ADB:Sierstorpff, Kaspar Heinrich Freiherr von
[216] Peter Joseph Albert Francken v. S. und Enkel des am 22. November 1738 in den Freiherrnstand erhobenen gleichfalls Hildesheimischen Kanzlers Kaspar Francken v. S. Nach Beendigung seiner Studien lebte er am kurmainzischen Hofe zu Regensburg, begab sich dann auf Reisen und trat 1783 als Jägermeister in herzoglich braunschweigische Dienste. Am 28. Februar 1788 wurde er zum Oberjägermeister befördert und unter dem 4. Mai 1789 mit der Generalaufsicht über das Forst- und Jagdwesen im Herzogthum Braunschweig und im Fürstenthum Blankenburg betraut. Das schon damals in Personal-Union mit Braunschweig-Wolfenbüttel stehende Blankenburg hatte bis zum Jahre 1806 eine gesonderte Regierung; es lag also ein ähnliches Verhältniß vor, wie es noch jetzt zwischen Coburg und Gotha besteht. Die Napoleon’sche Gewaltherrschaft und Gründung des Königreichs Westfalen brachte ihm 1808 die Ernennung zum Conservateur des eaux et des forêts im Ocker-Departement. Die westfälische Herrlichkeit dauerte aber nicht lange, und nachdem die herzoglich braunschweigische Regierung wieder eingesetzt worden war, ernannte ihn diese mit Beibehaltung seines früheren Titels „Oberjägermeister“ zum Mitgliede des fürstlichen Kammercollegiums in Braunschweig mit Sitz und Stimme, in welcher Stellung er bis 1828 verblieb. Vorübergehend stand er nach Löhneysen’s Tod im Jahre 1818 auch dem Oberforstdistricte Braunschweig commissarisch als Oberforstmeister vor. (Die Oberforstmeister bildeten damals noch eine Zwischeninstanz zwischen der Kammer und den Inspectionsbeamten, kamen jedoch bald darauf in Wegfall.) Eine eigenthümliche Episode änderte aber mit einem Schlage seine ganzen seitherigen Verhältnisse. Eines Tages wurde er in Hannover von dem Vicekönige Herzog von Cambridge zur Tafel gezogen und hierbei von diesem befragt, wie es in Braunschweig aussehe? Seine freimüthige Antwort: „Königliche Hoheit, es thut ein Oberhofmeister Noth“, kam dem durch seine Willkürherrschaft berüchtigten Herzog Karl von Braunschweig zu Ohren und hatte übele Folgen. Der Herzog ernannte ihn nämlich zum Oberhofmeister, setzte seinen seitherigen Gehalt von 2000 Thaler auf die Hälfte herab und eröffnete ihm, daß diese Maßregel als eine landesherrliche Würdigung seiner Verdienste aufzufassen sei. v. S. lehnte Titel und Gehalt selbstverständlich ab und bat um seinen Abschied. Als Antwort hierauf erfolgte der herzogliche Bescheid, daß er – wegen verletzter Ehrerbietung – aller Titel, Aemter und Würden für verlustig erklärt und des Landes verwiesen werde. Eine zu seinen Gunsten publicirte Entscheidung des herzoglichen Districtsgerichtes zu Braunschweig wurde durch landesherrliche Willkür cassirt. (Vgl. die Schrift: Der Aufstand in der Stadt Braunschweig am 6. und 7. September 1830 und der bevorstehende Anfall des Herzogthums Braunschweig an Hannover, Leipzig 1858. S. 254 und 298.) v. S. mußte daher noch in dem hohen Alter von 78 Jahren wirklich seiner Heimath entsagen, wurde aber, nachdem Herzog Wilhelm an Stelle seines vertriebenen Bruders Karl im September 1830 zur Regierung gelangt war, sofort wieder in sein früheres Amt eingesetzt und bekleidete dieses noch 4 Jahre, um dann in den Ruhestand zu treten. Durch königliches Diplom vom 15. October 1840 – also kurze Zeit vor seinem Tode – wurde ihm noch die Erhebung in den preußischen Grafenstand zu theil. Seine Leiche wurde neben seiner Gemahlin, einer geb. v. Vincke, auf dem katholischen Friedhof in Braunschweig beigesetzt.
Sierstorpff: Kaspar Heinrich Freiherr v. S., Forstmann und Kunstkenner, geboren am 19. Mai 1750 zu Hildesheim, † am 29. März 1842 zu Braunschweig. Er war Sohn des fürstbischöfl. Hildesheimschen Kanzlersv. S. war ein Edelmann im vollen Sinne des Wortes. Ausgezeichnet durch eine umfassende allgemeine Bildung und mit hervorragenden forstlichen Kenntnissen ausgestattet, leistete er seinem Vaterlande langjährige ersprießliche Dienste. Auch als Schriftsteller muß sein Name rühmlich genannt werden; seine Schriften bezeugen, daß er bereits auf dem richtigen Wege zur Specialforschung angelangt war. Er verfaßte folgende Werke: „Einige Bemerkungen über die in dem Winter 1788–89 [217] erfrorenen Bäume“ (1790); „Ueber einige Insektenarten, die den Fichtenwaldungen vorzüglich schädlich sind, und über die Wurmtrockniß der Fichtenwälder des Harzes, mit 3 illuminirten Kupfertafeln“ (1794); Ueber die forstmäßige Erziehung, Erhaltung und Benutzung der vorzüglichsten inländischen Holzarten etc.“, 2 Theile (1796 und 1813). Der erste Theil behandelt die Forstbotanik, die Naturkunde der Bäume überhaupt und die Eiche im besonderen. Der zweite Theil enthält die Beschreibung der Fichte. Die beigefügten illuminirten Kupfertafeln sind vortrefflich. v. S. war endlich auch ein feiner und liebenswürdiger Cavalier, sowie ein hervorragender Kunstkenner und Kunstfreund. Dieser Neigung entsprang 1804 ein Werk u. d. T. „Bemerkungen auf einer Reise durch die Niederlande nach Paris, größtentheils in Beziehung auf Gemälde und Kunstgegenstände.“ Er verfügte über ein großes Vermögen, besaß eine bedeutende Gemäldesammlung und hatte insbesondere einen ansehnlichen Grundbesitz in Driburg (Provinz Westfalen); auch begründete er das dortige Bad. Die Familie ist vor einigen Jahren im Mannesstamme erloschen.
- Allgemeine Forst- und Jagdzeitung, 1842, S. 193 (Personalnotiz). – Fr. von Löffelholz-Colberg, Forstliche Chrestomathie, V, 1. S. 9, Nr. 45; S. 50, Nr. 178 und S. 81, Bemerkung 3a. – Acten der Braunschweigischen Kammer.