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ADB:Schröter, Heinrich Eduard

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Artikel „Schröter, Heinrich Eduard“ von Rudolf Sturm in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 217–218, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schr%C3%B6ter,_Heinrich_Eduard&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 08:37 Uhr UTC)
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Schröter: Heinrich Eduard Sch. wurde am 8. Januar 1829 in Königsberg i. Pr. geboren. Er stammte aus einem angesehenen Kaufmannshause, dessen Leitung nach dem Tode des Vaters ein jüngerer Bruder übernahm. Seine Schulbildung erhielt er auf dem Altstädtischen Gymnasium seiner Vaterstadt, welches damals in dem Professor Müttrich einen hervorragenden Lehrer der Mathematik hatte, aus dessen Schule mehrere angesehene Mathematiker hervorgegangen sind. Aber auch die Universität Königsberg nahm in jener Zeit in Bezug auf die Mathematik eine ausgezeichnete Stellung ein; seit den zwanziger Jahren hatte an ihr einer der großen Mathematiker des 19. Jahrhunderts, Jacobi, gewirkt und zuerst in Deutschland eine mathematische Schule begründet. Als Sch. nach kurzem Versuche, sich dem Baufache zu widmen, zum Studium der Mathematik sich entschloß, war freilich Jacobi nicht mehr in Königsberg; aber zwei namhafte Schüler von ihm, Richelot und Otto Hesse, waren als seine Nachfolger thätig; und Franz Naumann, durch welchen Königsberg lange Zeit die Hochschule für mathematische Physik wurde, war damals in der Vollkraft seines Lebens.

Sch. ging dann noch nach Berlin und wurde Schüler von Dirichlet und vor allem von Steiner (s. A. D. B. XXXV, 700), welcher am meisten auf ihn Einfluß gehabt hat und ihn durch persönlichen Verkehr auszeichnete; er ist der bedeutendste von den directen Schülern des großen Geometers geworden.

Für seine ersten Arbeiten, die Königsberger Dissertation über Modulargleichungen (1854), und die Breslauer Habilitationsschrift über die Thetafunctionen (1858), beide der Theorie der elliptischen Functionen angehörig, ist noch die von Richelot empfangene Forschungerichtung maßgebend gewesen. Nachdem er in Königsberg sich noch die Lehrbefähigung für die höheren Schulen erworben, trat er im Herbste 1855 an der Universität Breslau als Privatdocent ein, wurde 1858 außerordentlicher Professor und erhielt im Herbste 1860 das durch Joachimsthal’s Tod erledigte Ordinariat; in Breslau ist er, nachdem er einen Ruf nach Gießen abgelehnt, geblieben.

In Vorlesungen, Uebungen und der Anregung von Dissertationen ist er der Theorie der elliptischen Functionen treu geblieben, litterarisch hat er nur selten sich ihr zugewandt.

Steiner’s Einfluß machte sich geltend. Eine seiner ersten synthetischen Arbeiten ist die grundlegende Abhandlung über die cubische Raumcurve. Nach Steiner’s Tode (1863) übernahm er zur Herausgabe von dessen hinterlassenen Manuscripten denjenigen Theil der Lehre von den Kegelschnitten, in welchem von der projectiven Erzeugung dieser Curven ausgegangen wird. Er hatte Steiner’s zerstreute Notizen mit seinen Nachschriften von Vorlesungen desselben zu verweben; nicht unbeträchtlich ist jedoch die eigene Leistung in Beweisführung und Darstellung gewesen; mit Recht heißt das 1867 in erster Auflage erschienene Buch Steiner-Schröter’sche Vorlesungen über synthetische Geometrie; 1876 ist die zweite und 1898 (durch den Unterzeichneten besorgt) die dritte Auflage erschienen. Sie waren eben das anerkannte Lehrbuch der synthetischen Geometrie der Kegelschnitte geworden.

An seiner Hochschule schuf er eine Stätte - einige Zeit die einzige -, [218] an welcher die synthetische Geometrie gepflegt wurde, und brachte sie durch diese Schriften auch an andern zur Würdigung. In Breslau konnte nach seinem Tode die von ihm geschaffene Tradition fortgesetzt werden.

Im J. 1880 erschien dann ein eigenes Werk, sein Hauptwerk: „Die Theorie der Oberflächen 2. Ordnung und der Raumcurven 3. Ordnung“, in welchem umfangreiche Abschnitte dieser Theorie ihre erste synthetische Darstellung gefunden haben. Wenn auch, wegen seiner projectiven Grundlage, vorzugsweise auf die Erörterung von Eigenschaften der Lage gerichtet, enthält dies Buch, besonders in seinem zweiten Theile, auch zahlreiche metrische Beziehungen, in deren Ableitung der Verfasser seine Kunst gezeigt hat.

Ihm folgte 1888 die Theorie der ebenen Curven 3. Ordnung und 1890 die Grundzüge einer geometrischen Theorie der Raumcurve 4. Ordnung erster Species. In den Journal-Abhandlungen, welche vielfach Nachträge oder Vorläufer dieser Bücher sind, hat er sich auch mit den Flächen 3. Ordnung beschäftigt; und so bilden vor allem Curven und Flächen 2. und 3. Ordnung das Feld, welches er mit Hülfe Steiner’scher Methoden bearbeitet hat, auf Durchsichtigkeit und Verständlichkeit der Darstellung jederzeit bedacht. Er zog es vor, sich auf ein engeres Gebiet zu beschränken, um dies mit größerer Meisterschaft zu beherrschen; auf nicht anschauliche Dinge, wie nichteuklidische oder mehrdimensionale Geometrie ging er nicht ein.

Im J. 1860 hatte er sich mit Fräulein Clara Rodewald, der Tochter eines Breslauer Rechtsanwalts, verheirathet und war der Mittelpunkt einer glücklichen Familie mit vier Kindern; aus ihr wurde er, nach längerem Leiden, dessen Anfänge sich 1890 zeigten, am 3. Januar 1892 durch den Tod abgerufen, in welchen ihm sehr bald der einzige Sohn folgte.

Es sei noch erwähnt, daß er ein begeisterter Freund des Geigenspiels und des Turnens war. Er hat im Orchester von Dilettanten-Vereinen mitgewirkt und 25 Jahre lang an der Spitze des Alten Breslauer Turnvereins gestanden.