ADB:Schmid, Leopold
Sengler nach Marburg und arbeitete für dessen Kirchenzeitung, wurde dann aber noch in demselben Jahre Professor und Subregens in dem Priesterseminar zu Limburg. Im Herbst 1832 wurde er, nachdem er das canonische Alter erreicht, zum Priester geweiht. Während seines Aufenthaltes in Limburg veröffentlichte er: „Vorlesungen über die Bedeutung der hebräischen Sprache“, 1832; „Guntram Adalbert’s Briefe an einen Theologen“, 1833; „Erklärung kirchlicher Perikopen“, 1834. Im Sommer 1834 erhielt er einen Urlaub von 21/2 Jahren, um an einer Erklärung der Bibel zu arbeiten. Er verlebte diese Jahre als Hauskaplan bei Friedrich Schlosser auf Stift Neuburg bei Heidelberg. Von dem Bibelwerke ist nur die Erklärung des ersten Buches des Pentateuchs, 1835, erschienen. Es ist bemerkenswerth, daß diese Arbeit in den von der katholisch-theologischen Facultät zu Gießen herausgegebenen „Jahrbüchern für Theologie und Philosophie“ von dem Orientalisten Vullers vom exegetischen Standpunkte (mit Recht) sehr ungünstig beurtheilt wurde, daß dann aber der damals von (dem späteren Bischof) Weiß zu Speyer redigirte ultramontane „Katholik“ nicht nur eine Entgegnung von S. aufnahm (Bd. 56, 100), sondern auch eine anerkennende Besprechung (Bd. 59, 177) und einen längeren Aufsatz von Schmid’s späterem Collegen Lutterbeck (s. A. D. B. XIX, 708) brachte, worin die philosophische Bedeutung des Buches hervorgehoben wurde (Bd. 65, 1). 1835 erschien „Wo wird die Wissenschaft ihre Ruhe und Vollendung finden?“, veranlaßt durch Molitor’s Schrift „Philosophie der Geschichte“. 1837–39 war S. Pfarrer zu Großholbach in Nassau. Im Mai 1839 wurde er auf die Empfehlung des Bischofs Kaiser von Mainz zum Professor der Dogmatik in der katholisch-theologischen Facultät zu Gießen ernannt; die Facultät creirte ihn honoris causa zum Doctor (den philosophischen Doctorgrad erhielt er einige Jahre später von Würzburg). 1843 erhielt er die Erlaubniß, zugleich als Honorarprofessor philosophische Vorlesungen zu halten. 1843 und 1855 wurde er zum Rector der Universität gewählt. Berufungen nach Hildesheim und Breslau lehnte er 1844 bezw. 1846 ab. Im J. 1844 veröffentlichte er das Schriftchen „Ueber die menschliche Erkenntniß“, 1845 „Ein kurzes Wort an die Denkenden in Deutschland über die gegenwärtige religiöse Bewegung“ (den Deutschkatholicismus), 1845–50 drei Hefte Predigten, 1848–50 sein bedeutendstes Buch: „Geist des Katholicismus oder Grundlegung der christlichen Irenik“, [689] 4 Hefte. – Am 22. Februar 1849 wurde S. von dem Mainzer Domcapitel mit vier von sieben Stimmen zum Bischof gewählt (der Gegencandidat war der Domherr Lennig, s. A. D. B. XVIII, 261). Am 1. März nahm er die Wahl an. Von Rom aus wurde ihm aber durch Fr. Schlosser, den Bischof von Limburg, und den Erzbischof von Freiburg mitgetheilt, er werde nicht bestätigt werden, und ihm nahe gelegt, Verzicht zu leisten. Da er sich dessen weigerte und die Einleitung des sonst üblichen Informativprocesses verlangte, theilte Pius IX. unter dem 7. December 1849 dem Domcapitel amtlich mit, er könne die Wahl nicht bestätigen, da der Gewählte nach zuverlässigen Berichten und Documenten die für einen Bischof erforderlichen Eigenschaften nicht besitze. Die Mehrheit des Domcapitels bat unter dem 1. Februar 1850 noch einmal vergebens um Bestätigung der Wahl. Am 24. Februar schlug dann das Domcapitel mit Genehmigung der Regierung dem Papste drei andere Candidaten vor, von denen W. E. v. Ketteler (s. A. D. B. XV, 671) ernannt wurde. S. veröffentlichte darauf das Schriftchen „Ueber die jüngste Mainzer Bischofswahl. Beitrag zur Kirchengeschichte und praktischen Theologie unserer Tage“, 1850; um dieselbe Zeit erschien von Lutterbeck „Der Informativproceß und seine rechtliche Nothwendigkeit zur Entscheidung der Mainzer Bischofsfrage“. – S. gab nun seine theologische Professur auf und ließ sich in die philosophische Facultät versetzen. Er las fast über alle Fächer der Philosophie. Vorlesungen „Ueber die religiöse Aufgabe der Deutschen“, die er 1853 und 1855 hielt, sind 1875 von Lutterbeck mit einer kurzen Biographie veröffentlicht worden. S. selbst ließ noch erscheinen: „Grundzüge der Einleitung in die Philosophie, mit einer Beleuchtung der durch K. Ph. Fischer, Sengler und Fortlage ermöglichten Philosophie der That“, 1860, und „Das Gesetz der Persönlichkeit“, 1862. – Im Frühjahr 1867 theilte S. dem katholischen Pfarrer zu Gießen mit: „er verzichte auf die specifisch römische Kirchengemeinschaft so lange, als diese den eigenthümlichen Werth des Evangelismus anzuerkennen ablehne“. Gleichzeitig veröffentlichte er ein Schriftchen „Ultramontan oder katholisch? Die religiöse Grundfrage Deutschlands und der Christenheit“, worin er erklärt: seiner Ueberzeugung nach seien Ultramontanismus und Protestantismus allerdings unvereinbare Gegensätze, aber nicht Katholicismus und Evangelismus; er sei also mit seiner Erklärung nicht aus dem Katholicismus ausgeschieden und nicht zum Protestantismus übergetreten. Das Schriftchen erlebte rasch vier Auflagen. Es folgten 1868 noch „Mittheilungen aus der neuesten Geschichte der Diöcese Mainz, zur Ehrenrettung der Majorität bei der letzten ordentlichen Mainzer Bischofswahl und der ehemaligen Gießener katholisch-theologischen Facultät sammt der durch sie Gebildeten sowie des Katholicismus überhaupt“. S. starb plötzlich infolge eines Herzschlages. Er hatte seiner bei ihm wohnenden Base den Auftrag gegeben, falls er sterbe, zuerst bei dem katholischen, dann bei dem evangelischen Pfarrer wegen der Beerdigung anzufragen; wenn beide ihre Betheiligung weigerten, möchten seine Freunde ihn in der Stille zum Grabe geleiten; in keinem Falle sei eine Grabrede zu halten. Der katholische Pfarrer erklärte sich ohne weiteres bereit, die Beerdigung vorzunehmen.
Schmid: Leopold S., katholischer Theologe und Philosoph, geboren am 9. Juni 1808 zu Zürich, † am 20. December 1869 zu Gießen. Schmid’s Vater, ein Buchbinder aus Scheer in Württemberg, hatte sich mit einer protestantischen Schweizerin verheirathet. Da er in Zürich als Katholik das Bürgerrecht nicht erlangen konnte, kehrte er 1810 in seine Heimath zurück. S. besuchte 1823–27 das Gymnasium zu Ehingen, studirte 1827–1830 zu Tübingen, dann zu München Theologie, folgte im Frühjahr 1831 seinem zum Professor ernannten Freunde- Bernh. Schroeder und Friedr. Schwarz, L. Schmid’s Leben und Denken nach hinterlassenen Papieren, 1871. – Werner, Gesch. der kath. Theol., S. 468. 508. – Ueber die Bischofswahl s. E. Friedberg, Der Staat und die Bischofswahlen in Deutschland, 1874, I, 296. – Darmstädter Kirchenzeitung 1850, Nr. 26. 27.