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ADB:Spieß, Johann Balthasar

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Artikel „Spieß, Johann Balthasar“ von Ferdinand Sander in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 182–183, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spie%C3%9F,_Johann_Balthasar&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:47 Uhr UTC)
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Spieß: Johann Balthasar S., Theolog und Pädagog der philanthropisch-rationalistischen Schule, geboren am 8. Januar 1782, † am 6. December 1841. J. K. S. war der Sohn eines Bauern und Schmiedemeisters zu Obermaßfeld im Hennebergischen, jetzt Herzogthum Sachsen-Meiningen. Besonders seine hervorragenden musikalischen Gaben gewannen ihm die Gunst des Ortscantors und des Ortspfarrers Molter. Dieser unterrichtete ihn mehrere Jahre mit zwei eigenen Söhnen, bis die beiden Genossen in einer Stunde an den Blattern starben. Die musikalischen Studien dauerten fort; S. ward des Cantors Factotum bei den mit Liebe und Verständniß betriebenen Kirchenmusiken und las daneben eifrig in den wenigen, ihm zugänglichen Büchern: Bibel, Gesangbuch, Campe’s Robinson, Seiler’s Allgemeins Lehrbuch, Becker’s Noth- und Hülfsbüchlein. 1799 trat S. ins Landesseminar zu Meiningen, wo ihn namentlich der Vortrag des Landschulinspectors Keißmer über Erziehungs- und Unterrichtslehre anregte. Im Frühjahr 1801 besuchte er mit einem Freunde Schnepfenthal und knüpfte mit den dortigen Lehrern Bande der Freundschaft, die ihn, durch öftere Besuche der berühmten Anstalt erneuert, durchs Leben begleiteten. Nach kurzem praktischen Dienst an der Freischule zu Meiningen siedelte S. October 1801 nach Frankfurt a. M. über, wo er Lehrer im Kemmeter’schen Institute ward. Dort lernte er nebenher Englisch und Französisch, frischte die Elemente der alten Sprachen auf und vervollkommnete sich im Zeichnen, in der Tonkunst und in der Kunstgeschichte. Angefeuert durch die Liebe zu seiner Braut Louise [183] Werne aus Saarbrücken, die er als Erzieherin in Frankfurt kennen lernte, besuchte er 1805–1807 noch die Universität Gießen und trat 1807, nachdem er praestanda prästirt hatte, in die Zahl der hessischen Candidaten der Theologie. Als solcher wurde er sofort zum Conrector nach Lauterbach (Oberhessen) berufen, wo er neben der öffentlichen eine besuchte, sogenannte französische, Privatschule leitete. Dort gründete er auch den eigenen Herd. Mit dem Rector Bindewald gemeinsam reorganisirte er die Lauterbacher Stadtschule so zweckmäßig, daß vorzüglich durch seinen pädagogischen Ruf die Stadt Offenbach bewogen ward, ihm die dortige zweite Pfarrstelle anzutragen, die er 1811 antrat. Er blieb vorwiegend Erzieher der Jugend, wie er denn auch dort alsbald eine Privaterziehungsanstalt errichtete, die rasch zu hohem dauerndem Aufschwunge kam. Den Abschluß seiner Offenbacher Wirksamkeit bildete 1830 eine zeitgemäße Neuordnung des städtischen Schulwesens. Außerdem begründete er in Offenbach die Lehrerconferenzen, den Lehrersingverein und pflegte mit Vorliebe die Kirchenmusik. In gleichem Sinne wirkte er noch ein Jahrzehnt in Sprendlingen bei Frankfurt als Pfarrer und Decan, nach den Worten seines Biographen Rinck als „Verkündiger eines lichtvollen Glaubens, der überall, wo sich Gelegenheit darbot, ein lebendiges thätiges Christenthum zu befördern und der Verfinsterung der evangelischen Wahrheit entgegenzuwirken suchte“. S. starb in Sprendlingen nach kurzem Kranksein am 6. December 1841, in weiteren Kreisen schmerzlich betrauert. Am 8. Dec. wurde er feierlich bestattet. Als Schriftsteller hat S. zwar nichts Größeres und dauernd Werthvolles geschaffen, aber auf seine Zeit anregend gewirkt. Er begann als solcher mit gemeinnützigen Aufsätzen aller Art in den bekannten Becker’schen Gothaer Blättern: „Nationalzeitung“ und „Anzeiger der Deutschen“, später arbeitete er mit an Guts Muths’ „Bibliothek für Pädagogik und Schulwesen“, Zimmermann’s „Allgemeiner Kirchen-“ und „Allgemeiner Schulzeitung“, an der „Cäcilia, Zeitschrift für die musikalische Welt“, am „Lichtfreunde“, am „Protestanten“ u. s. w. Die von ihm begründeten Zeitschriften: „Allgemeine Elternzeitung“, „Allgemeine Musikzeitung“, „Eusebia, Kirchenzeitung für Freunde des reinen Christenthums“, „Der Schulwächter“, brachten es alle nicht zur dauernden Blüthe. Unter den Aufsätzen, die in Zeitschriften erschienen, machten einiges Aufsehen: „Gedanken über den Unterricht in der Musik“ (Guts Muths’ Bibliothek Mai 1810), „Ueber den Religionsunterricht der Jugend, besonders der Confirmanden“ und „Ueber den vierstimmigen Gesang der ganzen Gemeinde“ (beide: Zimmermann’s Allg. Kirchenzeitung, 1824), „Bruchstücke aus dem Tagebuch eines alten Schulmeisters“ (Allg. Schulzeitung), „Gleichstellung der Katholiken und Protestanten in Deutschland“ (Protestant). – Besondere eigene Schriften: „Plan einer Lehr- und Erziehungsanstalt für Kinder aus den gebildeten Ständen“ (Offenbach 1814); „Unterrichtswegweiser für das Gesammtgebiet der Lehrgegenstände in Volksschulen“ (Gießen 1833 ff.; erschienen 5 Theile: 1. Denkübungen, 2. Sprachbildungslehre, 3. Zahlenlehre, 4. Raumlehre, 5. Religionslehre); „Erstes Lese- und Lehrbuch für Volksschulen“ (Gießen 1836); „Ueber Geistlichenvereine; ein Gutachten“ (Offenbach 1837); „Lehre des christl. Glaubens in systematisch geordneten Bibelsprüchen“ (Gießen 1840). Für die dreizehnte Auflage des Denkfreundes von Schlez bearbeitete S. den Abschnitt über „Geographie“. – Sein Sohn ist der bekanntere Turnpädagog Adolf S.; s. oben S. 173.

Hauptquelle: Nekrolog vom Garnisonsprediger Rinck zu Darmstadt (Allgemeine Schulzeitung 1842, Spalte 845 ff.).