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ADB:Schumann, Theophilus Salomo

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Artikel „Schumann, Theophilus Salomo“ von Karl Friedrich Ledderhose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 55–57, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schumann,_Theophilus_Salomo&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 04:55 Uhr UTC)
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Schumann: Theophilus Salomo S., Missionar der Brüdergemeine, geboren am 1. Juli 1719 zu Grabow im Brandenburgischen, † am 6. October 1760 in Pilgerhut unter den Arawaken. Ein Zug von Ernst lag von Kind an auf dem Knaben. Sein Vater, der Pfarrer von Grabow, ersah darin etwas Bedeutsames und täuschte sich nicht. In der Schule des Conrectors Vockeroth in Brandenburg wuchs neben den Kenntnissen, die sich der begabte Knabe erwarb, auch sein innerer Mensch. Im J. 1738 bezog er die Universität Halle. Nach zwei Jahren trat er schon als Lehrer in das königliche Pädagogium. Große Gelehrsamkeit und bedeutendes Lehrgeschick zeichneten ihn aus. Er verließ Halle und fand bei dem bekannten Abt Steinmetz von Klosterbergen Friede für sein Herz und in dessen Erziehungsanstalt eine gesegnete Anstellung, doch erst in der Brüdergemeine fand er volle Ruhe. Mit seiner verwittweten Mutter zog er im J. 1743 nach Herrnhut. Im Seminar zu Marienborn arbeitete er mit vielem Erfolge. Dem Grafen v. Zinzendorf diente er als Secretär, aber nicht lange, denn schon im J. 1747 erhielt er den Ruf, als Missionar unter die Südindianer am Berbicefluß in Holländisch-Guaiana zu gehen. Vorher trat er noch in den Stand der Ehe mit Anna Maria Sonntag, deren Vater um des Evangeliums willen in Böhmen in das Gefängniß geworfen wurde und siebzehn Jahre darin schmachtete. Wäre sie nicht entflohen, so hätte sie dasselbe Schicksal getroffen. Im October 1748 trafen sie am Orte ihrer Bestimmung, in Pilgerhut ein, wo sich eine kleine Gemeine von Arawaken gebildet hatte. Die Lieblingsidee Zinzendorf’s, sich solcher Heiden missionirend anzunehmen, an die sich sonst Niemand mache, sollte auch unter den Indianern, diesen freien Söhnen der Urwälder Südamerikas, verwirklicht werden. Die Arawaken sind Heiden ohne Gott. Ihre Sprache hat angeblich Aehnlichkeit mit dem Hebräischen und ist sehr schwer zu lernen. Schon im J. 1738 trafen zwei Missionare unter den Indianern ein. Sie sprachen etwas holländisch und konnten sich den Arawaken, die viel mit Holländern verkehrten, verständlich machen. Diese Waldbewohner fühlten sich von der Liebe der weißen Fremdlinge angezogen und hörten gerne zu, wenn ihnen von ihrem Schöpfer und Erlöser geredet ward. Doch diese Arbeit genügte nicht, sie mußten unter ihnen wohnen und ihre Sprache [56] erlernen. Sie bekamen Verstärkung aus Herrnhut und siedelten sich im Urwalde an. Ihrem Wohnort gaben sie den Namen Pilgerhut. Ihren Unterhalt mußten sie sich selbst verdienen, er war dürftig genug. Trotz des mörderischen Klimas blieben die Missionare gesund und lebten im Frieden bei einander. So beschwerlich das Reisen zu den abgelegenen Indianerhütten war, die Missionare scheuten keine Schwierigkeit. Mit Hülfe eines Mulattenknaben, der arawakisch verstand, übersetzten sie Stücke aus dem Leben und Leiden Jesu und lasen es dann den Heiden vor. Endlich regte sich bei ihnen ein Verlangen nach dem Evangelium. Es war ein besonderer Freudentag, als am 31. März 1748 eine alte Indianerin in Gegenwart von etwa vierzig Indianern die h. Taufe erhielt. Bis Ende Juni waren es bereits 39 Indianer, die sich hatten taufen lassen. Es stellte sich wirklich ein Werk Gottes heraus. Mitten in dieses Erntefeld trat unser S. Energisch wie er war und von der Liebe Christi erfüllt, griff er das Werk an. Zur Verwunderung Aller konnte er sich in wenigen Monaten selbstständig in der Arawakensprache ausdrücken. Freilich fehlten in dieser Sprache wesentliche Worte, wie Sünde, Glaube, Unglaube und desgleichen. Er konnte damals schreiben: „Das Schwerste ist nun vorbei. Wir verstehen sie jetzt besser, und sie uns, und sie beginnen in ihren Herzen zu fühlen, wovon wir reden.“ S. fand das Volk artig und verständig und von hübschem Wuchse. Sie haben eine Art König, den sie respectiren. Er trägt ein mit Silber beschlagenes spanisches Rohr, doch lassen sie sich nicht viel befehlen. Im Lande Berbice mögen es an 2000 gewesen sein, weiterhin noch viel mehr. Bis auf hundert Stunden hinein wurden sie von den Missionaren besucht. Aber nur die, welche feste Wohnsitze bei den Missionaren erwählten, blieben fest und brachen mit den heidnischen Verwandten. Die bekehrten Heiden führten einen würdigen Lebenswandel. Etwa achtzig Seelen lebten damals in Pilgerhut in größeren und kleineren Häusern. Da sich dieselben hauptsächlich von Jagd und Fischerei nährten, so waren sie des Tags über im Busch. Morgens und Abends hielten ihnen die Missionare Versammlung. Auch bildeten sie bereits einige Jünglinge zu Verkündigern des Wortes vom Kreuze. Da war S. in seinem Elemente. Weil er einsah, daß ein gründlich bekehrter Heide besser ist als hundert, „die man mit Noth fortschleppt“, so tauften sie nicht so schnell. Aber es kamen zu seiner Freude immer wieder Taufen vor. Er drang auf Bekleidung der Bekehrten, auch der Kinder, die zum Unterrichte angehalten wurden. Haus und Versammlungssaal wurden zu klein. Die weißen Leute standen der Arbeit der Brüder feindlich entgegen, es waren Leute, die sich nur um des Geldes willen in Guaiana aufhielten und in allen Gräueln wälzten. Bisher hatte S. immer durch einen Dolmetscher gepredigt, jetzt ging es auch ohne Vermittlung. Die ersten Verstorbenen wurden nach christlicher Weise beerdigt. Es ging alles in schönster Ordnung vorüber. Wie lieblich klangen die Liederverse, welche diese ehemaligen Heiden sangen. S. hatte eine hübsche Zahl Lieder ins Arawakische übersetzt, ebenso das Evangelium Johannis und seinen ersten Brief. Er saß fleißig am Arbeitstisch, aber machte auch Missionstouren in die Wälder in Begleitung eines bekehrten Arawaken Jephtha. Der Schall des Evangeliums drang immer weiter. Der freundlich gesinnte Gouverneur Lößner wurde abgerufen, und ein Gegner trat an seine Stelle, der die Brüder gerne heimgeschickt hätte, aber er starb, und die Verleumdung, daß sie die Indianer in die Sklaverei zu führen beabsichtigten, verfing nicht. Auch der reformirte Prediger, der sehr ungünstig nach Holland berichtete, bereute sein Unrecht, wie er S. bekannte. Jetzt konnte sich die Gemeine in Ruhe bauen und ihr Licht weithin strahlen lassen. Es kamen sogar aus dem spanischen Gebiete vom Orinokoflusse her Indianer, die das Wort Gottes mit Begierde in sich aufnahmen. Man [57] besitzt noch Gespräche mit Heiden von S., die uns den gelehrten geistvollen Mann in seiner kindlichen populären Weise zeigen. Es war eine Art Pfingsten für Pilgerhut angebrochen. S. schrieb einem Freunde: „Die werden auf einmal licht und selig und gehen wenige Tage nachher so vergnügt zu Ihm in die ewige Heimath, als wären sie sechzig Jahre lang Christen gewesen. Und das mit anzusehen, ist etwas unaussprechlich Seliges.“ Von sich selber schreibt er: „Es bleibt mir ewig eine anbetungswürdige Wahl der Gnade, die mich nach Berbice gebracht hat.“ Sogar Kannibalen kamen in die Versammlung und wurden gerührt. Es wurde als nöthig erkannt, noch weitere Missionsplätze anzulegen, nämlich Saron an der Saramakka und Ephrem an der Corentyn. Als S. nach Pilgerhut zurückkehrte, fand er einen Leichenhügel, unter dem seine Gattin mit Zwillingskindern in den Armen lag. Sein Schmerz über diesen unerwarteten Verlust war groß. Es starben noch zwei liebe Arawaken, deren Tod ihm sehr nahe ging. Er entschloß sich im September 1758 mit zwei Töchtern nach Europa zu reisen, sein Sohn war schon seit einigen Jahren im Pädagogium. Durch seine Erzählungen regte S. das Interesse in Deutschland mächtig an. Doch es zog ihn wieder zu seinen Indianern, die sich auch nach ihm sehnten. Nachdem er sich in Zeist aufs neue verheirathet hatte, traf er mit mehreren Missionsgehülfen im Januar 1760 in Surinam ein. Der Gouverneur empfing ihn sehr liebreich. Er besuchte die neuen Gemeinlein Saron und Ephrem und konnte sich über sie nur freuen. In Pilgerhut griff er, wie immer, mit voller Hingebung seine Arbeit an, aber nur noch ein halbes Jahr durfte er arbeiten. Seine Rückkehr war zum Sterben. Nach angestrengter körperlicher Arbeit troff er von Schweiß, das Klimafieber stellte sich ein. Nicht ohne Rührung kann man das Sterbelager dieses kindlich gläubigen Dieners Christi lesen. In der Fieberhitze sprach er meistens arawakisch. Er ließ sich aus der Leidensgeschichte vorlesen und entschlief unter dem leisen Gesange von Heimgangsversen. Seine Pilgerfahrt währte nur 41 Jahre. Die weitere Geschichte der Arawaken-Mission gehört nicht hierher. Wer jetzt jene gesegneten Missionsplätze besuchen wollte, würde keinen finden, denn das Missionswerk hat schon längst dort aufgehört. Näheres in dem Werke des Unterzeichneten: „Die Mission unter den Arawakken. Ein Gemälde aus der Brüdergemeine.“ Basel 1856, ein Abdruck aus dem Missionsmagazin.