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ADB:Siegismund, Justus

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Artikel „Siegismund, Justus“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 205–206, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Siegismund,_Justus&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:25 Uhr UTC)
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Siegismund: Justus S., Philolog, geb. am 25. Juni 1851, † am 3. März 1876. S. erblickte am 25. Juni 1851 zu Leipzig als Sohn eines Handwerkers das Licht der Welt. Von Geburt aus schwächlich und wegen des Fehlens des schwarzen Pigmentes in der Iris mit lichtscheuen, sehr empfindlichen Augen versehen, konnte er erst im Alter von acht Jahren einer öffentlichen Schule zugeführt werden. Mit zehn Jahren trat er in die damals unter Friedrich August Eckstein’s Leitung stehende Thomasschule ein, an der er so große Fortschritte machte, daß er zweimal eine Classe mit nur einem halben Jahre absolviren konnte. So kam es, daß er bereits im siebzehnten Jahre die Universität seiner Vaterstadt beziehen durfte, an der er sich unter dem speciellen Einflusse Georg Curtius’ dem Studium der klassischen Philologie und insbesondere dem der griechischen Grammatik widmete. Bereits im Mai 1872 erlangte er auf Grund einer Abhandlung über die Metathesis im Griechischen („Quaestionum de Metathesi Graeca particula I.“ Lipsiae 1872, wieder abgedruckt und um ein zweites Capitel vermehrt in den „Studien zur griechischen und lateinischen Grammatik“. Hrsg. von Georg Curtius. 5. Bd., 2. Heft, S. 117–217, Leipzig 1872) den philosophischen Doctorgrad. Nachdem er das Staatsexamen glänzend bestanden und dabei nach dem Zeugniß Eckstein’s eine ungewöhnliche Lehrgabe an den Tag gelegt hatte, wurde er als Lehrer am Leipziger Nicolaigymnasium angestellt. Im J. 1873 wurde er in gleicher Eigenschaft an das protestantische Gymnasium zu Straßburg i. E. berufen, wo er eine erfolgreiche Thätigkeit in seinem Amte entwickelte. Trotzdem fand er Zeit, seine wissenschaftlichen Fachstudien fortzusetzen. Gemeinschaftlich mit dem damaligen Conrector an dem kaiserlichen Lyceum zu Straßburg, Wilhelm Deecke, unternahm er es, die auf Cypern gefundenen griechischen Inschriften, die bisher noch nicht hatten entziffert werden können, auf ihre Bedeutung [206] hin zu untersuchen. Seine und Deecke’s Abhandlung (u. d. Titel: „Die wichtigsten cyprischen Inschriften“ im 7. Bde. 1875, S. 217–264 der „Studien“ von Curtius erschienen) kam ziemlich gleichzeitig mit einer Veröffentlichung von Moritz Schmidt in Jena heraus, die in den wichtigsten Ergebnissen mit ihr übereinstimmte, in einzelnen Punkten aber von ihr abwich. H. L. Ahrens urtheilte damals über das gegenseitige Werthverhältniß der beiden Untersuchungen, daß das Verständniß der cyprischen Inschriften im ganzen nicht unerheblich weiter durch S. und Deecke als durch Schmidt gefördert worden sei (vgl. Philologus Bd. 35, S. 3, Göttingen 1876 und Bd. 36, S. 1 ff., Göttingen 1877). Infolge der günstigen Aufnahme seiner Arbeit durch die gelehrte Welt erhielt S. von der kgl. sächs. Regierung ein Stipendium bewilligt, damit er eine Reise nach Griechenland und den griechischen Inseln unternehmen könnte. Nachdem er in Straßburg Urlaub für sechs Monate erhalten hatte, reiste er im August 1875 über Leipzig nach Berlin, wo er die dortigen cyprischen Alterthümer im Original kennen lernen wollte. Dann ging die Reise über Wien, Pesth, Constantinopel weiter nach Athen. Er beschäftigte sich hier hauptsächlich mit dem Studium der neugriechischen Sprache und mit archäologischen Vorbereitungen für seine weitere Reise. Im Februar 1876 traf er auf Cypern ein, über das er eine eingehende topographisch-historische Arbeit zu veröffentlichen gedachte. Von Larnaka aus unternahm er zunächst eine zwölftägige Reise nach Golgoi, Idalion, Nikosia, Lapithos und Keryneia. Der Rückweg führte S. über Chytra, Constantia und Famagusta wieder nach Larnaka. Am 1. März brach er von dort aufs neue auf, um sich nach Limassol zu wenden. Am 3. März besichtigte er bei dem Dorfe Hagios Tychonas ein etwa 40 Fuß tief unter dem Boden liegendes phönicisches Grab, das der amerikanische Consul Cesnola vor kurzem hatte öffnen lassen. Aus der Tiefe dieses Grabes hervorsteigend, wurde er vom grellen Sonnenlichte so geblendet, daß er eine Stufe verfehlte und von einem herabrollenden Stein getroffen, todt hinabstürzte. S. erhielt sein Grab auf dem Kirchhof zu Limassol, wo ihm der Gemeindevorstand und die Priester der griechischen Kirche St. Napa und Andronika die letzte Ruhestätte bereiteten. Leider fand sich in seinem Nachlasse nicht genügend wissenschaftliches Material, dessen Veröffentlichung sich gelohnt hätte, vor. Sein Arbeitsgenosse Wilhelm Deecke, der ihm (in einem Briefe an den Verfasser vom 19. December 1891) nicht nur „tüchtiges Wissen“, sondern auch „einen bescheidenen, liebenswürdigen“ Charakter nachrühmt, widmete deshalb seinem Andenken eine selbständige Abhandlung: „Der Ursprung der cyprischen Silbenschrift“, Straßburg 1877. Von wissenschaftlichen Arbeiten Siegismund’s sind noch zwei zu nennen: „Epigraphisch-Grammatisches“, abgedruckt im 9. Bde. 1876, S. 87–107 der „Studien“ von Curtius, und der „Jahresbericht über die griechische Grammatik“, abgedruckt im „Jahresbericht über die Fortschritte der classischen Alterthumswissenschaft“, hrsg. von Bursian, 1. Jahrg. 1873, 2. Bd. S. 1255–1292. – „Siegismund’s Name“, urtheilt Georg Curtius, „wird mit der Entzifferung der merkwürdigen (cyprischen) Sprachreste in ehrenvoller Weise verbunden bleiben“.

Vgl. (Albrecht), Zur Erinnerung an Dr. Justus Siegismund. Straßburg 1876. – Programm des protestantischen Gymnasiums zu Straßburg für 1876–1877. Straßburg 1876, S. 11. – Allgemeine Zeitung 1876, Beilage zu Nr. 88, S. 1327.