführten Truppen gebührt ein Haupttheil an dem glücklichen Ausgange des Tages. Dem General selbst war ein Pferd unter dem Leibe erschossen, und ein Granatsplitter hatte ihn am Beine contusionirt. Nach der Schlacht blieb die Division vor Metz. So lange das Schicksal der Festung nicht entschieden war, achtete St. die Folgen jener Verletzung und rheumatische Schmerzen, welche ihn plagten, nicht. Als aber Metz gefallen war, ging er nach Wiesbaden. Doch nur für kurze Zeit. Sobald der 5. Division neue Kämpfe in Aussicht standen, war er wieder auf seinem Posten. Bei Beaune-la-Rolande, am 28. November, gab er einen hohen Beweis seiner militärischen Einsicht und seines moralischen Muthes. Trotz des ihm gewordenen Befehles, als letzter Rückhalt für das fechtende X. Armeecorps unter allen Umständen an dem ihm angewiesenen Orte stehen zu bleiben, rückte er, als es ihm richtig erschien den empfangenen Weisungen zuwider zu handeln, vor und griff in den Kampf ein, den er zu Gunsten der deutschen Waffen entschied. Auch an den ersten Decemberkämpfen bei Orléans hatten General v. St. und seine Division ihren Antheil, besonders wichtig und ausschlaggebend aber waren ihre Leistungen in den Januarkämpfen des Jahres 1871, welche mit der Einnahme von le Mans und der endgültigen Niederlage des Generals Chanzy zum Abschlusse kamen. Die Verleihung des Eisernen Kreuzes II. und I. Classe, des Eichenlaubes zum Orden pour le Mérite und andere Auszeichnungen brachten die Anerkennung, welche Stülpnagel’s Leistungen gefunden hatten, zu äußerem Ausdrucke; die Stadt Frankfurt ernannte ihn zu ihrem Ehrenbürger.

Nach Friedensschluß kehrte er zunächst in seine alte Garnison zurück, am 19. October 1871 aber wurde er zum commandirenden General des königlich württembergischen XIII. Armeecorps ernannt, welches, auf Grund der aus Anlaß der Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches zwischen Preußen und Württemberg getroffenen Vereinbarungen, nach preußischem Muster umgeformt werden sollte. Es war ein Auftrag, für dessen Erfüllung die soldatische Eigenart des Generals ihn weniger geeignet erwies, als für ein Commando in seiner engeren Heimath. Am 24. December 1873 wurde er, nachdem am 2. September dieses Jahres seine Beförderung zum General der Infanterie erfolgt war, von dem Commando in Württemberg entbunden, und daheim mit den Geschäften des Gouverneurs von Berlin und des Chefs der Landgensdarmerie beauftragt. Es war eine Stellung, welche dem an mehr Thätigkeit gewöhnten General nicht zusagte. Er bat daher um seinen Abschied, welcher ihm am 16. October 1875 mit der gesetzlichen Pension und unter Stellung zur Disposition bewilligt wurde; zugleich wurde er zum Chef des 5. brandenburgischen Infanterieregiments Nr. 48 [748] ernannt, welches von 1867–1871 unter seinen Befehlen gestanden hatte. Er erwarb nun das Gut Geyersdorf im Kreise Fraustadt, Provinz Posen, zu dessen Ankaufe ihn eine nach dem Kriege von 1870/71 ihm zu Theil gewordene Dotation von 100,000 Thalern in den Stand setzte, und widmete sich der Landwirthschaft. Aber der Besitz brachte ihm nur Sorgen, keinen Segen. Im März 1882 entäußerte er sich desselben wieder und nahm seinen Wohnsitz in Brandenburg a. H., wo ihm, als Inhaber einer auf die Fürsprache des Prinzen Friedrich Karl nach dem Kriege von 1866 ihm verliehenen Domherrenstelle, eine Curie zur Verfügung stand. Aber schon am 11. August 1885 starb er während eines Badeaufenthaltes auf der Insel Norderney an einer Unterleibsentzündung.

Zu bleibender Erinnerung an seine Verdienste verlieh Kaiser Wilhelm II. am 27. Januar 1889 dem 5. brandenburgischen Infanterieregiment Nr. 48, dessen Chef er gewesen war, für immerwährende Zeiten den Namen „v. Stülpnagel“.

v. Löbell, Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen, Jahrgang 1885, Berlin. – W. Bußler, Preußens Feldherren und Helden, 2. Bd. Gotha 1893.