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ADB:Schlabrendorff, Ernst Wilhelm von

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Artikel „Schlabrendorf, Ernst Wilhelm von“ von Colmar Grünhagen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 316–319, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlabrendorff,_Ernst_Wilhelm_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 12:36 Uhr UTC)
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Schlabrendorf: Ernst Wilhelm v. S., † als preußischer Etatsminister für Schlesien und Präsident der beiden schlesischen Kammern am 14. December 1769. Aus der Ehe des Joh. Christian v. S., Erbherrn auf Gröben, Groß- und Klein-Beuthen und Waßmannsdorf (Kreis Teltow) und der Anna Augusta Elisabeth v. Pfuel aus dem Hause Zesen wird er am 4. Februar 1719 auf dem Schlosse zu Gröben, wo die Familie schon seit 1416 ihren Sitz hatte, als neuntes Kind geboren, ein Jahr vor dem Tode des Vaters. Vorgebildet von Hofmeistern zunächst in Gröben und seit 1728 im Hause des ihm verwandten Landraths des Teltower Kreises, Hans Jürgen v. Otterstaedt, besuchte er etwa von 1731 an das Joachimsthal’sche Gymnasium zu Berlin, das er dann mit der Universität Halle vertauschte, wo er drei Jahre Staats- und Cameralwissenschaften studirte. In den Verwaltungsdienst eingetreten, erlangt er bereits im Juli 1740 das Amt eines Kriegsraths bei der Kriegs- und Domänenkammer zu Gumbinnen mit einem Jahresgehalt von 280 Thalern, und hier vermählt er sich 1742 mit Charlotte F. v. Blumenthal, die ihm aber bereits nach zwei Jahren der Tod entreißt. Von Gumbinnen ruft ihn das Ableben seiner Mutter am 12. December 1744 noch einmal nach dem Vaterhause zurück, wo er dann [317] inzwischen 1745 als Geheimerath und Director der pommerschen Kammer mit einem Gehalte von 1350 Thalern nach Stettin berufen sich mit seinen Geschwistern auseinandersetzt und infolge davon 1746 durch einen Bevollmächtigten das Homagium der kurmärkischen Ritterschaft ableistet. In demselben Jahre vermählt er sich von neuem mit Anna Carolina aus der verwandten und befreundeten Familie derer v. Otterstaedt auf Dahlwitz. Einem Berichte Schlabrendorf’s über eine Bereisung von Vorpommern verdankt derselbe ein ungewöhnlich gnädiges Schreiben des Königs vom 12. August 1749, und auch die Uebertragung der Verwaltung des Stettiner Marienstiftes an ihn (1750) darf als eine besondere Gunst angesehen werden; und diese Gunst vermag die persönliche Vorstellung bei dem Herrscher im August 1750 noch so zu steigern, daß er 1754 zum Präsidenten der Magdeburger Kammer berufen wird mit einem Gehalte von 2150 Thalern sammt freier Amtswohnung im Kammerhause und 262/3 Klaftern eichen Brennholz als Deputat. Das Gehalt steigert sich dann noch, als seine umsichtige Verwaltung den Etat der dortigen Kammer um mehr als 8000 Thaler zu steigern vermag. Aber schon das Jahr darauf ertheilt ihm König Friedrich als Beweis höchsten Vertrauens das überaus wichtige und einflußreiche Amt eines Ministers für Schlesien, welche Provinz bekanntlich unter Friedrich eine ganz gesonderte Verwaltung hatte, und mit dem Range eines Etatsministers zugleich den Vorsitz in beiden schlesischen Kammern. Seine Verwaltungskunst und zugleich seine aufopfernde Hingebung im Dienste seines königlichen Herrn stellte der 1756 ausbrechende siebenjährige Krieg auf schwere Proben. König Friedrich war mit dem treuen Eifer seines schlesischen Ministers so zufrieden, daß er ihm unter dem 5. December 1767, dem Tage von Leuthen, die höchste Auszeichnung, den Schwarzen Adlerorden verlieh und kaum hatte der ruhmvolle Friede von Hubertsburg den Drangsalen ein Ende gemacht, so gewährte Friedrich seinem getreuen Helfer in schwerer Zeit unter dem 20. März 1763 das königliche Geschenk von 50 000 Thalern, von welcher Dotation S. dann, nachdem er im December des selben Jahres das schlesische Incolat erlangt hatte, im J. 1766 die Herrschaft Kolzig (Kreis Grünberg) nebst Grunwald, Jaschäne, Lippke und Vorwerk Karsch von Joh. Rud. v. Gersdorf erkaufte. Der Verwaltung dieser Güter sich zu widmen, ließ ihm allerdings seine angestrengte Amtsthätigkeit kaum Zeit, doch entriß ihn dieser bereits im J. 1769 ein früher Tod. Nachdem er in diesem Jahre noch am 25. August im Gefolge seines Königs an dessen denkwürdiger Zusammenkunft mit Kaiser Joseph II. zu Neisse theilgenommen, befiel ihn ein Unterleibsleiden, dem er nach mehrwöchentlichem Krankenlager zu Breslau am 14. December erlag. Am 18. December ward seine irdische Hülle mit großer Feierlichkeit im Hauptschiffe der Stadtkirche zu St. Elisabeth beigesetzt, wo dicht vor dem Altarraum messingene Buchstaben in einer Marmorplatte des Fußbodens eingelassen die Inschrift bilden, welche seine Grabstätte anzeigt.

Ohne Zweifel war S. ein hervorragender Verwaltungsbeamter, ausgezeichnet durch scharfen und regen Verstand, einen hingebenden Eifer für den Dienst seines Königs, durch großartige Arbeitskraft und manche eigenartige und selbständige Ideen, die über das Durchschnittsmaß weit hinausgingen, Eigenschaften, die ihm aller Orten, wo er thätig war, ein bleibendes Andenken sichern mußten. Wie er gleich in seiner ersten selbständigeren Stellung zu Stettin durch die von ihm herbeigeführte Steigerung der fiscalischen Einkünfte aus Pommern die Blicke seines Landesherrn auf sich zu ziehen vermocht hat, so hat er dann auch in der kurzen Zeit, wo er der Magdeburger Kammer vorstand, sich ein nicht geringes Verdienst um den Handel dieser Stadt erworben, insofern er ohne direct auf das veraltete Stapelrecht Magdeburg’s zurückzugreifen, doch durch ein von ihm vorgeschlagenes System von sinnreich eingerichteten und sorgfältig abgestuften Transitozöllen [318] der Elbstadt einen großen Theil des von ihr abgelenkten Verkehrs aufs neue zurückzuführen vermocht hat. Als er dann 1755 nach Schlesien übersiedelte, nahm bald der Ausbruch des Krieges, der im Laufe der Zeit immer bedrohlicher sich gestaltete, seine ganze Kraft in Anspruch, und als derselbe 1763 endlich ein Ende fand, fing für ihn als schlesischen Minister mit der vom Jahre 1764 an von österreichischer Seite proclamirten schutzzöllnerischen Absperrung gegen Schlesien ein neuer Krieg an, den er bis an sein Lebensende den Wünschen des Königs entsprechend mit größtem Eifer und unbeugsamer Energie geführt hat, wenngleich von dem preußischen Ministerium nicht allzeit in dem Maße, wie er es gewünscht hätte, unterstützt. Wir mögen seine Thatkraft und Standhaftigkeit in diesem Zollkriege anerkennen, ohne zu verschweigen, daß derselbe doch auch schwere Verluste für Schlesien im Gefolge gehabt hat und ohne von unserem heutigen Standpunkte aus diese ganze Handelspolitik, die ja allerdings ganz auf des Königs Rechnung kommt, billigen zu können. Hervorgehoben zu werden verdient dagegen, daß unter Schlabrendorf’s Leitung in Schlesien der Anfang einer angemessenen Organisation des Schulwesens geschehen ist, auf welchem Gebiete die preußische Herrschaft, die sonst dem Lande so vieles Gute gebracht hatte, bisher arg zurückgeblieben war. Das Vertrauen, welches S. hier dem hochverdienten Abte Felbiger von Sagan bewies, hat Frucht getragen und einen sicheren Grund gelegt, auf welchem eine spätere Zeit fortbauen konnte.

Einen gewissen Einfluß hat dann S. auch auf die Politik König Friedrich’s gegenüber der katholischen Kirche in Schlesien geübt und seine Rathschläge nach dieser Richtung entsprangen aus einer den schlesischen Katholiken abgeneigten Gesinnung, wie solche die Erfahrungen der Kriegszeit in ihm hatte entstehen lassen, welche in der dem Könige wiederholt ausgesprochenen Behauptung, dieser habe Ursache, allen schlesischen Katholiken und vor allem dem katholischen Clerus, als durchweg österreichisch gesinnt zu mißtrauen, ihren Ausdruck findet. Unzweifelhaft hat S. hierbei über das Ziel hinausgeschossen und an dem, was ihm in solcher bewegten Zeit, wo die confessionellen Gegensätze sich unvermeidlich arg zuspitzten, von verschiedenen Seiten zugetragen wurde, häufig keineswegs die erforderliche Kritik geübt, vielmehr nach dieser Richtung hin Manches, was als Gerücht umlief und erdichtet oder arg entstellt war, an seinen königlichen Herrn berichtet und damit auch auf dessen Meinung eingewirkt. Und wenngleich auch der König mit dem Verhalten der schlesischen Katholiken und namentlich der Geistlichkeit wenig zufrieden war, so hat er doch im Interesse unparteiischer Gerechtigkeit sein Staatsministerium manchen Maßregeln Schlabrendorf’s z. B. in der Sache der Kirchenpatronate Privater oder in der Ausdehnung der Cabinetsordre vom 31. December 1757 bezüglich der Abschaffung katholischer Pfarrer an Orten, wo sich keine Katholiken befänden, auch auf Fälle, wo nur wenige Katholiken in der Gemeinde wohnten, entgegentreten lassen, hat auch verschiedene weitgehende Anträge Schlabrendorf’s nach der verrätherischen Flucht des Bischofs Schaffgotsch auf Säcularisirung des Bisthums Breslau, Absetzung des Bischofs, Einziehung der bischöflichen Einkünfte und Fixirung des Einkommens eines künftigen Bischofs von der Hand gewiesen. Manche andere Vorschläge Schlabrendorf’s hat er allerdings willkommen geheißen, wie z. B. mit Befriedigung wahrgenommen, wie dieser die umfänglichen Besitzungen der todten Hand in Schlesien dadurch nutzbar zu machen verstand, daß er die zahlreichen schlesischen Stifter und Klöster bewog und anhielt, auf ihren zum Theil recht großen Gütern verschiedene industrielle Anlagen, welche für das Land ersprießlich schienen, ins Leben zu rufen.

Das Ruhmvollste aus dem Leben Schlabrendorf’s ist offenbar seine Thätigkeit während des siebenjährigen Krieges; wesentlich um dieser willen hat er seinen [319] Platz unter den Paladinen des großen Königs an Rauch’s herrlichem Friedrichsdenkmal gefunden. Denn, wenn auch die oft erzählte Geschichte, daß S. bei dem berühmten Zuge von Sachsen nach Schlesien, den Friedrich im Herbste 1758 nach dem Unfalle von Hochkirch zum Entsatze von Neisse unternahm, dem Könige und seinem Heere nur dadurch habe die Subsistenzmittel sichern können, daß er im Widerspruche mit den ihm bei Todesstrafe ertheilten Befehlen in besserer Voraussicht über die Magazine verfügt habe, vor der historischen Kritik nicht standhält, so kann doch immerhin der König von ihm in späteren Jahren geäußert haben: „j’aurois risqué de mourir de faim moi et mon armée sans la prévoyance de cet homme“. Die in dem fortwährend von dem Feinde bedrohten und häufig zum großen Theile von demselben occupirten Schlesierlande doppelt schwer zu erfüllende Pflicht, seinem königlichen Herrn Geld, Rekruten und gefüllte Magazine zu schaffen, hat S. in dieser drangvollen Zeit in geradezu großartiger Weise erfüllt, mit nie ermattendem Eifer dafür thätig, jeden günstigen Augenblick rasch benutzend, allzeit ausschließlich seiner großen Aufgabe lebend, und dabei auch in der schlimmsten Zeit, in den gefährlichsten Lagen erfüllt von felsenfestem Vertrauen auf das Genie und die Thatkraft seines großen Königs, wie er in den furchtbaren Tagen nach der Kunersdorfer Niederlage einem Freunde schreibt: „Es gibt hier schon viele Kleinmüthige, ich hoffe mit Gottes Hilfe, daß unser großer König Alles wieder herstellen wird und lasse den Muth nicht sinken.“ Ganz unzweifelhaft hat dieses leuchtende Beispiel patriotischer Begeisterung und treuester Ergebenheit gegenüber dem Landesherrn hier in Schlesien einen mächtigen Eindruck gemacht und segensreich gewirkt. Und wenn der sonst recht sparsame Friedrich unmittelbar nach dem Ende des furchtbaren Krieges hier eine königliche Freigebigkeit zeigt, so dürfen wir sicher sein, daß er in diesem Falle ganz außergewöhnliche Verdienste angemessen belohnen zu müssen geglaubt hat.

Auch S. hat übrigens von dem strengen Gebieter manch hartes Wort hinnehmen müssen, und gerade sein großer Eifer ließ ihn manchmal selbständiger vorgehen, als Friedrich es dulden wollte. Noch 1766 Nov. 25. gibt ihm derselbe wegen seiner Willkür sein „äußerstes Mißfallen“ zu erkennen und warnt ihn vor Schlimmerem. Ja, noch in seinen letzten Lebenstagen scheint eine Beschwerde schlesischer Edelleute, welche sich von S. in ihren Rechten verletzt glaubten, den König gegen seinen Minister erzürnt zu haben. Der Letztere schrieb von seinem Todtenbette aus: „Diese Ungnade schlägt den letzten Nagel in meinen Sarg. Ich fühle, daß ich meinem Ziele nahe bin, und wenn Ew. Majestät dieses mein allerunterthänigstes Schreiben eröffnen, werde ich nicht mehr sein. Soll ich aber das Unglück empfinden, diese Ungnade mit ins Grab nehmen zu müssen, so tröstet mich das Bewußtsein, mein ganzes Leben Ew. Majestät Interesse aufgeopfert zu haben“. (Retzow, Charakteristik des 7jährigen Krieges I, 378, Anm.) In der That soll das begütigende Schreiben des Monarchen erst eingetroffen sein, als sein treuer Diener bereits entschlummert war. Die Verleihung der Grafenwürde an seine Nachkommen 1772 und 1786 zeigte, wie hoch der König sein Andenken ehrte. Noch auf seinem Krankenlager soll S. eine Denkschrift verfaßt haben, dazu bestimmt, eine Fortdauer der gesonderten Verwaltung Schlesiens dem Könige als letzte Bitte ans Herz zu legen. (Schles. Provzbl. 1807 II, 497.)

Quellen: Die äußeren Lebensumstände nach handschriftl. Notizen im Nachlasse seines Sohnes Gustav v. S. – Fechner, Die handelspolitischen Beziehungen Preußens zu Oesterreich 1741–1806, Berlin 1886. – Lehmann, Preußen und die katholische Kirche, Archivpublikationen Bd. XIII u. XVIII.