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ADB:Sanio, Karl

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Artikel „Sanio, Karl“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 709–711, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sanio,_Karl&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:57 Uhr UTC)
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Sanio: Karl Gustav S., Botaniker, geboren am 5. December 1832 zu Lyck in Ostpreußen, † ebenda am 3. Februar 1891. Als Sohn eines Gutsbesitzers fand S. früh Gelegenheit, die Natur zu beobachten und seiner Neigung zum Sammeln und Bestimmen von Naturobjecten nachzugehen, sodaß er bereits während seiner Gymnasialzeit, die in die Jahre 1843–52 fiel, sich tüchtige Kenntnisse der Flora seiner Heimathprovinz erwarb. Im Herbste 1852 bezog S. die Universität Königsberg, um Naturwissenschaften zu studiren, wandte sich aber auf den Rath seines Lehrers, des Botanikers Ernst Meyer, nach drei Semestern der Medicin als Brotstudium zu und bestand im März 1855 sein erstes Examen. Unmittelbar darauf ging er behufs Fortsetzung seiner Studien nach Berlin, wo er in den Professoren A. Braun und Pringsheim bereitwillige Förderer seiner Bestrebungen fand und zu dem schon damals als Systematiker bewährten Docenten P. Ascherson in nähere Beziehung trat. Inzwischen hatte S. das medicinische Studium aufgegeben und sich ganz auf Botanik geworfen. Seine ersten wissenschaftlichen Arbeiten über die Entwicklung der Sporen bei Equisetum (Bot. Zeitung 1856 u. 1857) und über die in der Rinde dicotyler Holzgewächse vorkommenden Niederschläge von kleesaurem Kalk (Sitzungsbericht d. Berliner Akad. d. Wissensch., April 1857) zeigen, daß er sich in den letzten Studienjahren vorwiegend mit anatomischen Untersuchungen beschäftigt hatte, während seine Dissertation, auf Grund deren er am 1. Juni 1858 in Königsberg zum Dr. phil. promovirt wurde, noch rein floristischen Inhalts war. Sie erschien als „Flora Lyccensis“ 1858 im 29. Bande der Zeitschrift Linnaea. Nunmehr kamen in rascher Folge [710] weitere anatomische Arbeiten von Bedeutung an die Oeffentlichkeit, nämlich: „Vergleichende Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung des Korkes“ (Pringsheim’s Jahrb. II, 1858) und noch in demselben Jahre: „Untersuchungen über die im Winter Stärke führenden Zellen des Holzkörpers dicotyler Holzgewächse“ (Linnaea XXIX) und „Untersuchungen über die Epidermis und Spaltöffnungszellen der Equisetaceen“ (ebendort); alles Arbeiten von bleibendem Werth, die in nichts den Anfänger verrathen. Nach dem Tode von E. Meyer habilitirte sich S. im Herbste 1858 in Königsberg als Privatdocent für Botanik und begann im darauffolgenden Sommer seine Vorlesungen, die sich über das Gesammtgebiet seiner Wissenschaft erstreckten und mit botanischen Excursionen verbunden waren. Seine Wirksamkeit an der ostpreußischen Universität währte bis zum Jahre 1866 und fand alsdann einen unerfreulichen Abschluß. Als Nachfolger Meyer’s war 1859 Robert Caspary auf den Königsberger Lehrstuhl für Botanik berufen worden. Zwischen ihm und S. herrschte von Anfang an ein gespanntes Verhältniß, das aus den Charaktereigenthümlichkeiten beider Männer erklärbar wird, die beide, ihres eigenen Könnens vollbewußt, wenig geneigt waren, neben ihrer Meinung die abweichende Meinung Anderer gelten zu lassen. Schließlich spitzten sich die Dissonanzen bis zur Unerträglichkeit zu, und da sich S. auch in seiner Lebensführung Unregelmäßigkeiten zu Schulden kommen ließ, so schritt zuletzt die Aufsichtsbehörde ein und veranlaßte S. zur Aufgabe seiner Lehrthätigkeit. Den im ersten Unmuth über sein Schicksal gefaßten Plan, nach Amerika auszuwandern, gab S. allerdings bald auf. Doch verkaufte er seine wissenschaftlichen Sammlungen und seine Bibliothek und zog sich nach seiner Vaterstadt Lyck zurück. Hier begann er nach kurzer Zeit von neuem wissenschaftlich zu arbeiten, bis ihn, ohne vorangegangene Krankheit, noch vor vollendetem 60. Lebensjahre ein plötzlicher Tod infolge eines Schlaganfalles ereilte.

Im Interesse der botanischen Wissenschaft ist Sanio’s Loos lebhaft zu beklagen. Sicher würde er, der jedem Lehrstuhl zur Zierde gereicht hätte, sich als Pflanzenanatom den bedeutendsten Männern seines Faches angereiht haben. Schon seine oben erwähnte Erstlingsschrift über das Vorkommen von Kalksalzen in der Rinde einiger Holzgewächse verräth den scharfsichtigen Forscher. Er wies hier nach, daß die bis dahin für rhomboedrischen Kalkspath gehaltenen Inkrustationen aus monoklinen Krystallen von oxalsaurem Kalk beständen. Von größter Bedeutung aber waren seine Untersuchungen über das Dickenwachsthum des Holzkörpers. Nach dieser Richtung hin veröffentlichte er neben den bereits angeführten Arbeiten noch folgende wichtige Abhandlungen in der Botanischen Zeitung: „Einige Bemerkungen über den Bau des Holzes (1860); „Bemerkungen über den Gerbstoff und seine Verbreitung bei den Holzpflanzen“ (1862); „Vergleichende Untersuchungen über die Elementarorgane und über die Zusammensetzung des Holzkörpers“ (1863) und „Ueber endogene Gefäßbündelbildung“ (1864). In Verbindung mit den etwas früher publicirten Arbeiten Hanstein’s und Nägeli’s über die Fibrovasalstränge brachten Sanio’s Schriften zuerst größere Klarheit in die Vorgänge des Dickenwachsthums der Stämme und beseitigten namentlich durch scharfe Unterscheidung der verschiedenen Elementarbestandtheile des Holzkörpers die vorher herrschende Begriffsverwirrung in der Classification und Nomenclatur dieser Organe. Gegenüber diesen Erfolgen tritt Sanio’s litterarische Thätigkeit während seiner zweiten Lebensepoche an Bedeutung zurück. Nur zwei Abhandlungen in Pringsheim’s Jahrbüchern: „Ueber die Größe der Holzzellen bei der gemeinen Kiefer“ (Bd. VIII) und „Anatomie der gemeinen Kiefer“ (Bd. IX) bildeten noch wichtige Ergänzungen zu seinen früheren anatomischen Forschungen. [711] Sonst wandte sich seine Hauptneigung wieder der floristischen Erforschung seiner Heimath, vorzugsweise auf dem Gebiete der Kryptogamen zu. Die hierbei erzielten Resultate veröffentlichte er zumeist in den Verhandlungen des botanischen Vereins der Provinz Brandenburg (1881, 1883), im Botanischen Centralblatt (1880–90) und in der Zeitschrift Hedwigia deren Redaction S. während des Jahres 1887 zeitweise übernommen hatte.

P. Ascherson, Nachruf in „Verhandlungen des botanischen Vereins der Provinz Brandenburg“, Bd. XXXIV, 1891.