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ADB:Schwarzenberg, Friedrich Fürst zu (Erzbischof von Prag und Salzburg)

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Artikel „Schwarzenberg, Friedrich Fürst v.“ von Johann Friedrich von Schulte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 295–303, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwarzenberg,_Friedrich_F%C3%BCrst_zu_(Erzbischof_von_Prag_und_Salzburg)&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:37 Uhr UTC)
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Schwarzenberg: Friedrich Johann Josef Cölestin Fürst v. S., geboren als Sohn des Fürsten Josef zu Wien am 6. April 1809, † daselbst am 27. März 1885. Seine Mutter (Prinz. Pauline v. Aremberg) verbrannte auf dem Balle in Paris, den der österreich. Botschafter in Paris aus Veranlassung der Vermählung Napoleon’s mit Marie Louise gab (1. Juli 1810). Nachdem er für die Universitätsstudien im elterlichen Hause durch seinen Erzieher, den aus Württemberg gebürtigen Dr. Lorenz Greif (er machte ihn später zum Ehrendomherrn von Salzburg) vorbereitet worden war, studirte er an der Wiener Universität Philosophie und erhielt zugleich auf Veranlassung des mit Anton Günther befreundeten Greif durch Günther philosophischen Unterricht. Nach Zurücklegung des philosophischen Cursus studirte er ein Jahr die Rechte in Wien, wandte sich dann der Theologie zu, welcher er drei Jahre in Salzburg oblag, wo der spätere Cardinal Rauscher sein hervorragendster Lehrer war. Das vierte Jahr brachte er im fürsterzbisch. Alumnat in Wien zu. Dessen Leiter, der spätere Dompropst und Weihbischof Zenner in Wien, verweigerte ihm anfänglich die Aufnahme, weil er die Hochadeligen, die sich der Kirche aufdrängen, nicht möge, nahm ihn aber auf, als der Prinz demüthig darum bat und sich allen Anordnungen zu fügen versprach, was er musterhaft hielt. Nach Absolvirung der theologischen Studien bereitete er sich, da er noch zu jung war und auch Hindernisse seitens des Vaters fand, um die Weihen zu erhalten, auf das Doctorat vor, erhielt dann nach Ueberwindung des väterlichen Widerstrebens am 25. Juli 1833 die Priesterweihe durch [296] den Bischof von Linz, feierte seine Primiz in der Schloßkirche zu Krumau und verrichtete seine erste seelsorgerliche Handlung durch Spendung der Sterbesacramente an seinen am 19. Decbr. 1833 verstorbenen Vater. Hierauf wurde er Cooperator an der Dompfarrei zu Salzburg, zugleich Domicellar des Capitels. Nachdem am 28. Juni 1835 der Erzbischof Gruber gestorben war, postulirte das Domcapitel ihn einstimmig (die eigne Stimme und die eines abwesenden abgerechnet) zum Erzbischof, er nahm die Wahl mit der Erklärung an: „ich wage dem Willen Gottes nicht zu widerstehen“. Gregor XVI., entzückt darüber, daß wieder einmal ein Prinz aus einem deutschen Fürstenhause Geistlicher geworden war, präconisirte den noch nicht ganz 27jährigen am 1. Febr. 1836; seine Inthronisation und Consecration fand in Salzburg am 1. Mai 1836 statt. Im December 1841 machte er seine erste Reise nach Rom, wurde vom Papste mit beispielloser Freude aufgenommen und im Consistorium am 21. Jan. 1842 zum Cardinalpriester vom Titel des h. Augustin erhoben, noch nicht ganz 32 Jahre alt, der jüngste Cardinal, der wol im 19. Jahrhundert gemacht wurde. Bereits im J. 1838 war ihm nach dem Tode des Grafen Ankwicz das Erzbisthum Prag angeboten und von ihm abgelehnt worden; bei der neuerlichen Erledigung durch den Tod des Freih. v. Schrenk im J. 1849 erfolgte ein neues Anerbieten, das er mit großem Widerstreben auf Drängen Pius’ IX. annahm, worauf die kaiserliche Ernennung, päpstliche Präconisation und am 15. August 1850 die Inthronisation in Prag erfolgte. Diese Stellung hatte er bis zum Tode inne. – S. hat nichts geschrieben – die von Wurzbach angeführte Meinung, daß er Verfasser von Artikeln im „Vaterland“ sei, die sich gegen mich wenden, ist absolut haltlos, – verdient aber eine eingehende Besprechung, weil er für die Entwicklung der Verhältnisse in Oesterreich eine thatsächlich hervorragende Bedeutung hat. Um diese richtig zu erkennen, ist es nöthig, die Persönlichkeit und ihr Wirken zu schildern. Der äußeren Erscheinung nach war er ein schöner Mann: groß, schlank; ein klares Auge, wahrhaft fürstliche Haltung, schönes Organ – er sang vortrefflich und war musikalisch gebildet –, sehr deutliche Ausprache, würdevolle Bewegung gaben seinen kirchlichen Functionen einen Reiz, der auf Jeden wirkte. Seine liebste Thätigkeit war das Abhalten feierlicher Kirchenacte; an den kirchlichen Hochfesten fuhr er in dem alten vergoldeten, mit Glaswänden und Gemälden gezierten Galawagen, bespannt mit sechs Rappen, Bedienten hinten aufstehend und zur Seite jedes Pferdepaares, vom Palaste zum Veitsdome; er sagte mir eines Tages: „Die gewöhnlichen Leute sehen im Prager Erzbischof nur einen Herrn, der 100 000 Gulden Einnahme hat und an hohen Feiertagen zur Kirche im goldenen Wagen mit sechs Rossen bespannt fährt.“ Ab und zu hielt er in Salzburg wie in Prag auch eine Predigt, insbesondere zu Neujahr. Als Bischof kamen ihm, soweit die Pontificalacte in Betracht kamen, wenige gleich. Er hielt auf seinen Firmungsreisen regelmäßig eine Predigt und besuchte die Volksschulen des Orts. Solange er in Salzburg war, nahm er diese Reisen stets selbst vor, ebenso in Prag bis zum Jahre 1873, wie ich aus eigener Kenntniß weiß. Sie wurden vorher angekündigt, z. B. durch Erlaß vom 30. Aug. 1862 für den Monat September in 13 Orten vom 5.–25., 1863 für April (23.–30.) in 7, Mai (1.–14.) in 10, Juli (8.–31.) in 18 Orten, 1864 vom 11. Juni bis 20. Juli in zwei Decanaten. Bezüglich der Verwaltung leitete er regelmäßig die Sitzungen seines Consistoriums, nach denen die Mitglieder zum Mittagsessen bei ihm blieben. Er war allerdings nicht mit den genügenden Kenntnissen ausgestattet, um den Einfluß einzelner Personen fernzuhalten, indessen selbständig genug, um jeder ihm auffallenden unbegründeten Begünstigung entgegen zu treten und Feind jedes Unrechts. Seinem Stande und Berufe mit ganzer Seele ergeben, fromm und [297] kirchlich gesinnt nahm er an allen Handlungen theil, welche darauf abzielten, die Stellung der Kirche zu bessern. Seine Würde als ältester Cardinal in Oesterreich und bis 1850 als Erzbischof von Salzburg, der sich noch stets als Primas Germaniae bezeichnet, brachte es mit sich, daß er seit 1848 äußerlich hervorragend auftrat. Er berief seine 6 Suffraganbischöfe zu einer Versammlung, die vom 31. Aug. bis 10. Sept. in Salzburg abgehalten wurde und an den Reichstag in Wien unterm 14. Sept. eine Eingabe sandte, worin die „Freiheit der Kirche“ gefordert und näher bezeichnet wird, er führte den Vorsitz bei der im October und November 1848 zu Würzburg abgehaltenen Versammlung der deutschen Bischöfe, zeichnete an erster Stelle deren „Hirtenworte an die Gläubigen“ vom 10. Nov., „Denkschrift“ vom 14. Nov., Schreiben an den Clerus vom 15. Nov.; er leitete die im Juni 1849 zu Wien stattgefundene Versammlung der österreichischen Bischöfe und zeichnete deren Eingaben; er legte die Begründetheit der am 18. und 23. April 1850 erlassenen kaiserlichen Entschließungen in einem Hirtenbriefe vom 2. Mai dar. Vom Juni 1849 an stand er unter dem dominirenden Einflusse des spätern Cardinals Rauscher, dessen Ansichten er sich, außer in den politischen Dingen seit 1859, auch dann fügte, wenn es gegen seine Neigung ging. So wollte er die Fuldaer Versammlung 1867 besuchen, ließ sich aber durch einen Brief Rauscher’s, den er mir zu lesen gab, davon abhalten – die ihm übersandten Protocolle der Versammlung hat er mir selbst zur Benutzung längere Zeit gelassen. Einen eigentlichen Einfluß hatte er seitdem auf die kirchlichen Verhältnisse in Oesterreich nicht, schloß sich aber, wie sich zeigen wird, allen Schritten des Episcopats an. – S. hat als Bischof eine Reihe von Einrichtungen ins Leben gerufen, von denen er sich Hebung des kirchlichen Lebens versprach. Dabei leitete ihn ganz besonders die Ueberzeugung, daß durch einen frommen Clerus und Erweckung der Religiösität im Volke die Revolutionen vermieden würden, vor denen er durch die im J. 1848 in Salzburg gemachten bitteren Erfahrungen – er war trotz aller Verdienste den heftigsten und theilweise gemeinen Angriffen in der Presse u. s. w. ausgesetzt – eine große Furcht hatte. In Prag trat die Ueberzeugung hinzu, das am Hussitismus hangende tschechische Volk durch kirchliche Mittel zu aufrichtigen römischen Katholiken zu machen und dem deutschen Liberalismus den Boden zu untergraben. Weiter wirkte sein mildthätiger Sinn. Einzelne dieser Einrichtungen stehen im Widerspruche mit Ueberzeugungen, denen er treu anhing, finden aber ihre Erklärung in den später hervorzuhebenden nationalen und politischen Vorgängen, sowie in der persönlichen Stellung. In der Diöcese Salzburg hat er an mehreren Orten Krankenhäuser der barmherzigen Schwestern vom h. Vincenz auf seine Kosten, ferner ein Knabenseminar wesentlich aus seinen Mitteln dotirt und auch von Prag aus reiche Jahresbeiträge geleistet. Vom J. 1850 an gab er in diesem Punkte der neueren Strömung nach. Dies zeigt sich in der Errichtung eines Knabenconvictes, Zulassung der Jesuiten in Prag (1864), deren Niederlassung er auch nach dem Erwerbe eines Hauses wiederholt abschlug und endlich sich von der Kaiserin Maria Anna förmlich abringen ließ, die Einführung des Bonifaciusvereins zur Unterstützung der Katholiken in protestantischen oder gemischten Gegenden durch einen Hirtenbrief vom 5. Juni 1861, der St. Michaelsbruderschaft (gegründet, um durch Gebet und Gaben den Papst zu unterstützen, eigentlich aber um die Mittel für ein päpstliches Heer zu schaffen) durch einen Hirtenbrief des böhm. Episcopats vom 29. Juni 1861, welcher sich wesentlich nur mit der weltlichen Herrschaft beschäftigt, ganz besonders in den Priester-Exercitien. Sie wurden im Gebäude des Seminars (in den Ferien) durch 5 Tage gehalten, 1859 und 1860 ausgesetzt, ebenso 1863, 1864 am 31. Mai mit dem Bemerken angekündigt, daß P. Theodor Schmude S. J. sie halten werde, 1865 [298] am 2. August mit dem Zusatze angekündigt, daß zwei bewährte Ordenspriester sie leiten würden; später ließ man die Angabe der Leitung fallen. Es liefert die Zuziehung eines Jesuiten zu diesem Acte den stärksten Beweis dafür, daß S. fremdem Einflusse nachgab. Denselben liefert die Zulassung der Abhaltung von Volksmissionen durch Jesuiten in Prag und anderen Orten seit 1862. Ein weiterer Beweis dafür, daß er der zunehmenden Veräußerlichung der Religion nicht mehr widerstand, liegt infolge des auf dem Provinzialconcil von 1860 gefaßten Beschlusses in der Einführung des sog. 40 stündigen Gebets (Aussetzung der consecrirten Hostie durch 40 Stunden) in der Weise, daß sie das ganze Jahr hindurch von einer Kirche zur anderen wechselt; zuerst in Prag durch Hirtenbrief vom 17. April 1865. Zeigte sich so S. auf der einen Seite der ultramontanen Strömung zugänglich, so war er auf der anderen bemüht, die kirchlichen Zustände zu bessern. Er hielt, nachdem Rauscher 1858 vorangegangen war, im J. 1860 eine Provinzialsynode, die sich durch eine gewisse Vorsicht bezüglich philosophischer Fragen auszeichnet und wirkliche Verbesserungen in Aussicht stellte, hielt 1863 eine Diöcesansynode, schuf ein Gericht in kirchlichen Angelegenheiten, wozu in Strafsachen auch Beisitzer aus dem Clerus gezogen wurden, und gab ihm eine 1870 verkündete Instruction, die einen Fortschritt enthält, führte Pastoralconferenzen ein, gründete einen Fond zur Unterstützung hülfsbedürftiger Priester unter dem Namen St. Adalberti-Häredität (1862), einen Dombauverein, der die Herstellung und den Ausbau des Prager Domes bereits bedeutend gefördert hat, gab seit 1861 ein Ordinariatsblatt heraus, das periodisch alle wichtigeren Erlasse (kirchliche, staatliche) und Angelegenheiten kundmachte.

Für die Geschichte hat, wie bereits angedeutet wurde, S. seine Bedeutung in der politischen, politisch-kirchlichen und nationalen Thätigkeit, deren Richtungen bei ihm zusammen fallen. Er war seiner Gesinnung und den Traditionen seines Hauses nach durchaus conservativ. Im Adel sah er das eigentlich staatserhaltende Fundament. Liebenswürdig war er als Mensch und Bischof gegen Jeden; an den Tagen, wo er Audienz gab, mit Ausschluß der Sitzungstage an allen Werktagen, wurde Jeder vorgelassen, ob er Bettler oder Fürst war. Aber das schloß nicht aus, daß er ausschließliche Diners für den Adel gab, wobei nach Classen geschieden wurde, adelige Soireen gab, selbst nur in adeligen Häusern zu Bällen, Diners und Soireen ging; der „Fürst“ war das einzige Wort, mit dem er von weltlicher und geistlicher Dienerschaft bezeichnet wurde. Die deutsche Herkunft trat in den Hintergrund, er fühlte sich als Oesterreicher und Böhme. Bis 1860 war er warmer Oesterreicher, seitdem brachte der tschechisch gesinnte Adel es fertig, daß der Oesterreicher bei ihm hinter den Böhmen trat. Von größtem Einflusse auf diese Wandlungen waren insbesondere Graf Leo Thun, in dem selbige ebenfalls erfolgt war, sodann Gf. Heinrich Clam-Martinitz, der aus einem Werkzeuge Bach’s ein heftiger Tscheche geworden war, sein Vetter Fürst Karl Schwarzenberg, dessen Schwager Fürst Karl v. Oettingen-Wallerstein, sein Neffe Fürst Georg v. Lobkowitz, später auch Graf Friedrich v. Schönborn, neben diesen aber die tschechischen Geistlichen, auf welche er sich angewiesen sah, vor allem ein gewisser Karl Prucha, den S. zum Seminardirector machte, und der dann Domherr und zuletzt Weihbischof wurde und sich im November 1883 erhängte. Dieser wußte durch ein sentimental-ergebenes Wesen, seine einschmeichelnde Haltung, seine scheinbar selbstlose Thätigkeit, seine unleugbare Geschicklichkeit ihn ganz einzunehmen. Da S., dem es nicht an Verstand fehlte, die zur selbständigen Verwaltung nöthigen Kenntnisse nicht besaß und nach seiner Entwicklung und als hoher Herr nicht gelernt hatte, mit dem Clerus und Volke anders umzugehen, als durch Pontificalämter, Predigt und Spenden von Almosen, Audienzen u. dergl., mußte er zur Abhängigkeit von tschechischen Organen kommen. Diese [299] wußten es in ihrer Schlauheit so zu machen, daß er nicht merkte, wie er mißbraucht wurde. In den Deutschen sah er Liberale, womöglich zum Protestantismus neigende, in den Tschechen die Unterdrückten. Er theilte den deutschen Erbfehler, sich der angeblich unterdrückten interessanten Natiönchen anzunehmen. So hat er mir selbst erzählt, daß er als Student gern mit seinen Genossen tschechisch gesprochen habe. Fertig hat er nie diese Sprache gesprochen, wenn auch Wurzbach erzählt, daß er in Krumau „gut böhmisch lernte“; er ließ sich die für tschechische Orte bestimmten, deutsch aufgesetzten kurzen Predigten von seinem Ceremoniär übersetzen und mit der Silbenlänge bezeichnen. Die tschechischen Geistlichen haben sich oft darüber lustig gemacht, priesen ihn aber schlauerweise als den edlen, unparteiischen Bischof. Im Seminar wurde der Tschechismus maßgebend, den Deutschen das Leben verleidet. Sein Suffragan in Budweis, Jirsik, war Erztscheche, der in Königgrätz ein alter Mann, der in Leitmeritz zwar Deutscher, aber erzultramontan. S. hatte im J. 1848 aus der Revolution gleich allen Bischöfen für die „Kirche“ Nutzen gezogen, auf die vom Kaiser Franz Josef am 4. März 1849 erlassene Verfassung durch einen Hirtenbrief hingewiesen, sich aber nicht dazu verstanden, deren Aufhebung auch zu beloben. Das Patent vom 20. Oct. 1859 war nach seinem Herzen. Er nahm allerdings seit 1861 am Reichsrathe theil, war aber mit der Sistirung der Verfassung am 20. Sept. 1865 einverstanden, weil sie von einem Minister nach seinem Herzen, Gf. Belcredi, ausging, hielt seitdem an dem „böhmischen Staatsrecht“ und stimmte den Adressen der Majorität des böhmischen Landtags, besonders der berüchtigen vom 5. Oct. 1870, welche die „Souveränetät des Staates Böhmen“ proclamirt, ebenso der etwas schlaueren von 1871 zu und ging mit der neuesten Aera Taaffe. Wie sehr S. seit 1860 in das tschechisch-nationale Fahrwasser steuerte, zeigen einzelne sprechende Thatsachen. Der erbittertste Tscheche und Deutschenhasser Stulc war wegen Hochverraths verurtheilt, wurde dann aber nach verbüßter Strafe zum Domherrn des Capitels vom Wischerad erwählt und von S. bestätigt. Alle dem slavischen Interesse dienlichen Dinge wurden gefördert: die Bruderschaft der hh. Cyrill und Method 1861 aufgenommen, am 1. Nov. 1861 ein eigener Verein S. Prokopi-Häredität zur „Unterstützung theol. Schriftsteller und Herausgabe gediegener Werke aus allen Zweigen der kath. Theol. in böhmischer Schriftsprache“ errichtet, im J. 1863 das Fest der Heil. Cyrill und Method durch einen gemeinsamen Hirtenbrief der Bischöfe Böhmens angekündigt, mit vollkommenem Ablaß. Alle im ultramontanen Sinne gegründeten Vereine wurden officiell dem Clerus empfohlen: im Ord.-Bl. Nr. 6 u. 7 von 1870 der „kath. Preßverein“ in Prag, Nr. 11 die „kath. Männervereine“, am 16. Aug. 1871 der „katholisch-politische Verein“ für das Königreich Böhmen. Jede sich katholisch nennende Unternehmung fand amtliche Empfehlung, z. B. 1864 (Ord.-Bl. S. 22) die mit einem Zeugniß des Erzb. v. Vicari von Freiburg als gut katholisch beglaubigte Buchhandlung von Karl Sartori in Wien, der Würzburger Broschürenverein (Ord.-Bl. 1864, S. 185), der Soester Broschüren-Cyclus (Ord.-Bl. 1868, S. 154), die „Kath. Weckstimmen“ und eine Reihe ähnlicher Bücher und Zeitschriften. Der Ton gegenüber den Protestanten wurde allmählich schroffer. Im J. 1865 (Ord.-Bl. S. 108) wird bezüglich der „Nachtrauung der Eheleute gemischten Religionsbekenntnisses vor dem akatholischen Pastor, welche leider … bisweilen vorkommt“, verfügt. Seit 1870 wird’s anders. Mit Urtheil vom 10. Febr. 1870 (Ord.-Bl. S. 25) wird der Priester C. M. wegen Abfalls „zum ketzerischen Augsburgischen Bekenntniß“, vom 9. Sept. 1870 (das. S. 100) K. A. J. „wegen offener Annahme der Augsb. Ketzerei“ excommunicirt und als zu „vermeidender Excommunicirter“ erklärt. Während bis auf das Jahr 1860 die wirklich gläubigen katholischen Männer auch in dem „Katholikenverein“ jeder [300] politischen Thätigkeit sich enthalten hatten, trat seitdem die gegentheilige Richtung ein. Außer den bereits genannten war eine Reihe älterer und jüngerer Adeliger unablässig bemüht, das ultramontane und nationale Element durch denselben zu fördern; seit 1866 siegte diese Richtung vollends: Die Deutschen, insbesondere die deutschen Politiker im Landtage und Reichsrath, tragen einen großen Theil der Schuld, indem sie durchweg persönlich völlig indifferent weder das Geringste thaten, um zu einer Besserung der kirchlichen Zustände und der Lage des Clerus beizutragen, noch den ultramontanen Bestrebungen ein anderes Gegengewicht entgegen stellten, als Lächeln oder Angriffe in der jüdischen Presse. So gelang es denn, den deutschen Clerus auf die ultramontane Seite zu ziehen oder doch zur Passivität zu veranlassen; der tschechische war stets national, bis 1848 der wahre Träger der tschechischen Nationalität und Sprache gewesen. Ihn benutzte jetzt der Adel. Der Cardinal hat durch seinen Eintritt in das tschechische Lager den Sieg der Partei entschieden, weil er als Erzbischof und nach der historischen Tradition als Primas des Königreichs, als Fürst Schwarzenberg und Cardinal den Vereinigungspunkt bildete. Ohne seinen Zutritt hätte die tschechische Richtung im böhmischen Großgrundbesitze niemals die Mehrheit erlangt, damit auch nicht die Mehrheit im Landtage. Wie er sich bemühte, auch in Wien dem tschechischen Elemente Boden zu schaffen, ist in der Biographie Rauscher’s (s. A. D. B. XXVII, 449) gezeigt. Hierin liegt seine Bedeutung.

Wie aber diese Entwicklung die Folge verschiedener Umstände war, so ist die Stärkung, welche er der kirchlich-ultramontanen Partei verschafft hat, gleichfalls das Resultat verschiedener Dinge. Er war von Haus aus nicht ultramontan, war erzogen und groß geworden in den allerdings abgeschwächten, aber doch immer noch vorhandenen Ideen des Kirchenregiments auf der Grundlage der kais. kgl. Verordnungen in publico-ecclesiasticis. Er erzählte mir einmal, daß ein Suffragan, dem er bemerkt habe, daß das Tridentinische Concil (es handelte sich um eine Eheschließung) entgegenstehe, ihm erwiderte: „Dies Concil ist mir nicht durch die Statthalterei bekannt gemacht“. Das Jahr 1848 lenkte ihn in andere Bahnen. Er hatte den aufrichtigen Willen, von der Freiheit der Kirche einen Gebrauch zu machen, der die Lage des Clerus bessere, dem Rechte Geltung verschaffen und das kirchliche Leben heben sollte. Er war fern von Bigotterie, Feind der geistigen Dressur, aber es fehlten ihm die Kenntnisse, die Entschiedenheit, um selbständig zu handeln, die Menschenkenntniß, um die richtigen Organe zu wählen und ganz besonders hing es ihm stets an, daß er als junger Mann ohne Erfahrung Bischof geworden auf fremde Kräfte angewiesen war und als Fürst ein wirkliches Arbeiten nicht kannte. Er hing mit Ueberzeugung und Liebe an seinem Lehrer Günther und dessen Philosophie, gab sich auch alle Mühe, das Verbot von dessen Schriften zu verhindern. Nachdem dies erfolgt war, schwieg er, ließ aber sowol den Theologen Ehrlich ungestört an der theologischen Facultät in Prag lehren, als auch den Güntherianer Löwe, einen Laien, der durch ihn Professor der Philosophie in Prag wurde, einen Vetter Veith’s und gleich diesem getaufter Jude, in seinem Seminar unausgesetzt die Philosophie vortragen, bis derselbe nach eingetretener Pensionirung von Prag fortzog, stand zu Günther und Veith in dem Verhältnisse ungeschwächter Anhänglichkeit bis zu deren Tode. Er wünschte, daß der Clerus eine wirklich gründliche wissenschaftliche Bildung erlange, war aber zu schwach, um dem Einflusse Rauscher’s entgegen zu treten und ließ sich den theologischen Studienplan, den die Wiener Bischofsversammlung 1856 feststellte, gefallen. Er übernahm das ihm von Pius IX. für die deutsch-österreichischen Länder übertragene Mandat der Ordensreform, delegirte aber zu dessen Ausführung andere. Ich habe vom ersten Tage meiner Thätigkeit in Prag (Sept. 1854) bis zum Jahre 1870 sein unbedingtes [301] Vertrauen besessen, wie vielleicht kein Anderer, habe ihm oft Vorstellungen gemacht, die er gut aufnahm; handelte es sich aber darum, der Tschechisirung im Seminar und der Kameraderie seitens der von ihm begünstigten Leiter entgegen zu treten, so sah er in mir den befangenen deutschen Gelehrten. Es würde zu weit führen, Beispiele mitzutheilen. Als im J. 1856 das Ehegericht ins Leben gerufen wurde, haben die von ihm dafür ausgewählten Personen in zahlreichen Sitzungen unter seinem Vorsitze berathen, er hat allen wesentlich von mir gemachten Vorschlägen zugestimmt. Noch heute darf ich sagen, daß die Thätigkeit des Prager Gerichts zu keinen Klagen Anlaß gegeben hat. S. war Gegner des Dogmas von der unbefleckten Empfängniß, hat dagegen gestimmt und war der Einzige, welcher bei dem bekannten Einsturze des Zimmerbodens in S. Agnese nicht mit Pius IX. herunter kollerte, sondern auf einem Balken stehen blieb. Er billigte den Syllabus nicht. Aber er ließ die Bulle Quanta cura nebst Syllabus lateinisch, deutsch und tschechisch publiciren. Daß er alle päpstlichen Erlasse, welche die Klagen über die Beraubung des Kirchenstaats enthalten, publicirte, zuletzt am 24. Oct. 1870 den Papst auch im schlichten Sinn der Gläubigen „als Gefangenen“ erscheinen ließ, ist von dem Cardinal und conservativen Manne zu begreifen. Man wird es ebenso nach dem Gesagten begreifen, daß er die Adresse der Bischöfe vom 28. Sept. 1867 an erster Stelle unterschrieb und nebst der vom 6. Mai 1861 in seinem Ordinariatsblatte verkündete. Als der Minister Giskra auf Grund des Gesetzes vom 25. Mai 1868, welches die „Gerichtsbarkeit in Ehesachen ausschließlich“ den weltlichen Gerichten zuweist, die Ungeschicklichkeit beging, zu verbieten, daß die geistlichen Gerichte sich als Ehegerichte bezeichneten und gegen die Instruction der böhmischen Bischöfe vom 3. Juni 1868 im „objectiven Verfahren“ – den Cardinal unter Anklage zu stellen fehlte der Muth – ein Strafurtheil erwirkte, legte er dagegen einen vergeblichen Recurs an den obersten Gerichtshof ein. Es war eine Thorheit, der Kirche für ihr Gebiet die Ausübung einer Gerichtsbarkeit zu untersagen; dieser Giskra’sche Act hat sehr geschadet. Ich habe S. den Recurs gemacht und ihn veranlaßt, für die Urtheile fortan eine Form zu wählen, nach welcher die ganze Verantwortlichkeit auf ihn fiel. Der Giskra’sche Ukas blieb ein Schlag ins Wasser; die Thätigkeit der geistlichen Gerichte sank zur Unbedeutendheit herunter, weil nur noch das bürgerliche Recht galt. Da dies sich voraussehen ließ, war jener Schritt zwecklos, erbitterte aber. S. publicirte die päpstliche Allocution vom 22. Juni, welche die österreichischen Gesetze verdammt und null und nichtig erklärt, im Ordinariatsblatte (1868, S. 113 ff.). Das ließ man sich gefallen. Von diesem Augenblicke an war S. mit Leib und Seele der tschechisch-ultramontanen Partei zugethan, nachdem schon vorher das letzte Band gelöst war, welches ihn an das Deutschthum knüpfte, nämlich durch den Krieg von 1866. Obwol auch Bischof für ein in Preußen gelegenes Gebiet, die Grafschaft Glatz, schreibt er in einem Hirtenbriefe vom 24. Juni 1866: „Vertrauen und die feste Ueberzeugung von dem guten Rechte Oesterreichs, das den Frieden wollte und den Krieg nicht suchte; einen Krieg, den nur der Ehrgeiz und der unbändige Uebermuth seiner treulosen Nachbarn heraufbeschworen hat.“ Er gab sich dazu her, um diesen Schatz vor den „räuberischen Preußen“, wie es hieß, zu retten, das silberne Grabmal des sog. „h. Johann von Nepomuk“ und selbst die Gebeine, die darin lagen, einzupacken und nach Salzburg zu senden; meine Vorstellung, daß es blödsinnig sei, anzunehmen, daß eine preußische Armee Kirchensilber, oder gar Knochen confiscire, rührte ihn nicht. Die tschechische Partei hatte ihn bestimmt, um dann aus der Zurückführung der Reliquien eine nationale Demonstration zu machen. Er ging dem General v. Rosenberg vor den Thoren Prags [302] entgegen und bat ihn um Schonung. Mit der Lösung des deutschen Bundes ging es ihm, wie den meisten Oesterreichern: das deutsche Nationalgefühl verschwand. Während es aber seitdem bei den Deutsch-Oesterreichern zurückkehrte, hatte S. es der Politik gänzlich geopfert.

Der schwerste Kampf blieb ihm vorenthalten, die Unterwerfung unter das vaticanische Dogma. Er gehörte zu dessen unbedingten Gegnern. Ich habe an anderer Stelle eingehend darüber geschrieben. Im Ordinariatsblatt von 1871 S. 5 ff. wird die Vertagungsbulle vom 20. October 1870 und hierauf ohne jede Unterschrift „dem wohlehrwürdigen Klerus der Wortlaut der von Seiner Heiligkeit in der dritten und vierten Sitzung des Concils erlassenen Decrete zur Kenntniß gebracht“, nur im lateinischen Wortlaut. S. hat an die neuen Dogmen nicht geglaubt, dieses von Niemand gefordert; er fügte sich stillschweigend, weil er nicht die Kraft besaß, offen zu widerstehen, nachdem die übrigen Bischöfe gefallen waren. Seine persönliche Stellung ist zur Genüge dadurch gezeichnet, daß ich ihm die von mir und einzelne von andern gegen das Vaticanum bis Ende März veröffentlichten Schriften jedesmal persönlich überreicht, gleich den das Vaticanum perhorrescirenden Löwe und Prof. Sal. Mayer (seinem Theologen auf dem Concil, später Abt von Ossegg) zu ihm ununterbrochen bis zum Weggange aus Prag (April 1873) in Verkehr gestanden habe.

S. übte eine Wohlthätigkeit, welche oft mißbraucht wurde. Sie und seine fürstliche Art brachten es mit sich, daß die Einnahmen aus den Gütern stets niedriger waren, als sie hätten sein sollen – die der Beamten stiegen –, und daß er sein privates Vermögen wohl so ziemlich zugesetzt haben wird. Er selbst war als Mensch nach jeder Richtung vortrefflich. Was Varnhagen v. Ense auf Grund der Mittheilung eines Mannes, den zu unterstützen dem Cardinal schließlich leid geworden war, erzählt, halte ich für Klatsch. In seinem Wesen hatte er bei aller Feinheit und Würde etwas kindlich zutrauliches; er konnte in seinen Mittheilungen oft förmlich weich gestimmt werden. Aus demselben Zuge erklärt sich seine Güte und ein gutmüthig-humoristischer Zug, der allem die beste Seite abgewann. Eine Begebenheit der Art – sie begegnete ihm in einem Dorfe in der Grafschaft Glatz, nicht in Böhmen, wie Wurzbach sagt; S. hat die Sache selbst in meiner Gegenwart bei einem Diner unmittelbar nach der Rückkehr erzählt – ist charakteristisch. Bei einer Visitation fragt der Schullehrer: wer hat’s Pulver erfunden? und sucht, als kein Kind den Finger erhebt, durch Aussprechen der Anfangsbuchstaben darauf zu leiten. Ein kleines Mädchen platzt nun aus: „der Kardinal Schwarzenberg“. Mein lieber Schulmeister sich tief verneigend: „Se. Eminenz u. s. w. ist zwar ein großer Herr, aber das Pulver hat nicht er, sondern B. S. erfunden.“ Der Cardinal beruhigt ihn und gibt ihm vollkommen recht.

S. hat 1841, 1854, 1862 zur Feier der japanesischen Märtyrer, 1869/70 zum Concil und zuletzt Rom besucht bei der Papstwahl nach dem Tode Pius’ IX. Er war dabei einer der vier noch von Gregor XVI. ernannten, seit dem Juni 1879 der einzige noch lebende der von Gregor XVI. ernannten Cardinäle. Zeitlebens werde ich mich seiner Worte erinnern, die er eines Tags im J. 1871 zu mir sprach: „Wie herrlich stand die Kirche und der Kirchenstaat, als ich von Gregor XVI. zum Cardinal ernannt wurde, und was hat daraus Pius gemacht.“ Das vaticanische Concil hatte ihm das Leben verbittert. Ich bin überzeugt, daß die inneren Zustände Oesterreichs, an denen er sein gutes Theil verschuldet hatte, seine letzten Jahre nicht verschönert haben. Denn er war zu edel, um an dem Treiben von Leuten Gefallen zu finden, denen er keine Achtung zollte.

[303] v. Wurzbach, Lex. XXX. – P. Knoodt, Anton Günther (s. d. Inhaltsverzeichniß), Wien 1881. – Meine Geschichte des Altkatholicismus, S. 68 f. 110. 242 ff. Gießen 1887.