ADB:Seele, Johann Baptist von
Karl Eugen von Württemberg unentgeltlich in seine hohe Karls-Schule auf. Unter den drei vortrefflichen Lehrern der Malerei, Joh. Friedr. Leybold für Zeichnen und Modellieren nach der Natur, Ad. Friedr. Harper für Landschafts- und Phil. Friedr. Hetsch für Geschichtsmalerei machte der Junge anfangs gute Fortschritte und durfte schon 1790 um einen Preis loosen. Aber im Frühjahr 1791 kam eine unter den Kunstzöglingen längst vorhandene Unzufriedenheit wegen allzuvieler Verwendung zu decorativen Arbeiten bei herzoglichen Neubauten zum offenen Ausbruch. Der später in Rom berühmt gewordene Maler Joseph Anton Koch brannte nach Straßburg durch und S., des Verkehres mit dem Flüchtling und [577] eigener Fluchtgedanken beschuldigt, wurde auf sein Betreiben von seinem Landesherrn zurückgefordert, angeblich „um ihn für seine bisherige schlechte Aufführung zu bestrafen.“ Immerhin aber hatte der junge Brausekopf in der kurzen Zeit schon so viel gelernt, daß er sich in Donaueschingen, wo sich noch jetzt viele Bilder von ihm befinden, mit Bestellungen vom Hofe und von Privatleuten fortbringen konnte. Im Jahre 1797 fand er auch in der Schweiz – wo und wie ist nicht bekannt – Beschäftigung. Sein Ruf wuchs durch Bildnisse von hohen Personen, wovon Erzherzog Karl, gemalt im J. 1800, besonders gerühmt ward. Ein großes Schlachtengemälde „Der Uebergang der Russen über die Teufelsbrücke“ lenkte die Augen des Herzogs (späteren Königs) Friedrich von Württemberg auf S.; er ernannte ihn im J. 1804 zu seinem Hofmaler und Privatgalleriedirector. Wie sich die Stuttgarter Künstler zu dieser Einschiebung eines Fremden verhielten, mag man in den Briefen von G. Schick (s. Haakh, Beiträge aus Württemberg zur neueren Deutschen Kunstgeschichte S. 125 und 131) nachlesen. Die Behauptung desselben, daß S. „auf schmutzigen Wegen Titel und Besoldung gesucht“ ist aus andern Quellen nicht zu belegen und man weiß, wie leicht Künstler bei solchen Gelegenheiten einander das Schlimmste unbewiesen nachsagen. Wenn aber Schick den „Husaren- und Dragoner-Maler“ tief unter sich und seine württembergischen Landsleute, Hetsch, Eberh. Wächter und Ferd. Hartmann stellt, so mag dafür die principielle Gegnerschaft des Classicisten gegen den Realisten zur Entschuldigung dienen. Denn an ächtem Malertalent stand S. ihnen allen nicht nach, wenn nicht sogar geradezu über allen. Schlachtenbilder in Oel mit Darstellungen aus den Kriegen seiner Zeit (in den Schlössern von Stuttgart und Ludwigsburg) lassen ihn als einen scharfen Beobachter und kecken, wenn auch nicht gleichmäßig sicheren Zeichner erkennen; seine höchst lebendigen Figuren wußte er gefällig zu gruppiren und coloristisch gut mit Luft und Landschaft, worin er von Harper viel gelernt hatte, in Verbindung zu setzen. Auch seine militärischen Genrebilder mit Beute-, Wacht-, Spiel-, Liebesscenen (s. die Aufzählung bei Nagler) geben die Soldatentypen seiner Zeit mit großer Treue und gutem Humor wieder; sie wurden theils von ihm selbst, wie z. B. das köstliche Blatt, „Franzosen auf dem Rückzuge“, theils von Kuntz, Schlotterbeck, Morace u. A. radirt und schmückten, schwarz oder colorirt ausgegeben, in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts weit herum in Süddeutschland die Wände der Schlösser und Wirthshäuser. Seine 12 Blätter württembergischer Regimentsbilder, radirt und colorirt von L. Ebner, sind ein Muster von künstlerisch behandelten Soldaten-Bogen und eine ganz zuverlässige Quelle für die Geschichte der Uniformen. S. war auch ein von seinen Zeitgenossen mit Recht hochgeschätzter Porträtist. Er bewies seine Kunst mit großen Gruppenbildern, wie „König Friedrich mit seinen Offizieren vor dem Schloß Monrepos“ (im Stuttgarter Schlosse) und zwei Darstellungen der im J. 1812 abgehaltenen Jagd bei Bebenhausen, eine davon gestochen von H. Lips als Titelkupfer zu Matthison, Das Dianenfest bei Bebenhausen. Es giebt von ihm aber auch zahlreiche Einzelbildnisse, z. B. mehrere von König Friedrich (darunter ein vorzügliches Brustbild, gest. von G. Rist), eines von dem Großherzog Karl Friedrich von Baden (wiederholt gestochen, am besten von Morace), von dem Bildhauer Scheffauer (gest. von Bittheuser), von dem Leibmedicus Klein (gest. von Langmayr), von dem Dichter Gotth. Stäudlin (einst im Besitze Friedrich Vischer’s). Für seinen Beruf zum Thiermaler zeugen nicht bloß seine, allerdings nicht gleich sorgfältig behandelten Pferde, sondern insbesondere auch die ganz vorzüglichen Jagdthiere und Hunde der Bebenhäuser Bilder.
Seele: Johann Baptist (von) S., Maler, geb. im J. 1774 (nicht 1775) zu Mößkirch (nicht Meersburg, Wolfach, Hüfingen), einem damals fürstenbergischen, jetzt badischen Städtchen, † in Stuttgart am 27. August 1814 als k. Hofmaler und Galleriedirector, kam in seinem zweiten Lebensjahre mit seinem Vater, einem fürstenbergischen Soldaten, nach Hüfingen bei Donaueschingen. Schon als sechsjähriger Knabe fing er an zu zeichnen und zu malen und entwarf, noch während er die Normalschule zu Donaueschingen besuchte, Schlachtenbilder aus dem siebenjährigen Krieg nach den Erzählungen seines Vaters. Der regierende Fürst von Fürstenberg, Joseph Wenzel und seine Schwiegertochter, (Marie) Antonie, eine geb. Prinzessin von Hohenzollern–Hechingen, gewährten dem jungen Künstler Aufmunterung und Unterstützung. Auf Empfehlung der Fürstin Antonie, deren Gemahl, Joseph Maria Benedict inzwischen (1783) zur Regierung gekommen war, nahm ihn im December 1789 HerzogNicht zu seinem Vortheile glaubte der von den Classicisten verachtete [578] „Husaren- und Dragoner-Maler“ seine Rivalen auf ihrem eigenen Felde aufsuchen und schlagen zu müssen. Schon im J. 1804 schuf er ein großes Gemälde „Josephs Traumdeutung“ (wo jetzt?) und im J. 1807 wagte er sich gar an eine Concurrenz für einen antiken Stoff. Die Cotta’sche Verlagsbuchhandlung hatte als Eigenthümerin des neu gegründeten Morgenblattes für gebildete Leser (s. Jahrg. 1807, S. 109 ff.) unter anderem einen Preis ausgeschrieben für eine Umrißzeichnung „Chryses, der vom Agamemnon zurückgewiesen wird“, nach Ilias I, V. 10–30. Unter 8 Bewerbern erhielt S. mit Einstimmigkeit der Preisrichter den ersten Preis von 40 Ducaten (s. ebenda S. 1098 ff.), sicher zur Ueberraschung der Stuttgarter Kunstfreunde, deren Stimmführer Heinrich Rapp wohl erkannt hatte (s. ebenda S. 512), daß im Fache der Schlachtenstücke Seele’s „kräftiger Genius am sichtbarsten walte“, wie er ihm denn auch im Jahre 1808 das Titelblatt des in Lithographie herausgegebenen Schiller’schen Reiterliedes mit der Schlußscene aus Wallensteins Lager übertrug. S. nahm es nun sehr ernsthaft mit den classischen Stoffen. Um das Jahr 1807 schmückte er das damals neu erbaute von Rauch’sche Haus am Marktplatz in Heilbronn mit Wandgemälden, „einem Ganymed, einer Hebe, einem Bacchus, einer Bacchantin in Lebensgröße, einer Minerva und einem Brustbilde“. Im J. 1808 nahm er sogar einen längeren Urlaub, um in München und Wien nach der Antike zu studieren. In München erhielt er aber auch viele Porträt-Aufträge, wovon besonders eine Gruppe, die Frau des französischen Gesandten Grafen Otto mit ihrer Tochter, Aufsehen machte (s. Morgenbl. Jg. 1809 S. 8). Nach seiner Zurückkunft malte er für König Friedrich einen Ganymed in Lebensgröße, der ihm im Jahre 1811 den mit Personaladel verbundenen Civilverdienstorden eintrug. Um dieselbe Zeit mögen auch die beiden Gegenstücke mit lebensgroßen Figuren (im Stuttgarter Schlosse) gemalt sein, Orest und Pylades vor Elektra und Hektors Abschied von Andromache, ein ungleich schwächeres Werk, das ganz besonders zeigt, mit welchem Unbehagen der Meister sich doch auf dem Kothurn des Classicismus bewegte; es leidet bis auf die Farbe hinaus an einer Süßlichkeit der Empfindung, die ihm sonst durchaus fremd ist. Schon seine Zeitgenossen wie der Kunstfreund Freiherr Karl Friedrich Emich von Uexküll-Gyllenband (in dem Anhang zu der von ihm herausgegebenen Lebensgeschichte Heinrich Schickhardt’s S. 130 f.), waren der Meinung, daß er als Classicist weit hinter seinen sonstigen Leistungen zurückgeblieben sei. Eines seiner letzten Werke war ein Christus am Kreuz, das er als Hauptaltarblatt für die Kirche zu Hüfingen stiftete. Seele’s Lebensweise scheint, wie seine Kunst, freier gewesen zu sein, als die seiner Stuttgarter Collegen; Uexküll nennt sie geradezu cynisch. Er heirathete die Tochter eines Tänzers, Namens Kösel und starb in zerrütteten Verhältnissen ganz unerwartet an einem Schlaganfalle, ohne die schöne Gelegenheit der Freiheitskriege als Schlachtenmaler ausgebeutet zu haben, eine Aufgabe, in die sein Schüler Jos. Joach. von Schnizer (A. D. B. XXXII, 176 f.), ehrenvoll für ihn eintrat.
- Vgl. Fickler, Kurze Geschichte der Häuser Fürstenberg, Geroldseck und von der Leyen, S. 82 f. (S.-A. aus dem Universal-Lexikon vom Großh. Baden). – Füßli, Allg. Künstlerlexikon, Th. 2, S. 1592 f.; – Nagler, N. a. Künstler-Lexikon, 171, 202 ff.; – Wagner, Gesch. d. h. Carlsschule (s. d. Reg.). – Strauß, Kleine Schriften, S. 374 Anm.