ADB:Schoppe, Andreas
Melanchthon, den er lieb und werth behielt, obwohl ihm dessen theologisches System ganz zuwider war. 1558 wurde er Collaborator am Martineum zu Braunschweig, war auch Erzieher der Söhne des Bürgermeisters Henning vom Damm. Im Sommer 1561 bezieht er nochmals die Universität Rostock, wo er nach einem Jahre zum Magister befördert wird. Von da an erscheint sein Name in verlateinter Form und sein Briefwechsel mit Martin Kemniz, Joh. Wigand, Dav. Chytraeus u. a. zeigt ihn als entschieden orthodoxen Lutheraner. Den Chytraeus bezeichnet er mit Auszeichnung als lieben Praeceptor und Vater in Christo. Gegen Ende 1565 wurde S. als der 2. Rector an die Schule zu Güstrow berufen, was er bis ins dritte Jahr blieb. 1568 trat er ins geistliche Amt als Pfarrer zu Erxleben im magdeburgischen Holzkreise. In dieser 21 Jahre lang treu versehenen Stellung war für ihn besonders wichtig, daß sein Kirchherr Joachim v. Alvensleben ein wissenschaftlich überaus strebsamer und an den kirchlichen Bestrebungen jener Zeit auf das lebhafteste theilnehmender Mann war und daß S. neben seinem Pfarramt zugleich Verwalter der heute noch bemerkenswerthen v. Alvensleben’schen Lehnsbibliothek war und dadurch einen höchst wichtigen [370] Vorrath besonders theologisch-geschichtlicher, sowie auch rechtskundlicher Schriften zu seiner Verfügung hatte. Nachdem S. 1580 einen Ruf an die Andreaskirche in Braunschweig abgelehnt hatte, schlug ihn im März 1589 Graf Wolf Ernst zu Stolberg, der auf den litterarisch thätigen Mann aufmerksam geworden war, dem Rath und der S. Silvestrigemeinde zu Wernigerode an die Stelle des als Professor nach Wittenberg berufenen Dr. Maius als Oberpfarrer vor. Als rein in der Lehre, keines Irrthums verdächtig und in seinem Amt fleißig und friedfertig empfohlen erhielt er denn auch diese Stelle und hatte nun an seinem neuen Wirkungskreise den Vortheil eines wissenschaftlichen Bücherschatzes in noch reicherem Maße als vorher zu genießen, da der ihm wohlgewogene Landesherr schon damals einen ansehnlichen Grund zu der bis zur Gegenwart fortgebauten fürstl. Bibliothek in Wernigerode gelegt hatte. Unter dem einfachen Titel Pfarrer versah S. in Wernigerode das erste geistliche Amt und consistoriale Aufgaben. Seinem gelehrten Streben entsprach es, daß er sich auch nachdrücklich der wernigerödischen Lateinschule, deren Aufsicht ihm mitbefohlen war, annahm. Er wirkte dahin, daß an dieser damals von drei Schulcollegen neben dem Küster bedienten, zahlreich besuchten Schule ein vierter Lehrer bestellt wurde. Vier Jahre lang lehrte er darauf selbst wöchentlich Dialektik und Grammatik, hielt an den Sonnabenden mit den Schülern der ersten Classe Redeübungen und wohnte den zweimal im Jahre stattfindenden Prüfungen bei. Auch des Mädchenschulwesens nahm er sich an. Schoppe’s älteste Schrift, die er 1561 abfaßte, 1563, und wohl noch öfter, überarbeitete, sein „Kurzer Auszug der vornemesten Historien und Geschichte der löbl. und weitberümbten Stadt Braunschweig“, ist noch ungedruckt. In den älteren Theilen eine Compilation aus verschiedenen Quellen, bleibt sie in ihren jüngeren Abschnitten, die theils bis 1519, theils bis 1580 reichen, zu prüfen, namentlich wieweit sie von S. selbst herrühren. Bemerkenswerth sind darin 12 geschichtl. braunschw.-niedersächsische Lieder (vgl. v. Liliencron, Hist. Volksl. d. D. II, 211 ff.) Hdschrr. finden sich zu Braunsch. und besonders auf d. herz. Bibliothek zu Wolfenbüttel. Die übrigen Schriften sind mehr oder weniger theol. Inhalts, dienen zur Abwehr von Irrthümern und Angriffen oder sind volksthümlich lehrhaften Inhalts. Nur handschriftl. liegt uns vor sein durch Abschriften ‚gesprengtes‘ oder verbreitetes kühnes „Judicium von der ierlichen Memorien, so a. 1569 den 20 Julij dem … Herzog Heinrich d. J. in den Kirchen des braunschw. Landes auf des Fürsten Befehl und D. Chemnicii Anordnung gehalten ist“. Im Druck erschien 1570 Schoppe’s Gründl. Antwort auf die Frage, ob eine ganze christl. Gemeine und ein iglicher Christ von Gottes wegen Recht und Macht habe in allerlei Lehre zu urtheilen und zu richten. Er tritt darin mit größter Entschiedenheit für das Recht der Gemeine und der einzelnen Gläubigen in kirchlichen Dingen ein. Die Einsegnung des Riddagshäuser Abts Lorber, der als Papist in einer sog. Winkelehe gelebt hatte, durch D. Andreae gab S. Anlaß zu der Schrift: „Christliche Gründe und Ursachen, warumb die heiml. Beiwohnung eines Mannes und Weibes, so weder mit öffentl. Verlöbniß noch christl. Ceremonien bestätigt, unter den Christen mit nichten zu leiden“ u. s. f. Magd. 1576. Zusammen gehören die nächsten Schriften: „Bericht, ob die Erbsünde ein Wesen“, Jena 1571, 4°, „Rettung des heil. Catechismi wider den Schwarm der newen Manichäer und Substantiisten“, Jena 1572, 4° (gegen Illyricus, von Wigand sehr gelobt), „D. M. Lutheri Sprüche und Zeugniß, das die Erbsünde nicht sei das Wesen des Menschen“, Jena 1572, 4°. Wie die letztere Schrift durch Schoppe’s Verhältniß zu dem frommen Andr. v. Meyendorf auf Ummendorf entstand, so auch seine: „Christl. und nöthige Warnung für dem erdichten Lügengeist der falschen Propheten“, Wittenb. 1596, 4°, die im nächsten Jahre unter verändertem Titel als: „Weissagung etlicher falschen Calenderschreiber“ u. s. f. abermals erschien. [371] – Ungedruckt geblieben ist eine Schrift, durch welche S. als treuer Helfer Joach. v. Alvensleben’s und des Andr. v. Meyendorf der Concordienformel im Magdeburger Lande zum Siege verhalf. Auf 152 Quartblättern findet sich davon eine von S. durchgesehene Abschrift auf der fürstl. Bibl. zu Wern. Hier und zu Wolfenb. wird handschriftlich eine „Erinnerung an D. Tilem. Heshusius von seiner Lehre soviel die wesentl. Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im Abendmahl belanget“ aufbewahrt. 1581 erschien seine Widerlegung der 22 nichtigen, falschen und gotteslästerl. Ursachen warumb M. Sebast. Flasch von der erkannten … Wahrheit d. Evangelii – abgefallen. Kl. 8°. Nur kurz erwähnt sei eine mit lehrreicher Nutzanwendung begleitete Schrift über eine „erschreckliche Mißgeburt“ zu Erxleben (1581) und zu Gunsten der von verständigen Frauen an schwachen Kindern vorzunehmenden Nothtaufe (Magdeb. 1597). Umfangreich und bemerkenswerth sind einige Schriften zu Nutz und Ehren der Frauen und für Hausväter, Hausmütter, Jungfrauen und Junggesellen, so: „Das Buch Tobias in 50 Predigten ausgelegt“, Magdeb. 1582, 2 Bogen Vorrede u. s. f. und 257 Blätter Text. War dies schon die auf eine erste schnell gefolgte 2. Auflage, so erschien dieses Buch 1604 bei Herm. Große in Leipzig als TRIUMFUS | MULIEBRIS, | darinnen sampt Aus- | legung des Buchs Tobiae in funfftzig | Predigten, alles was Christlichen Eheleuten, | v. tugendreicher Jugend zur Lehre, | Trost v. Warnung dienlich. – Und dann | des Weiblichen Geschlechts Dignitaet | v. Würdigkeit … ordentlich u. aus- –führlich gehandelt. Der Text hat hier 250 Quartbl. Der eine besondere Schrift bildende 2. Theil ist die CORONA | Dignitatis Muliebris, | Das ist: | Frommer Frawen etc. | v. Jungfrawen Ehren v. Gewis | sen Schildt | oder Bestetigung der Lehre, | daß sie wahrhafftig Menschen, durch den Glau- | ben an Christum Kinder v. Erben der | ewigen Seligkeit sind. | S. hat in der praktischen Auslegung des B. Tobiae, des „Manuals frommer Christen“, das bei fast allen Fragen des Familienlebens begleitet, das Bedürfniß seiner Zeit trefflich verstanden, alles durch belehrende Beispiele erläutert und bekundet in der Schrift solche Liebe und ein solches Verständniß des deutschen Volksthums, daß man aus der Schrift eine ansehnliche Auslese volksthümlicher Spruchweisheit zusammenstellen könnte. Die „Corona dign. muliebris“ war unter dem Titel: „Frawen Ehren v. Gewissen Schild“ Leipz. 1595, 140 Bl., 12° für sich allein erschienen. Der uns nicht zu Gesicht gekommene Clypeus gloriae conscientiaeque foemnineae Leipz. 1640, 12° ist offenbar nur ein neuer Druck derselben Schrift, die also noch geraume Zeit nach des Verf. Tode sich im Buchhandel erhielt. Von der „Vorsorge für das kluge Weibervolk“ Leipzig 1604, die ebenfalls als besondere Schrift von S. angeführt wird, vermögen wir das Verhältniß zu der cor. dign. muliebris nicht anzugeben. Der Gegenstand der Schrift, der zu unserer Zeit wohl nur schalkhaft behandelt wird, ist bei S. sehr ernst gemeint. Unter dem angenommenen Namen Joh. Praetorius ließ S. ohne Angabe von Drucker und Druckort 1592 eine kühne kirchenrechtl. Schrift erscheinen: Wider das Weltliche Bapsthumb, | Das ist Wolgegründete Ant- | wort auff die Frage | Ob Christliche O- | berkeit jhren Vnterthanen eine newe Reli- | gion auffdringen möge? | Vnd ob die Vnterthanen | Dafür zu warnen schuldig sein? 8 Bogen, 4°. In dem auf der fürstl. Bibl. befindl. Abzuge dieser Schrift hat S. sich eigenhändig als Verf. offenbart. Die Frage wird mit großer Entschiedenheit bejaht. Wie hier mit Nachdruck dem weltl. Papstthum entgegengetreten wird, handelt eine aus Wern. 23. Apr. 1613 bevorwortete Schrift davon, daß den geistlichen Dienern Christi und seiner Kirchen nicht gebühre weltl. Hoheit, Gewalt, Herrschaft und thätl. Regierung ihnen anzumaßen, zuzueignen und zu gebrauchen. Culturgeschichtlich höchst merkwürdig ist Schoppe’s Schrift in Anlehnung an Christi Spruch: Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählet: „Von der Menschen [372] Haare Ursprung, rechtem und Mißbrauch“, Erfurt 1605, 8 Bg., 4°. S. tritt sehr entschieden gegen das abscheren und unvernünftige zustutzen, dagegen für eine ordentliche Pflege des Haupthaars ein. Schon im nächsten Jahre erschien wieder zu Erfurt 10½ Bg., 4° stark: DE LIBERO ET VTILI VERNA- | culae linguae vsu in sacris | Oder | B. Erweisung das alle | trewe Lehrer v. Seelsorger schuldig | Die Werck jres offentlichen Ampts für der Christ- | lichen Gemeine in der sprach, so den einfeltigen be- | kant v. vornemlich, zu verrichten. | V. das alle vorstendige Leyen die hei- | lige Schrifft in jhrer Muttersprach gerne haben, fleißig | lesen v. … zu gebrauchen be- | fuget v. recht haben. S. weist auf die Wichtigkeit gründlicher Dolmetschung hin, deren Mangel im M.-A. mehrfachen Irrthum verschuldet habe. Wie hier so wird dem schriftwidrigen Brauch Roms entgegengetreten in Schoppe’s Buch: „De Ecclesia et Pontifice Romano | Oder beweiß, | das die wahre Kirche | Jhesu Christi im Newen Testament, an kei- | nen gewissen Ort, noch an derselben Satzungen, De- | cret v. ordnung, v. also auch nicht an Rom, noch desselben | Aufsetze v. gewohnheit gebunden“ u. s. f. Nur ganz kurz gedenken wir seiner Predigten über das Wunderwerk, daß der Herr mit 7 Broten viertausend Mann gespeist, Gosl. 1607. Von den Bildern und rechter Abtheilung der 10 Gebote Gottes, Erfurt 1608. Predigt aus d. Anfang des 8. Cap. Nehemiae auf einen neuen Predigstuel in der Wern. Kirche zu S. Nikolai 1611 … zum erstenmal gethan, Magdeb. 1613. Mehrere, theilweise geschichtlich inhaltreiche Leichpredigten und handschriftl. Aufzeichnungen müssen wir hier unerwähnt lassen.
Schoppe: M. Andreas S. (Schoppius), Theologe und fruchtbarer volksthümlich-theologischer und apologetischer Schriftsteller, geboren gegen 1538 zu Lebenstedt bei Braunschweig, † am 17. April 1614 zu Wernigerode. Auf den Schulen zu Braunschweig mit Unterstützung des Raths und vornehmer Einwohner vorgebildet, bezog der strebsame Jüngling im Herbst 1555 die Universität Wittenberg, um sich dem geistlichen Amt zu einer Zeit zu widmen, in der der Landesherr seiner engeren Heimath die Reformation niederzuhalten suchte. Mit Fleiß hörte er- Aus einer größeren handschriftl. Arbeit, welche theils auf Schoppe’s Schriften, im übrigen zumeist auf Handschriften und Acten des fürstl. H.-Archiv’s zu Wern. und der Bibliotheken zu Wern. und Wolfenb. fußt.