Zum Inhalt springen

ADB:Sell, Johann Jacob

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Sell, Johann Jacob“ von Gottfried von Bülow in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 681–682, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sell,_Johann_Jacob&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 15:19 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 33 (1891), S. 681–682 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Jakob Sell in der Wikipedia
Johann Jakob Sell in Wikidata
GND-Nummer 115842381
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|33|681|682|Sell, Johann Jacob|Gottfried von Bülow|ADB:Sell, Johann Jacob}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=115842381}}    

Sell: Johann Jacob S., Schulmann und Geschichtsschreiber, geboren am 11. Januar 1754 in Stettin als Sohn eines wohlhabenden Schmiedemeisters, † ebenda am 23. März 1816, trat mit zehn Jahren als Schüler in die dortige Rathsschule, die sich zur Zeit in keiner besonderen Blüthe befand. Die ziemlich trockene Behandlung der alten Classiker verbunden mit mechanischem Auswendiglernen unverstandenen Stoffes gewährte dem Geiste des lernbegierigen munteren Knaben wenig Nahrung. Dennoch dachte er später dankbar seiner damaligen Lehrer, so der Conrectoren Levezow und Pfennig, des Cantors Kiel und des Baccalaureus Carmesin. Zu Ostern 1771 bezog er die Universität Halle, wo er an Semler einen freundlichen Leiter seiner Studien fand. Bei Nösselt hörte er Kirchengeschichte, Exegese und Moral, bei Vogel und Griesbach Exegese, bei Klotz und Thunmann philologische, bei Träger philosophische Vorlesungen, Geschichte bei Penzel und Bertram. Eng befreundet wurde er während seiner Universitätsjahre mit dem späteren Generalsuperintendenten Löffler und dem nachherigen Rector Lieberkühn zu Neu-Ruppin. Eine nach vollendeten Studien sich bietende Aussicht auf Berufung an die Schule zu Kloster Bergen bei Magdeburg zerschlug sich, S. ging als Hauslehrer zu einem Herrn v. Normann auf Rügen, wurde aber schon 1776 an die Rathsschule seiner Vaterstadt als Baccalaureus berufen und erhielt bereits nach wenig Monaten das Subrectorat an derselben. Die Erfolge, welche er in mehrjähriger Arbeit hier erzielte, lenkten bald die Blicke der Landesbehörden auf ihn und bewirkten schließlich seine Berufung als Professor der Geschichte und Beredtsamkeit an das königliche Gymnasium zu Stettin. Am 5. Mai 1783 fand die Einführung statt, S. stand damals im 29. Lebensjahre. Die Anstalt trug seit der Zeit der schwedischen Herrschaft den Charakter einer Akademie, vor 33 Jahren war derselben auf dringendes Begehren des damaligen Lehrercollegiums die Einrichtung des ambulirenden Rectorats gegeben worden, und so kam es, daß S. dieses Amt stellvertretend bereits 1787 und von 1789 bis 1790 aus eigenem Recht verwaltete. Das geistliche Ministerium sah sich jedoch gerade jetzt veranlaßt, diese der Anstalt in der That nur nachtheilig gewordene Einrichtung wieder aufzuheben und unter gleichzeitiger Neuordnung der Verwaltung des Gymnasiums S. zum alleinigen Rector desselben zu ernennen. Nicht leicht hätte dieses Amt [682] geschickteren Händen anvertraut werden können: mit großer pädagogischer Einsicht und Directoratsklugheit, mit musterhafter Treue und Hingebung verwaltete S. dasselbe, obgleich ihm die Arbeitslast bald erheblich vermehrt wurde durch die im J. 1805 vollzogene Combination der in ein städtisches Lyceum umgewandelten früheren Rathsschule, an der S. erst Schüler, dann Lehrer gewesen war, mit dem königlichen Gymnasium. Die unermüdliche Thätigkeit, mit der er allen Zweigen seines Berufes, zu dem sich die Aemter eines Mitgliedes der geistlichen und Schuldeputation der Regierung als Schulrath, ferner eines Mitgliedes auch der Stadtschuldeputation, eines Vorstehers der Stadtverordnetenversammlung und endlich die Mitgliedschaft bei mehreren Wohlthätigkeitsvereinen gesellten, zu genügen suchte, war bewundernswerth. Er lebte ganz seinem Berufe und gönnte sich nur selten eine Erholung, wußte sich aber dabei den heiteren Sinn und die frohe Laune zu bewahren. Als Schriftsteller hat er sich meist auf die ihm durch seinen Beruf zur Pflicht gemachten Gelegenheitsschriften beschränkt, dieselben sind vorzugsweise historischen Inhalts und zeugen von sorgfältiger Quellenforschung. Ueberhaupt zeigte er als Lehrer der Geschichte einen seltenen Umfang von Kenntnissen, wobei ihm sein vorzügliches Gedächtniß zu Hülfe kam, das ihn jeden Augenblick in den Stand setzte, die speciellsten Angaben zu machen. Sein Hauptwerk kam erst nach seinem Tode heraus: „Geschichte des Herzogthums Pommern von den ältesten Zeiten bis zum Tode des letzten Herzogs“ (Berlin bei Flittner 1820, drei Theile). Der erste Theil kann vor der heutigen Kritik nicht bestehen, rief auch schon bald nach seinem Erscheinen Widerspruch hervor, die beiden letzten Theile sind noch heute brauchbar. Nach dem Ende der französischen Occupation Stettins versuchte S., das durch die Kriegsunruhen gänzlich aus seinem Zusammenhang gebrachte Archiv der Regierung, das in seinen älteren Theilen die wichtigsten Documente zur Landesgeschichte enthielt, neu zu ordnen und eine für die Verwaltung brauchbare Registratur daraus zu machen. Der Versuch mißlang, weil von unrichtigen Voraussetzungen ausgehend, aber das Verdienst erwarb sich S., auf diese Weise einen großen Theil werthvoller, von seinen Zeitgenossen wenig geachteter Archivalien von dem wahrscheinlichen Untergang gerettet zu haben. Vermählt war S. seit dem 24. April 1777 mit Friederike Behrens.

Koch, Beiträge zur Geschichte der Gelehrtenschulen zu Stettin. Darin auch ein chronolog. Verzeichniß von Sell’s Schriften.