Zum Inhalt springen

ADB:Schleich, Eduard (Landschaftsmaler)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schleich, Eduard“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 393–396, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schleich,_Eduard_(Landschaftsmaler)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:18 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Schleich, August
Band 31 (1890), S. 393–396 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Eduard Schleich der Ältere in der Wikipedia
Eduard Schleich der Ältere in Wikidata
GND-Nummer 118759299
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|31|393|396|Schleich, Eduard|Hyacinth Holland|ADB:Schleich, Eduard (Landschaftsmaler)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118759299}}    

Schleich: Eduard S., Landschaftsmaler, geboren am 12. October 1812 im Schlosse Haarbach bei Landshut (Baiern), kam nach der üblichen Vorbereitung in das kgl. Erziehungsinstitut nach Amberg in der Oberpfalz und dann auf das Gymnasium nach München, wohin nach dem Tode des Vaters die Mutter ziemlich verlassen und mittellos gezogen war. Die früh hervorstechende Lust zum Zeichnen brachte den Jungen auf die Akademie, wo indessen seine künstlerische Begabung wenige Hoffnungen bei den Lehrern erweckte. S. ging als echter Autodidakt seine eigenen Wege und bildete sich erst an der Natur und dann, so weit es seine fröhliche Jugend erlaubte, durch das Studium der alten Meister in den Galerien zu Schleißheim und München; durchzog dann das bairische Gebirge und Tirol und verwerthete seine Skizzen zu wohlcomponirten Landschaftsbildern, welche in Ausführung und Farbe mit den übrigen Zeitgenossen so ziemlich gleichen Schritt gingen, ohne sich durch irgend eine Neuheit oder Originalität der Auffassung hervorzudrängen. Anfänglich mit Vorliebe dem Hochgebirge zugethan, wie seine seit 1830 im Kunstverein ausgestellten Bilder bewiesen, erschloß sich ihm doch bald die ganze künstlerische Bedeutung der Ebene mit ihren großen Luftperspectiven („Flache Gegend“ mit einem Dorf im Mittelgrunde, 1831; „Aussicht von einer Hochalpe“, 1832; „Flache Gegend“ mit verdorrten Eichen, 1833), in deren Behandlung er später eine so außerordentliche Meisterschaft erreichen sollte. Dabei hegte S. eine Vorliebe für Abendstimmungen, Nebelmorgen, Regenwetter und Morgendämmerungen. Doch verschmähte er niemals das volle, schwere Mittagslicht. Seine Landschaften wurden beliebt, fanden bereitwillige Käufer und verschafften ihrem Urheber einen guten, volltönigen Namen. Neue Eindrücke sammelte er auf weiteren Reisen nach Oberitalien, Belgien, Frankreich und Holland. Den größten Einfluß übte auf ihn jedoch die zufällige Bekanntschaft mit einigen Stimmungsbildern von Alexandre Gabriel Decamps und des frühe vollendeten Prospere Marilhat. Dazu kam als weiteres Agens die persönliche [394] Bekanntschaft mit dem wortgewaltigen, pinselkundigen Karl Rahl, welcher 1848 bis 1850 auf politischen und artistischen Gastrollen zu München weilte und allerlei congeniale Schicksalsgenossen um sich sammelte. Da Rahl als einziges Rettungsmittel zum Studium der alten venetianischen und niederländischen Coloristen drängte, copirte S. noch einmal Rubens’sche Landschaften in der Pinakothek und ging dann im Geleit des von gleichen Interessen beseelten humoristischen Karl Spitzweg nach Pommersfelden, wo die dortige Galerie neue lehrreiche Anregung und Förderung bot. Die Magie der Farbe und die Geheimnisse ihres Zaubers packten unseren Landschafter, welcher für Schönheit und Wohlklang der Linien schon längst ein wohlgeübtes Auge bewährt hatte. Im vollen Bewußtsein aller dieser Vorzüge bahnte S. eine neue Aera, wetteifernd mit den ebenmäßig von ihm inspirirten Christian Morgenstern und Bernhard Stange. Ihre im fein-abgetönten Clair-obscur spielenden Marinen reflectirten insoweit auf S., der nun auch hinwieder eine eigenthümlich braune Stimmung beliebte, dann aber zum vollstimmigen Orchester der Farbentöne zurückgriff. Was er in diesen Phasen seiner coloristischen Bestrebungen schuf, trägt die Signatur eines höchst dramatisch wirkenden, echten Poeten. Er suchte sein Repertoire nicht allein in weitschweifenden Fernen und in der unnahbaren Bergriesenwelt, sondern nahm das Schöne und Malerische gleich den alten Niederländern, wo er es fand, „an frisch geackerten Feldern und schnurgerade über eine weite Ebene sich hinziehenden Alleen, an irgend einem Tümpel, Altwasser oder Moor, einem zerfahrenen Kiesfelde, wie sie in der oberbairischen Hochebene und den durch die Wasserläufe in ihr eingerissenen Rinnen, besonders an den wilden Isarufern von München aufwärts, auf Schritt und Tritt zu finden sind. Ein unermüdlicher Fußwanderer und Spaziergänger, lauschte er jetzt der Natur hauptsächlich jene Geheimnisse ab, die man ihr nur im Flug entreißen kann und trug sie im getreuesten Gedächtniß nach Hause, wo er sie gewöhnlich erst auf den Deckel irgendeines Cigarrenkistchens als geistvolle Skizze fixirte.“ So wurde S., trotz seines principiellen Kampfes dagegen, doch „insofern wieder ganz Idealist, als er von da an niemals mehr anders als vollkommen frei schuf; er gab den großen Totaleindruck der heimischen Natur mit einer packenden Wahrheit wieder, die durch die breite und großartige Art des Vortrags, die vollendete Herrschaft über die Mittel der Darstellung allemal zur Schönheit geadelt ward“. Immerfort coloristisch experimentirend mit den Erscheinungen in Luft und Wasser, ein wahrer Proteus in Stimmungen, schuf er aus den einfachsten Motiven des Starnberger Sees reizvolle Bilder, ebenso aus den Isarufern und der großen Münchener Ebene. Sie bildeten für S. eine unerschöpfliche Domäne, die er immer mehr auf’s geistreichste zu wiederholen verstand. Stets neue Seiten entdeckend, bald mit der zitternden Mittagsgluth eines heißlastenden Sommertages, bald im jugendlichsten Frühlinge, bei herbstlich gelben Blättern, im Frühnebel, bei Regenschauern oder im träumerischen Mondenglast. Bald folgten auch Strandscenen, nachdem S. den malerischen Dünen von Ostende, Scheveningen und den Elbeufern, später (1871) auch dem ewigen Rom und der Campagna seinen Besuch abgestattet hatte. Ueberall, wo Luft, Wasser und ferne Bergzüge („Fernsicht von Dachau“) ihr reizendes Farbenspiel entfalten konnten, fühlte er sich heimisch angeweht. Dagegen ging er den eigentlichen Hochlandbildern, in welchen z. B. Heinlein so wunderbar excellirte, sorgfältig aus dem Wege, ebenso den Baumlandschaften, welche er willig Anderen überließ. Daß es an Widerspruch Schleich’s bahnbrechender Richtung nicht fehlte, versteht sich von selbst, ebenso daß Auserlesene und Unberufene sich um ihn schaarten und seine Tugenden zu weiteren Consequenzen carikirten oder das Räuspern und Spucken des Meisters nach ihrem Ingenium imitirten. Merkwürdigerweise hielt er seinen einzigen, gleichnamigen Sohn von der Kunst ferne, [395] der erst nach dem Tode des Vaters die gleiche Bahn betrat und mit heutigen Mitteln gleichfalls nach den höchsten Problemen ringend, eine immerhin wieder selbständige, gleich imponirende Stellung erwarb. Eine Aufzählung seiner Werke ist ebenso unmöglich wie eine beschreibende Schilderung derselben. Wir beschränken uns auf eine kurze Charakteristik einiger seiner Schöpfungen. So versetzt uns der Maler inmitten eines weitgestreckten Moores; der Himmel ist stark bewölkt, das Schilf schwankt im Winde; im Wasser zwischen den schlanken Rohren glitzert das bleiche Mondlicht; ein roher Knüppeldamm führt in diese lautlose Stille, welche unwillkürlich an Lenau’s „Schilflieder“ erinnert. – Wieder glänzt der Mondschein, aber dieses Mal auf den blanken Kuppeln von S. Maria della Salute und spielt wie flüssiges Silber über den Wellen der Lagune und die Marmorstufen; dunkle Gondeln schaukeln träumerisch hin und her, lichte Wölkchen ziehen am Himmel und lassen phantastische Formen der Paläste an der Piazetta und am Canale grande noch plastischer hervortreten. – Von da bringt uns der Künstler an die Ufer der langsam dem Meere zuschleichenden Schelde. Es ist, als ob selbst die Lüfte etwas von dem holländischen Phlegma angenommen; die Wolken, hinter welchen der Mond schläfrig hervorschaut, bewegen sich nur schwerfällig dahin, die Segel der Boote hängen schlaff an den Raaen und der Fluß liegt still wie ein See. Und nun führt er den Beschauer in den Hofgarten zu Dachau und zeigt uns die weite, viel verleumdete Hochebene Münchens. Noch breitet über einen Teil derselben das Sonnenlicht seine Zauber, während vom Westen mit imposanter Ruhe ein Heer dichtgeballter Gewitterwolken seine dunklen Schatten voraussendet. Unser Standpunkt ist ein hoher; mit geringen Mitteln erregt der Maler die Empfindung, als ob das Terrain, über welches unser Auge bis zu der fernen Alpenkette wegfliegt, einen Schritt vor uns jäh und unvermittelt abfalle. Unser Herz klopft dem in wenigen Minuten beginnenden großartigen Schauspiel entgegen. Das Bild ist der würdigste Rivale zu Rottmann’s „Schlachtfeld von Marathon“. – An die Stelle der Münchener Ebene tritt die vom nähergerückten Hochgebirge begrenzte, reichbebaute, mit freundlichen Ortschaften belebte Umgebung des Chiemsee, in welcher Fruchtfelder und Waldpartien lieblich wechseln. Ein an den Bergen hinziehendes, mächtiges Gewitter gibt die prächtigsten Lichteffecte: ein versöhnender Regenbogen spannt sich leuchtend über das Land. Aehnlichen Reiz wie weite Ebenen üben große Wasserflächen auf unseren malenden Dichter, welcher jedoch im gewöhnlichen Leben von der nüchternsten Prosa beherrscht werden konnte. – Schleich’s ganze Meisterschaft in der Behandlung der Luft concentrirt sich im Kampfe der Sonne mit dem über einem See liegenden Nebel; er weiß ihn so täuschend und zugleich so künstlerisch schön darzustellen, daß man jeden Augenblick das Durchbrechen der Sonne erwartet, wovon jetzt schon die auf dem Spiegel des Sees leuchtenden Reflexe das Wogen und Wallen der feuchten, unter ihren erwärmenden Strahlen in Bewegung kommenden Dünste zeigen. Aber nicht immer siegt die Sonne: In eintöniger Fläche stürzt unendlicher Regen herab und legt einen grauen Schleier zwischen den Beschauer und die einsamen, in den Wiesen aufsteigenden Baumgruppen. Der Anblick ist ein völlig trostloser und doch vermögen wir unser Auge nicht abzuwenden von so viel Wahrheit und Poesie, denn diese ist auch im strömenden Regen; aber es bedarf des dichterischen Gemüthes eines S., um das in so überzeugender Weise zum Ausdrucke zu bringen. Mit humoristischen Regenbildern excellirten bekanntlich Heinrich Bürkel und Karl v. Enhuber, während S., wie überhaupt in den meisten seiner Motive, gerne einen schwermüthigen Ton vorherrschen ließ. Auch leichte, warme, erquickende Sommerregen wußte er hinzuzaubern; Bäume und Sträucher werfen schon wieder leichte Schatten, die Ebene glitzert und flimmert in den Strahlen der Sonne, die eben [396] durch dünne Wolken bricht, die vor unseren Augen wegzufliegen scheinen. – Und wieder war es eine stürmische Nacht, Regenschauer zogen über das Land und mit bleichem Lichte windet sich die Sonne über den Horizont herauf, um den gestern unentschieden gebliebenen Kampf heute wieder aufzunehmen. – Wie jede neue Erscheinung, so vollzog sich Schleich’s Anerkennung anfangs nur langsam und widerstrebend, das Publicum mußte sich erst an seine Sprache gewöhnen; dann aber faßte er mit intensiver Sicherheit festen, bleibenden Fuß und errang einen wahren Enthusiasmus, welcher den Maler vielleicht zu virtuosen Leistungen noch verführt hätte. Amateurs und Kunsthändler stritten sich jetzt förmlich um seine Bilder und oftmals hat S., wie Fr. Pecht bezeugt, in einem Vormittag ein Bild angefangen und fertig gemacht mit der stupenden Meisterschaft, die er zuletzt erlangte. Andrerseits übte er selbst die strengste Kritik an seinen Producten und übermalte rücksichtslos die herrlichsten Theile, wenn sie ihm nicht zum Ganzen paßten, zur Verzweiflung seiner Freunde, welchen er bisweilen auch die gleiche Theilnahme angedeihen ließ. Kunstvereine und Galerieen wetteiferten um Bilder von seiner Hand. Die Neue Pinakothek verwahrt fünf Werke aus den verschiedensten Phasen seiner Kunst und acht lehrreiche Skizzen aus dem letzten Lebensjahre des Künstlers, welcher mitten aus dem besten Schaffen, am 8. Januar 1874, durch die Cholera dahingerafft wurde. Wenige seiner Collegen genossen so allgemeines Vertrauen durch die männliche Geradheit, stille Wahrhaftigkeit und Biederkeit seines Charakters, so daß er mit allen Ehrenämtern und Vertrauensposten, aber auch mit verdienten Auszeichnungen sattsam bedacht ward.

Vgl. Fr. Pecht in Beil. 16 Allgemeine Zeitung, 1874, dessen Deutsche Künstler, 1885. IV, 212 ff., und Geschichte der Münchener Kunst im neunzehnten Jahrhundert, 1888. S. 165. – Nagler, Lexikon. 1845. XV, 269. – Raczynski, 1840. II, 383. – Vincenz Müller, Handbuch von München, 1845. S. 169. – Regnet in den Münchener Propyläen, 1869. S. 662 ff. und in dessen Münchener Künstlerbildern, 1871. II, 181 ff. – Bericht des Münchener Kunstvereins für 1874. S. 68 ff. – Bruno Meyer in s. Deutschen Warte, 1874. VII, 637. – Sein Porträt findet sich in der Leipziger Illustrirten Zeitung vom 28. März 1874 und in Lützow’s Zeitschrift, 1874. IX, 161 (gezeichnet von A. Ramsthal). – Im September 1888 wurden drei Bilder aus der Salm-Reifferscheid’schen Sammlung zu München versteigert und zwar eine „Norddeutsche Flachlandschaft“ um 2060 Mark, eine „Isarlandschaft bei bewölktem Himmel“ um 2500 Mark und die „Isar-Auen bei München“ (auf der Weltausstellung 1873 prämiirt) um 5200 Mark.