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ADB:Schwartz, Friedrich (2. Artikel)

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Artikel „Schwartz, Christian Friedrich“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 273–277, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwartz,_Friedrich_(2._Artikel)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 07:08 Uhr UTC)
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Schwartz: Christian Friedrich Sch.[WS 1], einer der namhaftesten evangelisch-lutherischen Missionare in Indien, ist am 22. October 1726 zu Sonnenburg in der Neumark, dem alten Sitze des Johanniterordens, als Sohn eines in dürftigen Verhältnissen lebenden, dem Pietismus ergebenen Bäckermeisters geboren. Er besuchte bis zur Confirmation die Schule seiner Vaterstadt, dann das Gymnasium in Cüstrin und bezog 1746 die Universität Halle, um Theologie zu studiren. Hier lernte ihn der gleichfalls aus Sonnenburg gebürtige Missionar Benjamin Schultze[WS 2] kennen, der von 1719–43 in Trankebar und Madras gewirkt hatte. Dieser nahm sich seiner an und verschaffte ihm Freitische sowie eine Lehrerstelle an der deutschen Schule der Francke’schen Stiftungen. Von seinen akademischen Lehrern wirkten besonders Gotthilf August Francke, Baumgarten, Knapp, Freylinghausen und Michaelis nachhaltig auf ihn ein. Nachdem sich bereits im zweiten Semester seines Studiums die damals [274] in Pietistenkreisen übliche „Erweckung“ an ihm vollzogen hatte, faßte er den Entschluß, als Missionar nach Indien zu gehen. Sein Gönner Schultze unterrichtete ihn daher im Tamulischen und verwendete ihn bei den Vorbereitungen zu dem schließlich nicht zu Stande gekommenen Drucke seiner tamulischen Bibelübersetzung. 1749 forderte ihn G. A. Francke auf, in den dänischen Missionsdienst einzutreten. Er folgte diesem Antrage mit großer Bereitwilligkeit, reiste nach Kopenhagen, um sich hier prüfen und ordiniren zu lassen, verabschiedete sich darauf in Sonnenburg und Halle von seinen Verwandten und Freunden und begab sich dann nach London, um sich hier im Gebrauche der englischen Sprache zu vervollkommnen. Während seines Londoner Aufenthaltes schloß er Freundschaft mit Georg Whitefield, dem Vater des Methodismus. 1750 fuhr er gemeinsam mit seinen Gefährten David Poltzenhagen[WS 3] und Georg Hüttemann[WS 4] nach Indien ab, um dort die verstorbenen Missionare Obuch[WS 5] und Dal[WS 6] zu ersetzen. Nach kurzer und glücklicher Fahrt landete er am 17. Juni 1750 in Kuddalur, wo ihn Missionar Kiernander mit großer Freude empfing. Nach einem kurzen Aufenthalte reiste er weiter nach Trankebar, wo damals fünf Missionare, die Deutschen Wiedebrock[WS 7], Kohlhoff[WS 8], Zeglin[WS 9], Klein[WS 10] und der Däne Maderup[WS 11] wirkten. Die Mission befand sich um diese Zeit in einem Zustande ruhiger, gesunder Entwicklung. Die Gemeinde zählte in der Stadt und ihrer Umgegend über 5000 Seelen. Sch. erweiterte zunächst seine Kenntnisse im Tamulischen und begann mit dem Studium der portugiesischen Sprache. Ende 1750 hielt er seine erste tamulische Predigt, und im folgenden Jahre begann er in der tamulischen Kinderschule zu unterrichten. Nachdem er sich körperlich und geistig acclimatisirt hatte, unternahm er eine Reihe von Predigtreisen in die weitere Umgegend der Stadt. Da er aber wenig Erfolg sah und überdies die Sittlichkeit der ihm anvertrauten Gemeindeglieder trotz aller Ermahnungen viel zu wünschen übrig ließ, überfiel ihn eine düstere Schwermuth. Um sich zu zerstreuen, studirte er die profane und theologische Litteratur der Tamulen und betheiligte sich eifrig an der von Johann Philipp Fabricius begonnenen Revision der tamulischen Bibel. Als 1756 sein Freund Poltzenhagen nach den damals von Dänemark besetzten Nikobaren ging, um dort die Gründung einer Missionsstation vorzubereiten, übernahm er an dessen Stelle die Leitung der portugiesischen Schule und die geistliche Versorgung der portugiesischen Gemeinde in Trankebar. Er mußte sie auch behalten, da Poltzenhagen kurz nach seiner Ankunft auf den Nikobaren vom Fieber hinweggerafft wurde. Da ihm aber das Klima in Trankebar auf die Dauer nicht zusagte, beschloß er unter Zustimmung seiner Mitarbeiter, eine Reihe gröserer Missionsreisen durch entferntere Landschaften Südindiens zu unternehmen. So drang er 1759 in das bis dahin den Missionaren verschlossene Königreich Tandschur ein und besuchte die gleichnamige Hauptstadt. Im folgenden Jahre fuhr er nach Ceylon über, um die zahlreichen Lutheraner kirchlich zu bedienen, die dort im Dienste der holländischen Colonialregierung lebten. 1761 besuchte er seinen Freund Fabricius in Madras und wirkte auch einige Zeit in der Station Kuddalur. Im nächsten Jahre begab er sich nach der von den Engländern besetzten Festung Tritschinapalli, einem stark besuchten Wallfahrtsorte der Eingeborenen. Da ihm hier die Anlage einer neuen Missionsstation aussichtsreich erschien und da überdies der englische Befehlshaber sich erbot, ihm auf eigene Kosten eine Kirche zu erbauen, blieb er an diesem Orte und begann trotz körperlicher Schwachheit und trotz des ungesunden, überaus heißen Klimas eine Schule zu errichten und englisch, portugiesisch, tamulisch und für die zahlreichen deutschen Söldner der englischen Handelscompagnie auch deutsch zu predigen. Außerdem [275] versäumte er nicht, unermüdlich die Umgegend bis nach Tandschur hin lehrend und gedruckte Tractate vertheilend zu durchwandern. Als die Nachricht von seinem Aufenthalte in Tritschinapalli an das Missionscolleg in Kopenhagen gelangte, wurde sie hier sehr ungünstig aufgenommen, da die Stadt nicht auf dänischem, sondern auf englischem Gebiete lag. Auch die Vorsteher der Mission in Halle hegten schwere Bedenken, da sie für das lutherische Bekenntniß der neuen Gemeinde fürchteten. Sch. trat, um diesen Schwierigkeiten zu entgehen, mit G. A. Francke’s Zustimmung unter ausdrücklicher Wahrung seiner confessionellen Zugehörigkeit aus dem dänischen Dienst in den englischen über und wurde daraufhin von der Colonialregierung in Madras 1767 zum Garnisonprediger für Tritschinapalli ernannt. Als solcher mußte er die englischen Truppen auf ihren vielfachen Kriegszügen gegen Haider Ali von Maissur und andere eingeborene Fürsten oft unter großen Beschwerden und Gefahren begleiten. 1769 erhielt er von dem König von Tandschur eine Einladung, sich dort niederzulassen. Er folgte ihr, hielt sich aber zunächst abwechselnd in Tandschur und Tritschinapalli auf, um die neu gesammelten Gemeinden vor Verfall und Auflösung zu bewahren. Erst seit 1772 verlegte er den Schwerpunkt seiner Wirksamkeit nach Tandschur. Der König war ihm sehr wohlgesinnt, besuchte wiederholt seine Predigten, fragte ihn oft um Rath in politischen Angelegenheiten und zeigte sich der christlichen Lehre geneigt, ohne indeß überzutreten. Auch das Volk verehrte Sch. wegen seiner Menschenfreundlichkeit und steten Hülfsbereitschaft und ehrte ihn durch den Beinamen des Königspriesters. Da die Umgangssprache der Gebildeten in Tandschur das Hindustani und die Hof- und Staatssprache das Persische war, erlernte er beide Sprachen, um auch in ihnen predigen zu können. 1772 gelang es ihm, in der bei Tandschur gelegenen englischen Festung Wallam eine neue Missionsstation zu gründen. Als die Engländer den König von Tandschur mit Krieg überzogen, begab sich Sch. nach Tritschinapalli, kehrte aber, nachdem das englische Heer den König besiegt und gefangen und seine Hauptstadt erobert hatte, wieder dorthin zurück, um die zerstreute Gemeinde von neuem zu sammeln. Als der König die englische Oberhoheit anerkannte, wurde er wieder in seine Würde eingesetzt. Sch. verkehrte auch jetzt viel mit ihm, bemühte sich aber vergeblich, ihn zu bekehren. 1777 übergab er die Station Tritschinapalli, die er bis dahin von Tandschur aus theils persönlich, theils durch eingeborene Lehrer geleitet hatte, an den neu eingetroffenen Missionar Pohle[WS 12]. Als er 1778 von dem Concurs seines unglücklichen Freundes Fabricius in Madras erfuhr, eilte er sogleich dorthin, um die äußerst verworrenen Verhältnisse zu ordnen, doch blieben seine Bemühungen ohne Ergebniß. In den folgenden Jahren wurde er vielfach von den Engländern in diplomatischen Geschäften verwendet, zu denen ihn seine ausgebreitete Sprachkenntniß und seine von Christen, Heiden und Muhamedanern gleichermaßen geschätzte Redlichkeit und Unbestechlichkeit besonders befähigten. 1779 reiste er im Auftrage des englischen Gouverneurs von Madras als Gesandter zu Haider Ali nach Sirengapatnam, um ihn zu einem friedlichen Vergleiche mit der englischen Compagnie zu überreden, doch scheiterten seine Bemühungen, da Haider Ali, gewitzigt durch frühere Treulosigkeiten der Engländer, ihren Versprechungen keinen Glauben schenkte, wenn er auch die Ehrenhaftigkeit ihres Gesandten zu schätzen wußte. Auch während des nun folgenden dreijährigen Krieges der Compagnie gegen Haider Ali wurde er wiederholt als Friedensvermittler in Anspruch genommen. Wenn man seiner Dienste nicht bedurfte, zog er sich zu seiner Gemeinde nach Tandschur zurück. Hier erbaute er in den Jahren 1779 und 1780 zwei neue Kirchen, die eine für die Farbigen, die andere für die Lutheraner der [276] Garnison. Auch um das äußere Wohlergehen seiner Neubekehrten war er unermüdlich besorgt. Als infolge des Krieges eine Hungersnoth auszubrechen drohte, kaufte er rechtzeitig große Vorräthe von Reis auf und verwerthete sie so erfolgreich zur Linderung der Noth, daß ihm auch die englische Compagnieregierung die Vertheilung ihrer Gaben anvertraute. Als 1782 Haider Ali gestorben war, wurde Sch. von Lord Macartney, dem englischen Gouverneur von Madras, ersucht, mit Tippu Sahib, dem neuen Herrscher von Maissur, wegen des Friedens zu unterhandeln. Derselbe verweigerte ihm aber den Eintritt in sein Land, so daß er unverrichteter Sache nach Tandschur zurückkehren mußte. Jedoch wurde er später noch mehrfach als Gesandter an verschiedene indische Fürstenhöfe geschickt. Bei der englischen Colonialbehörde genoß er so hohes Ansehen, daß ihn dieselbe 1786 in eine viergliedrige Commission wählte, welche die Regierungsmaßnahmen des Königs von Tandschur überwachen sollte. In diesem Amte gelang es ihm, viele nützliche Verbesserungen zum Wohle der Unterthanen anzuregen und durchzusetzen. In demselben Jahre wurde er auch von der englischen Colonialverwaltung als Regierungsdolmetscher mit ansehnlichem Gehalte angestellt. Ebenso übertrug man ihm die Einrichtung und Oberleitung der mit erheblichem Aufwande neu begründeten Regierungsschulen. Als 1787 der König von Tandschur starb, sollte Sch. nach dem Wunsche des englischen Residenten die Vormundschaft über den unmündigen Thronerben übernehmen und dessen Erziehung leiten, doch lehnte er dieses verantwortungsvolle Amt ab, da es ihn seinem eigentlichen Berufe allzusehr entfremdet hätte. 1788 reiste er, als er hörte, daß sein unglücklicher Freund, der Missionar Fabricius in Madras, zum dritten Mal seiner Schulden halber ins Gefängniß gesetzt worden war, nach dieser Stadt, doch gelang es ihm trotz seines Einflusses nicht, ihn zu befreien. Die folgenden Jahre verlebte er in unermüdlicher Thätigkeit vorzugsweise in Tandschur. Die englischen Behörden regierten dieses Land ganz nach seinen Rathschlägen, so daß die Besserung der Rechtspflege und der Finanzverhältnisse gute Fortschritte machte. Zwei Jahre lang bekleidete er nicht ohne vielfache Anfeindung durch habsüchtige Beutejäger unentgeltlich das wichtige Amt eines englischen Residenten in Tandschur. In den letzten Jahren seines Lebens zog er sich von der politischen Thätigkeit fast ganz zurück und widmete sich fast ausschließlich der Mission. Er starb am 13. Februar 1798 in Tandschur, betrauert von einer Gemeinde von mehr als 3000 Seelen. Sein bedeutendes Vermögen hinterließ er der Mission. Er war ein Mann von seltener Redlichkeit, Uneigennützigkeit und staatsmännischer Klugheit, dazu von ungewöhnlicher Arbeitskraft und mit hervorragendem Sprachtalent begabt. Der Mission hat er fast 50 Jahre als der geistig bedeutendste und erfolgreichste aller älteren Missionare gedient. Sein Andenken wird noch heute in den indischen Gemeinden in hohen Ehren gehalten. In Madras setzte ihm wenige Jahre nach seinem Tode die ostindische Compagnie ein Denkmal. Ein zweites wurde ihm in der Missionskirche in Tandschur errichtet.

Halle’sche Missionsnachrichten: alte Band 6–7, neue Band 1–5 (mit Bildniß in Bd. 3). – Hugh Nicholas Pearson, Memoirs of the Life and Correspondence of the Rev. Christian Frederick Swartz. London 1834, 3. Auflage 1839 (mit Bildniß). – Pearson, Leben des vollendeten deutschen Missionars Chr. Fr. Schwartz im südlichen Indien. Aus dem Englischen übersetzt. Basel 1835. – Fenger, Den Trankebarske Missions Historie. Kjöbenhavn 1843. – Pearson, Chr. Fr. Schwarz, der deutsche Missionar in Südindien. Nach dem Englischen von C. G. Blumhardt, vollendet und herausgegeben von W. Hoffmann. Basel 1846 (mit Bildniß). [277] – Vormbaum, Chr. Fr. Schwartz. Düsseldorf 1851 (Evangel. Missionsgeschichte in Biographieen, Bd. 2, Heft 3–4). – Leipziger Missionsblatt 1864 (mit Bildniß). – Germann, Missionar Chr. Fr. Schwartz. Erlangen 1870 (mit Bildniß). – Sidney Lee, Dictionary of National Biography 50, 443–446. London 1897.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Über diese Person existiert in Band 33 ein weiterer Artikel.
  2. Benjamin Schultze (1689–1760), Missionar in Tranquebar und Madras
  3. David Polzenhagen (1726–1756), lutherischer Missionar in Tranquebar
  4. Georg Heinrich Conrad Hüttemann (1728–1781), lutherischer Missionar in Indien
  5. Gottfried Wilhelm Obuch (1707–1745), lutherischer Missionar in Tranquebar
  6. Nikolaus Dahl (1690–1747), lutherischer Missionar in Tranquebar
  7. Johann Christian Wiedebrock (1713–1767), lutherischer Missionar in Tranquebar
  8. Johann Balthasar Kohlhoff (1711–1790), lutherischer Missionar in Tranquebar
  9. Daniel Zeglin (1716–1780), lutherischer Missionar in Tranquebar
  10. Jacob Klein (1721–1790), lutherischer Missionar in Tranquebar
  11. Oluf Maderup (1711–1776), lutherischer Missionar in Tranquebar
  12. Christian Pohle (1744–1818), Missionar in Tiruchirapalli