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ADB:Sonnleithner

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Artikel „Sonnleithner“ von Eusebius Mandyczewski in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 639–641, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sonnleithner&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 06:44 Uhr UTC)
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Sonnleithner, eine alte, große und angesehene Wiener Bürgerfamilie, welche der Kaiserstadt an der Donau durch ein Jahrhundert eine Reihe ihrer vortrefflichsten Männer geschenkt hat. Die hervorragendsten unter ihnen sind:

Christoph S., geb. zu Szegedin in Ungarn am 28. Mai 1734, † in Wien am 25. December 1786. Er verlor frühzeitig seinen Vater, und kam als Knabe in das Haus seines Onkels Leopold S. nach Wien, der Heimath seiner Eltern. Hier absolvirte er die juridischen Studien und betrat die Advocatenlaufbahn. Daneben erhielt er von seinem Onkel, der als Beamter und als regens chori zugleich thätig war, einen gründlichen Musikunterricht und vervollständigte seine theoretischen Studien in der Musik unter Pirk, dem Lehrer Kaiser Joseph II. Sein Fleiß und seine Redlichkeit erwarben ihm einen ausgebreiteten Ruf und er zählte zu seiner Zeit zu den vorzüglichsten Advocaten Wiens, weswegen er auch von der juridischen Facultät zu ihrem Decan gewählt wurde. Seine juridischen Schriften verrathen nach dem Zeugnisse seiner Zeitgenossen den Rechtsgelehrten [640] im strengen Sinne des Wortes und hatten den Beifall der angesehensten Staatsmänner. Gleich berühmt war er als Tonsetzer. Seine Messen, Symphonien und Kammermusikwerke fanden in ganz Oesterreich große Verbreitung. Er schrieb im Stil seiner Zeit; warmes Gefühl, Sinn für Klang- und Formschönheit und ein eigenthümlicher sanfter Charakter werden seinen Werken nachgerühmt. Kaiser Joseph nannte ihn seinen Lieblingscompositor und liebte besonders seine Quartette, die er sich oft vorspielen ließ. Seine vortrefflichen menschlichen Eigenschaften und seine geistigen Fähigkeiten vererbte er auf seine zehn Kinder, unter denen hervorzuheben sind:

Anna S., geb. 1767, deren Ehe mit W. Grillparzer Oesterreichs größter Dichter entsprossen ist.

Ignaz S., geb. am 30. Juli 1770, † am 27. November 1831 in Wien. Durch die besondere Gnade Kaiser Joseph II. erhielt er einen Stiftplatz in der k. k. Theresianischen Ritterakademie, wo er sich juridischen Studien und dem Studium fremder Sprachen hingab. Er führte längere Zeit in einem angesehenen Handlungshause in Wien die ausländische Correspondenz, wurde 1795 Advocat, 1803 Notar. Vom Jahre 1801 an hielt er als der Erste an der Wiener Universität Vorlesungen über österreichisches Handels- und Wechselrecht. Sein Lehrbuch über diesen Gegenstand wurde für ganz Oesterreich und Ungarn maßgebend. 1815 wurde ihm die Lehrkanzel für alle Handelswissenschaften am polytechnischen Institute zugewiesen. Durch viele Jahre hielt er auch öffentliche Vorlesungen über dieses Fach für alle Handelsbeflissenen. Sein unermüdliches und uneigennütziges Wirken veranlaßte seine Erhebung in den Adelstand 1828. Die allgemeine Noth, in welche Oesterreich nach den Kriegssjahren gerathen war, brachte ihn auf die Idee der Gründung der allgemeinen Versorgungsanstalt, durch die er sich in Wien ein bleibendes Denkmal gesetzt hat. Unter seinen Schriften werden, neben seinen Lehrbüchern über Handelswissenschaft, über Handels- und Wechselrecht noch genannt: „Ueber das Verhältniß der Provinz Elsaß zum Deutschen Reiche“, „Gedanken über Banknoten und öffentliche Fondobligationen“, „Ueber die Acceptations-, Verfalls- und Probestationszeit der Wechselbriefe“. Er war berühmt durch seinen vortrefflichen Witz und durch sein schönes musikalisches Talent. Der Gesellschaft der Musikfreunde, zu deren eifrigsten und schätzbarsten Mitgliedern er gehörte, hat er seit ihrer Gründung sowohl als tüchtiger Sänger, als auch als Jurist die wesentlichsten Dienste geleistet.

Joseph S., geb. am 3. März 1766, † am 26. December 1835 in Wien. Er bildete sich frühzeitig zum Juristen, zum Litteraten und Musiker heran. Während der Jurist die politische Laufbahn betrat, erwarb sich der Literat umfassende Sprachkenntnisse, und wurde der Musiker unter dem Einflusse Haydn’s und Mozart’s ein tüchtiger Fachmann. Sein erster litterarischer Versuch war eine Bearbeitung der Sage von Fortunat’s Wünschhütlein. Dann übersetzte er Joannis Secundi iter gallicum in Prosa, Tibull’s Elegien in gereimten, die Fabeln des Phädrus in reimlosen Versen. Seine Vorliebe für die alten Classiker führte ihn zur Gründung einer Buchdruckerei, in der er ihre Werke theils im Original, theils in Uebersetzungen veröffentlichte. Im Jahre 1787 kam er in die Nähe Kaiser Joseph II., der ihm eine Anstellung in seiner Privatkanzlei gab, und ihm stets sehr gewogen war. Unter Kaiser Franz erhielt er den Auftrag zu einer wissenschaftlichen Reise nach Deutschland, Dänemark und Schweden, um die Bildnisse und Biographien von Gelehrten und Künstlern für die Privatbibliothek des Kaisers zu sammeln. 1801 gründete er mit Schreyvogel, Holer und Rizy das „Kunst- und Industrie-Comptoir“, welches sich um die Kunstbildung in Oesterreich zu Anfang dieses Jahrhunderts große Verdienste erworben hat. 1804 wurde er, nach Kotzebue’s Abgang, Hoftheater-Secretär, und entfaltete [641] in dieser Stellung eine außerordentlich rege und künstlerisch segensreiche Thätigkeit. Bis zum Jahre 1814 leitete er unter den schwierigen politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen jener Zeit die beiden Hoftheater in der Burg und nächst dem Kärnthnerthore, und Anfangs durch kurze Zeit auch das Theater an der Wien. Er hat es verstanden, das Repertoire und den Geschmack des Publicums zu heben und die beiden Theater auf eine hohe künstlerische Stufe zu bringen. Er schrieb zahlreiche Operntextbücher, darunter „Leonore“ für Beethoven, „Agnes Sorel“, „Emerike“, „Der betrogene Betrüger“ und „Die Pagen des Herzogs von Vendome“ für Gyrowetz, „Kaiser Hadrian“ und „Die Weihe der Zukunft“ für Weigl, „Faniska“ für Cherubini, „Zum goldenen Löwen“ für Seyfried. Er lieferte viele Uebersetzungen anderer Textbücher ins Deutsche. Für die Zwecke des Burgtheaters bearbeitete er eine lange Reihe französischer Lustspiele. Er übersetzte metrisch: aus dem Lateinischen den „Amphytruo“ des Plautus; aus dem Italienischen des Ariost: „Der Nekromant“, „Lena“, „Die Unterschobenen“, das Lustspiel von der Kiste und das Lustspiel von den Schülern; aus dem Spanischen des Tirso de Molina: das Trauerspiel „Die Liebenden von Teruel“, das Schauspiel „Der Verdammte wegen Mangel an Vertrauen“, die Lustspiele „Vorsicht gegen Vorsicht“ und „Durch die Keller und die Winde“, von Antonio de Solis: das Lustspiel „Ein Narr macht hundert“. In Prosa übersetzte er aus dem Italienischen des J. B. Gelli die Dialoge „Circe“ und „Die Grillen des Böttchers“, dann das Lustspiel „Der Fehltritt“. Ein bleibendes Verdienst um seine Vaterstadt und um sein Vaterland hat er sich durch die Begründung zweier großer und bedeutender Gesellschaften erworben, die sich bis auf den heutigen Tag in stets wachsender und umfassenderer Thätigkeit erhalten haben: Der „Gesellschaft adeliger Frauen zur Beförderung des Guten und Nützlichen“ (1811) und der „Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates“ (1812). Beiden hat er als geschäftsführender Secretär bis zu seinem Tode die ausgezeichnetsten Dienste geleistet, und Beide haben ihm ihre Größe, ihren Einfluß und ihre Bedeutung zu verdanken. So wie sich die erstere in schweren Zeiten durch großartige Humanitätsacte hervorthat, so hat sich die letztere um die Emporbringung der Musik in Oesterreich unvergängliche Verdienste erworben. Mit großer Energie, Umsicht und Thatkraft stand S. an ihrer Spitze und seiner Anregung folgend begründete die „Gesellschaft der Musikfreunde“ das Wiener Conservatorium für Musik im Jahre 1817, welches rasch einen großen Aufschwung nahm. Seiner Fürsorge verdankt diese Gesellschaft auch die werthvollen wissenschaftlichen Sammlungen, die sie besitzt. S. war ein Mann von einer seltenen Selbstlosigkeit und Reinheit des Charakters. Er wurde von seinen Zeitgenossen allgemein verehrt und erfuhr von Höfen, Akademien, Museen und Vereinen die mannigfachsten Auszeichnungen. Trotz all seiner Thätigkeit auf den verschiedenartigsten Gebieten ist er seiner juridischen Laufbahn nie untreu geworden. In den letzten zwei Decennien seines Lebens war er als kaiserlicher Regierungsrath und Hofagent bei den vereinigten Hofkanzleien, dann bei der Hofkammer im Münz- und Bergwesen, endlich beim Hofkriegsrath thätig. Außer zahlreichen litterarischen und musikalischen Arbeiten hinterließ er eine große Sammlung von Materialien zur Geschichte der Musik und des Theaters in Wien und in Oesterreich, die im Archive der Gesellschaft der Musikfreunde aufbewahrt wird.

Allgemeine musikalische Zeitung. – Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit und politische Gesetzkunde. – Oesterreichische Zeitschrift für Geschichts- und Staatskunde. – Castelli, Memoiren meines Lebens.