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ADB:Sprengel, Matthias Christian

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Artikel „Sprengel, Matthias Christian“ von Friedrich Ratzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 299–300, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sprengel,_Matthias_Christian&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 17:41 Uhr UTC)
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Sprengel: Matthias Christian, Geograph und Polyhistor, geb. zu Rostock am 24. August 1746, † zu Halle am 7. Januar 1803. Als Schüler Schlözer’s studirte S., nachdem er in seiner Vaterstadt die Schule besucht hatte, in Göttingen, wo wir ihm im Sommer 1778 mit einer öffentlichen Vorlesung über die britischen Colonien in Nordamerika und einer privaten über europäische Staatengeschichte zum ersten Mal im Vorlesungsverzeichniß als außerordentlichen Professor begegnen. Eine geraume Zeit stand S. zu Schlözer in näheren Beziehungen und wohnte in seinem Hause. Schon im darauffolgenden Jahre finden wir ihn als ordentlicher Professor in Halle, wo er im Sommer seinen Lehrstuhl mit einer gelehrten und anziehenden Rede über den Sclavenhandel betrat. Die innigen Beziehungen zu Reinhold Forster, seinem späteren Schwiegervater und Mitarbeiter an so manchem weitausschauenden litterarischen Unternehmen, brachten ihn der Geographie, Ethnographie und Colonialgeschichte immer näher und er schriftstellerte mit erstaunlicher Fruchtbarkeit und wahrem Bienenfleiße wesentlich auf diesem Gebiete. Zu seiner Professur empfing er noch das seinen polyhistorischen Neigungen ungemein zusagende Amt des ersten Universitätsbibliothekars. Sein Tod erschien den Zeitgenossen in erster Linien als ein schwerer Verlust für die Geographie und sie verglichen sein Verdienst dem Büsching’s. Die wissenschaftliche Thätigkeit Sprengel’s war sehr ausgedehnt und vielseitig. Seine englischen Sprachstudien hatten ihn zuerst in die alte schottische Volkspoesie und aus dieser bald in die volle Breite der damals blühenden geographischen und statistischen englischen Litteratur geführt, in welcher er sich vorwiegend compilirend und bearbeitend, oft auch rein übersetzend erging. Auch die französische und italienische Litteratur blieben nicht unberücksichtigt. Die erste mir bekannte Schrift dieser Gattung ist die „Kurze Schilderung der Großbritannischen Colonien“ in einer Tabelle (1776). Auf diesem Gebiete bewegte sich Sprengel’s spätere Schrift über „Nordamerika und den Unabhängigkeitskrieg“, besonders die „Geschichte der Europäer in Nordamerika“ (1782), über „Indien und die englischen Eroberungen in Indien“, besonders „Das Leben Hyder Allys“ (1784), „Die Geschichte der Mahratten“ (1785), „Geschichte der indischen Staatsveränderungen von 1756 bis 1783“ (1788). Der Sclavenhandel, dem er 1779 bei seinem Antritt der hallischen Professur ein Programm gewidmet hatte, beschäftigte ihn auch später und sein Name sollte nicht vergessen werden, wenn man derjenigen gedenkt, die durch Rede und Schrift seiner Aufhebung vorgearbeitet haben. Es gibt keinen bedeutenderen Schritt in die Angelegenheit, welchen nicht S. in eigenen Werken oder Aufsätzen berichtet und besprochen hätte. Unterstützt durch beide Forster gab er seit 1781 „Beiträge zur Länder- und Völkerkunde“ (14 Bde. 1781–1799) und „Neue Beiträge“ (13 Bde. 1790–1794) und seit 1794 alleine eine Fortsetzung unter dem Titel „Auswahl der besten ausländischen geographischen [300] und statistischen Nachrichten zur Aufklärung der Länder- und Völkerkunde“ (14 Th. bis 1800) heraus, welche jedoch nichts anderes als eine Sammlung von gekürzten Uebersetzungen geographischer Werke und Reisebeschreibungen wurde. Handelsgeographsiche Mitteilungen brachten diese Beiträge mit Vorliebe. Die Bearbeitungen sind aber häufig in sehr flüchtiger Weise hergestellt. Auch ein anderes großes Unternehmen, welches S. begann, die später von Bertuch und Ehrmann fortgesetzte Bibliothek der neuesten und wichtigsten Reisebeschreibungen (7 Bde. bis 1803; auch die erste Hälfte des 8. Bandes, die Reise von Sauer und Billings, ist noch von S. abgeschlossen) besteht hauptsächlich aus Uebersetzungen. Verdienstlich war Sprengel’s Theilnahme an der Herausgabe späterer Auflagen der Achenwall’schen Statistik, die bis 1781 Schlözer besorgt hatte. Auch Sprengel’s Grundriß der Staatenkunde der vornehmsten europäischen Reiche, dessen erster und einziger Theil 1793 erschien, ist wesentlich Neubearbeitung einzelner Theile des Achenwall’schen Handbuches, besteht also aus politisch-statistischen Repertorien, deren eifrige Sammlung einen großen Theil der Thätigkeit Sprengel’s bildete. Das Bertuch’sche Landesindustriecomptoir erwarb aus seinem Nachlaß eine Masse statistischen Materials, welche es durch verschiedene Mitarbeiter in nutzbaren Zustand bringen ließ. Sprengel’s Arbeiten zeugen von einer gewaltigen Belesenheit in alter und neuer Litteratur, auch Tageslitteratur. Jene Aufgewecktheit und jener praktische Blick für das politisch Hervorragende oder Interessante, dem wir auch in den Arbeiten einiger Zeitgenossen, besonders Büsching’s und Schlözer’s begegnen, hindert, daß aus den massenhaften Lesefrüchten nur dürre Aufzählungen wurden. S. hat im Gegentheil nach vielen Seiten anregend und fördernd gewirkt und theilt sich mit Schlözer und Büsching in das Verdienst, den Blick der Deutschen für die weitere Welt erhellt zu haben, ist aber mit Beiden auch der Gefahr der Verflachung nicht entgangen, welche in der schnellfertigen Beurtheilung der Tagesereignisse vom Gelehrtentische aus liegt. Seinen Schriften über Zeitfragen, besonders den statistischen, hätte eigentlich in einer Zeit ruhigerer Entwicklung die praktischen Anwendung durch colonisatorisches Vorgehen folgen müssen. Daran scheint aber S. selbst nicht gedacht, sondern sich mit unablässiger, emsiger Materialsammlung begnügt zu haben, so daß Bertuch gleich nach seinem Tode M. C. Sprengel’s vollständige und ausführliche Staatenkunde von Europa in 12 fünzigbogigen Bänden ankündigen konnte, die aber nie erschienen ist.

Bildniß im 87. Bd. der Allg. Deutschen Bibliothek und Schattenriß in der Allg. Geogr. Ephemeriden elftem Bande.