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ADB:Schmieher, Peter (1. Artikel)

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Artikel „Schmieher (Smiher)“ von Gustav Roethe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 30–31, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmieher,_Peter_(1._Artikel)&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 08:39 Uhr UTC)
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Schmieher (Smiher): Reimpaardichter des 15. Jahrhunderts. Ueber seine Lebensverhältnisse weiß ich nichts zu sagen, als daß er seiner Mundart nach aus Schwaben stammen muß. Die Handschriften, in denen seine Gedichte zerstreut sind, nennen ihn meist ohne Vornamen: „der S.“; in zwei Münchner Hss. heißt er „Peter S.“; in der ganz unzuverlässigen jüngeren Bearbeitung seiner Wolfsklage „Heinrich S.“ (auch Heinrich Schmier, Schnur, Sunherr, lauter Entstellungen des echten Namens).[WS 1] Im Drucke des „Neidhart“, der durch die Uebereinstimmungen mit dem zweifellos ihm gehörigen Spruche vom Spiel als sein Eigenthum feststeht, wird er „der Smeber“ genannt. Dagegen ist es fraglich, ob ihn die Schlußworte eines Lobspruchs auf die Kuh meinen, die lauten: „also redet der Schüber.“ Dafür spricht, daß genau dieselbe oder eine ganz ähnliche Formel sämmtliche echten Schmieher’schen Gedichte beschließt, daß eines derselben in der Hs. (Cgm. 5919) unmittelbar vorher geht. Jene Schlußformel verliert aber dadurch an Beweiskraft, daß sie lediglich den damals in Schwaben und Nürnberg viel gelesenen Teichner copirt und auch bei andern Dichtern der Zeit und Gegend nicht ganz fehlt; und ein innerer Beweis ist nicht zu führen, da jenes Lobgedicht ganz ungenirt den bekannten Spruch des [31] Königs vom Odenwald über die Kuh (Germ. 23, 292) theils verkürzt ausschreibt, theils ergänzt, indem es auch das Kalb behandelt; immerhin ist es bemerkenswerth, daß der für S. besonders charakteristische Dialektreim â : ou (krâmen : zoumen) sich gerade in den wenigen Zusatzversen findet. Noch manche Schmieher’sche Sprüche mögen unerkannt oder unbekannt in den Handschriften verborgen liegen.

Ueberraschend sauber ist der Versbau und trotz einigen Spuren der Mundart auch die Reimtechnik Schmieher’s. Seine klingenden Verse sind noch eben so oft dreihebig wie vierhebig, und störend überladene Verse treten nur als seltene Ausnahmen auf. Das erklärt sich einmal daraus, daß der Dichter in der mhd. Litteratur des 14. Jahrhunderts, zumal in den Reimen des Teichners, wohl bewandert war; dann aber mag, was bei dem Spruch von der Kuh feststeht, auch bei andern Schmieher’schen Gedichten der Fall sein, daß nämlich ein älterer mhd. Spruch zu Grunde liegt; ich denke dabei zumal an die Wolfsklage, Schmieher’s beliebteste und verbreitetste Dichtung, die dem berühmten Schnepperer (s. Rosenplüt) beigelegt wurde und in bearbeiteter Gestalt noch in Agricola’s Sprichwörtern citirt wird; auch Christ. Auer’s Wolfsklage ist nichts als ein Gemisch aus der Bearbeitung und der echten Fassung der Schmieher’schen Reimerei.

Es mag mit dieser gemuthmaßten Unselbständigkeit Schmieher’s zusammenhängen, daß seine dichterische Persönlichkeit so gar nichts Greifbares und Constantes hat. Sein Spruch vom „Neidhart“ weist trocken den neidischen Sinn in allen Ständen auf und mahnt davon ab; an den Dichter Neidhart, den S. nur in der carikirten Fortbildung der pseudoneidhart’schen Gedichte kennt, knüpft lediglich die Einleitung an; der im Drucke nach einer Zeichnung des illustrirten Volksbuchs von Neidhart Fuchs hinzugefügte Holzschnitt (bezüglich auf das Gedicht in Haupt’s Ausgabe XXX) hat mit Schmiehers Reimen nichts zu schaffen. Aehnlich, wie der „Neidhart“ vor dem Neide, warnt der überaus wirre und durch eine ungeschickte Anapher nicht gehobene Spruch „vom Spiel“ vor dem Würfel und seinen Folgen. In beiden Gedichten ist der Teichner Vorbild. Ganz andrer Art ist schon jene Klage des Wolfs, die die Leiden des hungernden verfolgten Thiers in anschaulichen Detailbildern abschildert, ohne die aus dem beliebten Thema leicht herauswachsenden satirisch-didaktischen Motive stark zu betonen. Und wieder eine andre Gruppe bilden die kurze, reizlos erzählte Geschichte vom Studenten zu Prag, eine komische Ehebruchsanekdote, und die widerliche, breitgetretne und konfuse Zote „vom Reiben,“ die S. zwischen Mönch und Nonnen sich abspielen läßt. Daß dies unerquicklichste Gebiet Schmieher’scher Dichtung am sichersten seinen und seiner Zeit unverfälschten Charakter wiedergibt, ist leider nicht zu bezweifeln.

Gedichte Schmieher’s sind gedruckt in A. v. Keller’s „Erzählungen aus altdeutschen Handschriften“ (Stuttg. lit. Ver. 35) S. 306 ff. und in Wagner’s „Archiv f. d. Geschichte deutscher Sprache und Dichtung“ 1, 389 ff.; ferner vgl. Weimarer Papierhs. 145, Bl. 31a; Cgm. 379. Bl. 108a; Cgm. 1020, Bl. 52a; Cgm. 5919, Bl. 216b; Einblattdruck der Gothaer Bibl. 90. Das Material hat Wendeler in Wagner’s Archiv 1, 388 fg., 402–411, umsichtig und gelehrt gesammelt, aber nicht richtig verwerthet.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe dazu auch die Ergänzung des Autors zu Heinrich Schnur.