Zum Inhalt springen

ADB:Schmutz, Karl

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schmutz, Karl“ von Franz Ilwof in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 131–134, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmutz,_Karl&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 06:45 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Schneid, Matthias
Band 54 (1908), S. 131–134 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Carl Schmutz in der Wikipedia
Carl Schmutz in Wikidata
GND-Nummer 130567000
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|54|131|134|Schmutz, Karl|Franz Ilwof|ADB:Schmutz, Karl}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=130567000}}    

Schmutz: Karl Sch., Topograph, geboren am 1. Januar 1787 auf Schloß Frondsberg an der Feistritz, östlich von Graz in Steiermark, wo sein Vater als Herrschaftsverwalter wirkte. Er legte die Gymnasial- und Universitätsstudien in Graz zurück und erwarb sich außer juridischen auch reiche Kenntnisse in Mineralogie und Botanik. Als Oesterreich 1808 zum Kampfe gegen Napoleon I. zu rüsten begann und die Landwehr errichtet wurde, trat Sch. in dieselbe ein und veranlaßte viele kräftige Bauernsöhne des Bezirkes Poppendorf, welches Schloß Eigenthum seines Vaters war, dem patriotischen Beispiele zu folgen. Er that aber noch mehr, er organisirte diese ca. hundert Landwehrrekruten zu einer Compagnie und nahm mit ihnen Exerzierübungen vor. Dies lenkte die Aufmerksamkeit des innerösterreichischen Landwehrobercommandos auf ihn und bewirkte seine Ernennung zum Lieutenant im 3. Grazer Landwehrbataillon und zum Compagniecommandanten; bald avancirte er zum Oberlieutenant. Eine Inspection seiner Compagnie durch Erzherzog Johann, den Obercommandanten der Landwehr von Innerösterreich, hatte die Folge, daß Sch. wegen der trefflichen Abrichtung seiner Leute zum Hauptmann ernannt wurde.

Im April 1809 erfolgte der Ausmarsch der steirischen Landwehr zu der [132] in Oberitalien unter dem Befehle des Erzherzogs Johann operirenden Armee. Sch. machte den Feldzug in Oberitalien und den Rückzug der sog. innerösterreichischen Armee von Italien durch Kärnten und Steiermark nach Ungarn mit. Dort kämpfte er in der Schlacht bei Raab (14. Juni 1809), wo er einen nothdürftig befestigten Meierhof heldenmütig vertheidigte, der jedoch spät Abends von der französischen Uebermacht genommen wurde. Sch. wurde schwer verwundet und gerieth in Gefangenschaft, in der er bis Chalons sur Marne gebracht wurde. Erst der Abschluß des Schönbrunner Friedens gab ihm die Freiheit und die Rückkehr nach Wien und Graz, wo er durch ein Tapferkeitszeugniß über sein Benehmen in der Schlacht bei Raab ausgezeichnet wurde.

Die durch den Kriegsdienst unterbrochenen juridischen Studien fortzusetzen, fühlte Sch. nicht mehr die Lust; er ließ sich daher als Hauptmann in das stehende Heer einreihen. Neben dem militärischen Dienste trieb er eifrige Studien besonders auf dem Gebiete der Naturwissenschaften.

Im Kriegsjahre 1813 wurde sein Regiment der böhmischen Armee zugetheilt, und er nahm rühmlichen Theil an den Schlachten von Dresden und von Leipzig und an dem Gefechte bei Hochheim am Rhein. 1814 marschirte er mit der großen Armee, und zwar aus der Schweiz, in Frankreich ein. In dem Gefechte bei Besançon rettete er, obwohl selbst verwundet, seinen Brigadier, den Prinzen von Coburg-Koháry, und seinen Major Schick von Siegenburg aus der größten Gefahr, gefangen oder getödtet zu werden.

Nach Beendigung des großen Krieges schied Sch. aus dem Militärstande, kaufte den Steyrerhof bei Graz, vermählte sich 1815 mit Fräulein Marie Morassi, mit der er sich schon vor den letzten Feldzügen verlobt hatte. Er trieb praktisch die Landwirthschaft, bildete sich aber nebenbei theoretisch auf diesem Gebiete, sowie auf dem der Geographie, Statistik, Terrainlehre, Kartographie und Geschichte gründlich aus. Die Ergebnisse dieser seiner Studien liegen in einer Anzahl von Aufsätzen vor, welche in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht wurden, und einer Reihe von Landkarten. So: „Steyermärkische Mineralquellen und Gesundbrunnen“ (in der Zeitschrift „Der Aufmerksame“, Beilage der Grazer Zeitung, 1815, Nr. 144, 147); „Die Gebirge der Steyermark“ (ebenda 1816, Nr. 48); „Die Graselhöhle bei Weiz“ (ebenda 1816, Nr. 114); „Die Koruzen wüthen in den Umgebungen von Straden 1706“ (ebenda 1816, Nr. 115); „Römische Alterthümer in Steiermark“ (ebenda 1816, Nr. 119); „Die Land-, Stadt-, Sonntags- und Industrieschulen im Grazer Kreise und die Bürgerbildungsanstalt in Graz“ (ebenda 1816, Nr. 143): „Freiherr von Moscon zu Graz. Cultur und Beförderung der Botanik in Steiermark“ (in der Zeitschrift „Hesperus“, April 1814); „Die Mur als Hauptfluß der Steyermark“ („Steiermärkische Zeitschrift“ 1821, 1. Heft. S. 96–105, 2. Heft, S. 155–156); Mikitsch und Schmutz: „Die erste Besteigung des Dachsteins oder Thorsteins am 5. August 1823“ (in „Der Aufmerksame“, 1825, Nr. 21, 22); „Die Graselhöhle in den Gößer Wänden“ (ebenda, 1840, Nr. 14); sodann die neuesten Specialkarten des Cillier, des Grazer, des Brucker, des Marburger und des Judenburger Kreises (1831); endlich orographische Karte des Herzogtums Steiermark (1823) und neueste Specialkarte des Herzogthums Steiermark. Von Josef Freiherrn Gall von Gallenstein und Karl Schmutz (5 Bl., Graz 1832).

Sein Hauptwerk, eine außerordentlich verdienstvolle Leistung, ist das „Historisch-topographische Lexikon von Steiermark“ (4 Theile. Auf Kosten des Verfassers. Graz, gedruckt bei Andr. Kienreich, 1822–23). Es ist eine nicht nur für seine Zeit musterhafte, ausgezeichnete Arbeit, es ist wegen seines reichen, durchaus verläßlichen Inhalts, wegen der genauen statistischen Angaben, [133] wegen der zahlreichen historischen Notizen, die es enthält, jetzt noch für jeden, der sich mit der Geschichte der Steiermark überhaupt beschäftigt, und für archivalische Arbeiten insbesondere unentbehrlich, und trotzdem achtzig und mehr Jahre seit seinem Erscheinen verflossen sind, von keiner ähnlichen Arbeit erreicht, viel weniger übertroffen worden. Die Ausarbeitung dieses Lexikons erforderte nicht nur einen Riesenfleiß, sondern auch tiefgehende Kenntnisse auf dem Gebiete der Geographie, der Statistik, der politischen, Cultur- und Wirthschaftsgeschichte des Landes, der Genealogie der edlen Geschlechter, sowie Autopsie wenigstens der wichtigsten Gebiete der Steiermark. Sieben Jahre beschäftigte er sich mit dem Sammeln der meist aus handschriftlichen Quellen stammenden Materialien für die 10 000 Artikel des Lexikons. Es enthält in alphabetischer Ordnung den Namen jeder Stadt der Steiermark, jedes Marktfleckens, jedes Dorfes, jeder Gemeinde, jeder Herrschaft, jedes Schlosses, Freistiftes, jeder Kirche, dann die Namen der Berge, Alpen, Weinhügel, Flüsse, Bäche, Seeen, Mineralwässer, Bergwerke und Hammerwerke; jeder solchen Angabe folgt die Beschreibung des betreffenden Objects mit Aufzählung alles Wissenswürdigen von demselben. Bei den Grund- und Bezirksherrschaften wird die Reihe ihrer Besitzer, soweit sie nachweisbar sind, gegeben; sodann die Namen der Aemter, in welchen die Herrschaft ihre Unterthanen besitzt, die Aufzählung der dieser zufallenden Zehente, ob die Herrschaft ein Landgericht, eine Vogtei, ein Patronat habe. Ferner die Namen der Bezirksgemeinden mit Angabe der verschiedenen Kategorieen des Grund und Bodens, der Wohnplätze, der Bevölkerung, des Viehstandes. Bei den Dörfern wird nebst der Lage, in welchem Kreise, Bezirke, in welcher Pfarre sie sich befinden, welchen Herrschaften sie dienstbar, wohin berg- und zehentpflichtig, dann die Summe der verschiedenen Kategorieen des Bodens, die Häuser-, die Volkszahl und der Viehstand angegeben. Bei den Alpen ihre Verbindung mit anderen und ihr Viehstand. Bei den Pfarreien die Art ihrer Gründung, ihr Alter, wer Patron oder Vogtherr, welche Grabmäler sich in den Kirchen befinden. Auch die Namen aller adeligen Familien, welche in Steiermark begütert waren oder sind, nebst dem Verzeichnisse ihrer Güter und historischen Notizen. Endlich die Namen aller Schriftsteller und Künstler, welche in Steiermark geboren sind nebst kurzen Biographieen derselben.

Schon dieser kurze Ueberblick über den Inhalt des Lexikons thut dar, welche Fülle von Nachrichten darin enthalten; wenn man dazu bedenkt, daß sich durch die vollständige Umgestaltung aller politischen und wirthschaftlichen Verhältnisse seit 1848 in allem und jedem die eingreifendsten Veränderungen vollzogen haben, so kann man daraus schließen, wie werthvoll Schmutz’ Angaben für die Zeit vor 1848 sind, und wie unentbehrlich noch immer sein Lexikon dem Geschichtsforscher und -schreiber ist.

Das Sammeln des Materials für diese umfangreiche Arbeit, die Reisen, welche er, um Land und Leute kennen zu lernen, unternahm, endlich die Kosten des Druckes der vier dickleibigen Bände erforderten 16 000 fl. CM., welche Sch. aus Eigenem bestritt. Dieser Umstand, sowie der, daß er das Gut Kainbach viel zu theuer gekauft hatte, und daß dieses wenig Ertrag abwarf, nöthigte ihn, sich um eine Staatsstellung zu bewerben; so wurde er 1827 zum Schätzungscommissär bei der Katastralschätzung in Steiermark ernannt und dadurch leider seinen Studien und wissenschaftlichen Arbeiten entzogen.

Als Schätzungscommissär und Katastralinspector wirkte er von 1827 bis 1845 in Obersteiermark, Kärnten, in Wien und in Oberösterreich. Als 1842 Steyerdorf bei Stadt Steyer durch einen Brand verheert wurde, leistete er persönlich während desselben Hülfe, ließ einen Aufruf zur Sammlung von [134] milden Spenden auch in reichsdeutschen Zeitungen erscheinen, infolge dessen die Abgebrannten mehr Unterstützung erhielten, als der Schaden selbst betrug. Die Stadt Steyer bezeugte ihm ihren Dank dadurch, daß sie ihm eine Dankadresse und einen in Silber getriebenen Pokal überreichte. Außerdem erwarb sich Sch. große Verdienste um den Industrie- und Gewerbeverein in Linz, indem er dessen Verbindung mit Erzherzog Johann vermittelte, der zur Förderung dieser Gesellschaft Oberösterreich bereiste, den Sitzungen derselben und ihrer Filialen anwohnte. Diese Thätigkeit wurde dadurch anerkannt, daß Sch. 1844, von Linzer Bürgern gespendet, eine Ehrengabe von 106 Ducaten und bei seiner Wiedergenesung nach schwerer Krankheit ein Festgedicht überreicht wurde.

Die einförmige Arbeit im Katastralwesen behagte Sch. schon lange nicht; als 1845 durch Erzherzog Johann unter der eifrigsten Mitwirkung durch Sch. die k. k. Landwirthschafts-Gesellschaft für das Land ob der Enns gegründet worden war, folgte er ihrem Rufe und übernahm, nach Niederlegung der Stelle im Katastralamte, das Secretariat dieser Gesellschaft. Auch in dieser Stelle wirkte er ausgezeichnet und versah dazu noch die Dienste eines Secretärs des Industrie- und Gewerbevereins in Linz. Die Landwirthschaftsgesellschaften von Salzburg, Wien, Innsbruck, Lemberg und Brünn ernannten ihn zum correspondirenden, die Landwirtschaftsgesellschaft zu Dresden und der historische Verein zu Graz zum Ehrenmitgliede. Er schrieb 1851 und 1852 populäre Broschüren über den Flachsbau, um die armen Bewohner des oberösterreichischen Mühlviertels diesem Culturzweige zuzuführen und ihnen eine bessere Existenz zu verschaffen. 1850 wurde er vom Ministerium zu dem landwirthschaftlichen Congresse und 1851 zum Zollcongresse nach Wien einberufen und in demselben Jahre vom Handelsminister als Berichterstatter für Landwirthschaft zur Weltausstellung nach London entsendet. Von 1845 bis 1861 redigirte er die „Landwirthschaftliche Zeitung für Oberösterreich“ und war eifriger Mitarbeiter des in Wien erscheinenden staats- und volkswirthschaftlichen Tageblattes „Austria“; 1857 wohnte er als Delegirter der Linzer Landwirthschaftlichen Gesellschaft dem internationalen statistischen Congresse in Wien bei.

In ununterbrochener Verbindung stand Sch. mit Erzherzog Johann, der den einfachen, schlichten Mann hoch ehrte und schätzte; 42 Briefe von 1820 bis zum Tode des Erzherzogs (1859) liegen von der Hand des kaiserlichen Prinzen geschrieben an Sch. vor, welche zeugen, wie innig das Verhältniß zwischen diesen beiden, social sich so fernstehenden Männern war.

Schmutz’ wissenschaftliche Arbeiten und praktische Leistungen wurden in der Fremde mehr als in der Heimath anerkannt. Schon 1828 war er von der kgl. preußischen Akademie der Wissenschaften in Erfurt zum correspondirenden Mitgliede, 1831 von der kgl. bayerischen Akademie der Wissenschaften in München und von den k. k. Gesellschaften für Landwirthschaft und Industrie in Kärnten und in Krain zum Ehrenmitgliede ernannt.

1855 legte Sch. die Stelle als Secretär des oberösterreichischen Gewerbe- und Industrievereins und 1861 die des Secretärs der k. k. Landwirthschaftsgesellschaft in Linz nieder. Er starb im 87. Jahre seines Lebens zu Linz am 20. April 1873.

Ilwof, Karl Schmutz. Sein Leben und Wirken. (Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark. XXXIX. Heft, S. 166–250). – Briefe Erzherzog Johanns an Karl Schmutz. Mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Franz Ilwof. (Ebenda XLI. Heft, S. 28–116.)