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ADB:Scheibler, Johann Heinrich

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Artikel „Scheibler, Johann Heinrich“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 702–704, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Scheibler,_Johann_Heinrich&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 14:53 Uhr UTC)
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Scheibler: Johann Heinrich S., ein Seidenfabrikant in Crefeld, der sich durch akustische Beobachtungen und Erfindungen bekannt gemacht hat. Er war am 11. November 1777 zu Montjoie bei Aachen geboren und starb am 20. November 1838 zu Crefeld. Aus eigenem Triebe, doch ohne die nothwendige wissenschaftliche Vorbildung, beschäftigte er sich neben seinen Fabrikangelegenheiten mit Physik und Akustik, und da er viel Sinn für Musik hatte, so verfiel er erst darauf, das Griffbrett seiner Guitarre besser einzutheilen, um eine reinere Stimmung zu erzielen, dann ging es an die Maultrommel, die er bis auf 20 Töne erweiterte und sie „Aura“ nannte. Fort und fort bemüht, die feststehenden Töne der Schlag- und Reißinstrumente in eine reinere Stimmung zu bringen, gelangte er auch zum Clavier und der Orgel und erfand hierzu einen Mechanismus, der eine Zeit lang die Aufmerksamkeit der Physiker und Musiker beschäftigte, durch die Umständlichkeit der Behandlung aber bald nach seinem Tode wieder verschwand. Bei seinen Versuchen und Beobachtungen war er zu dem Resultat gelangt, daß zwei gleiche Töne, also im Einklang stehende, beim Zusammenklingen Stöße hervorbringen, die selbst dem ungeübten Ohre vernehmbar sind; sobald die Töne nicht absolut rein zusammenstimmen. Diese Schläge benutzte er zur Messung einer gleichschwebenden Temperatur bei Clavierinstrumenten und zwar erfand er dazu einen Metronom, den er in der Skala auf 60 stellte, stimmte eine Anzahl Stimmgabeln auf die Töne a’ g’ f’ dis’ cis’ h (vermehrte sie später auf 12 Töne) und nun mußte Stimmgabel und der Ton [703] des Clavierinstrumentes in einer gewissen Zeit vier Schläge oder Stöße machen, dann hatte der Ton die möglichst reinste Stimmung erreicht. Bei den reichen Geldmitteln, die S. zu Gebote standen, sorgte er dafür, daß seine Erfindung auch die gehörige Beachtung finde. Er gab nicht nur mehrere Abhandlungen heraus, sondern lud auch die angesehensten Musiker zu sich ein, oder besuchte sie und bewog dieselben zu einem öffentlichen Urtheile. Seine erste Abhandlung erschien 1834: „Der physikalische und musikalische Tonmesser, welcher durch den Pendel, dem Auge sichtbar, die absoluten Vibrationen der Töne, der Hauptgattungen von Kombinationstönen, sowie die schärfste Genauigkeit gleichschwebender und mathematischer Accorde beweist, erfunden und ausgeführt von … Essen, Bädeker.“ (VIII, 80 Seiten in 8°.) 1836 erschien in Crefeld eine abermalige Erklärung seiner Erfindung ohne den Namen des Verfassers, 16 Seiten. 1837: „Anleitung, die Orgel zu stimmen,“ von … ebd. 17 Seiten. Hier nimmt er nur 3 Stimmgabeln an, von denen er jede zu 3 Mk. ausbietet. Eine Erklärung über die Anwendung wird nicht mitgetheilt. Eine andere Brochure in demselben Jahre ist betitelt: „Ueber mathematische Stimmung, Temperaturen und Orgelstimmungen nach Vibrationsdifferenzen oder Stößen.“ von … Crefeld. 26 Seiten. Hierin bemerkt er, daß seine Erfindung bei den Musikern Spohr, Neukomm, Cherubini, Moscheles, Ries und Hauptmann große Anerkennung gefunden habe und daß in London bereits Herr Wortmann aus Crefeld in den angesehensten Familien die Pianoforte nach seiner Angabe stimme. Die Urtheile der obigen Musiker sind gleich schwarz auf weiß zu lesen. Es gewährt gewiß einen Einblick in die Sache, wenn eines der Urtheile hier abgedruckt wird. „Der Ritter, Herr Neukom, schrieb im September 1836 an Herrn …, beständigen Secretär der königlichen Akademie der Wissenschaften in … Da mir das Schriftchen des Herrn Scheibler über seine 20jährigen acustischen Arbeiten in England bekannt wurde, so habe ich, um zu sehen, ob die Anwendung der Theorie entspreche, meinen Weg von London nach Paris über Crefeld genommen. Man hat unter meinen Augen ein Klavier und eine Orgel nach dieser Theorie gestimmt und Sie würden erstaunen, wenn Sie die Stöße mit einer mathematischen Genauigkeit nach dem Metronompendel reguliren sähen. Es ist so leicht, nach diesem Verfahren zu stimmen, daß man es bald selbst ausführen kann, da man nach einfachen und bestimmten Gesetzen verfährt, und nichts von der augenblicklichen Disposition des Stimmers abhängt. Der Erfolg ist, daß man weit schneller zurecht kommt, als nach dem Gehör, und immer dessen gewiß ist, was man zu thun hat. Auf der so temperirten Orgel kann man auf die kühnste Weise moduliren, was bei der Stimmung nach dem Gehör nie der Fall ist.“ Trotz aller Anerkennung konnte aber die Erfindung nicht Fuß fassen. 1837 bewog S. einen gewissen Dr. Joh. Jos. Loehr über seine Stimmungsmethode zu schreiben. Die Broschüre erschien in Crefeld bei C. M. Schüller, 45 Seiten stark. Die königliche Bibliothek zu Berlin, die im Besitze aller erwähnten Schriften ist, besitzt auch noch eine „Tabelle zur Ermittelung des Tones a auf der Orgel und Stimmungstafel für die Orgel. Von Heinrich Scheibler. Crefeld, Schüller.“ Auch in der Zeitschrift Cäcilia, Mainz bei Schott, 1837, Bd. 19, erschien Seite 217 ein umfangreicher Artikel über seine Methode; derselbe ist mit dem sonst ganz unbekannten Namen Schwiening gezeichnet, den ich für pseudonym halte. So wirkte S. bis zu seinem Ende für seine Stimmungsmethode und erreichte doch nicht mehr, als daß der bekannte Orgelvirtuose J. G. Töpfer 1842 oder 43 ein Werk herausgab, betitelt: „Die Scheibler’sche Stimm-Methode, leicht faßlich erklärt und auf neue Art angewendet.“ Erfurt bei Körner. Er verzichtet hierin auf die Stimmgabeln und stellt die Temperatur ohne Hülfston her; statt dessen sucht er Alles durch mathematische Formeln zu [704] beweisen, welche für den praktischen Stimmer von gar keinem Werth sind, da er sie eben nicht versteht. Scheibler’s Methode war eben gerade für den Praktiker von so großem Werth, da ihm Stimmgabel und Pendel die Stimmung vorschrieb, was auch von allen Autoritäten anerkannt wurde. Doch hängt noch bis heute die Stimmung unserer Pianoforte und Orgeln von dem schwankenden Gehör eines Stimmers ab, der nur auf gut Glück die mittlere Octave temperirt ausstimmt und danach die übrigen Octaven übereinstimmt.