ADB:Sanders, Johann
Melchior Neukirch (s. A. D. B. XXIII, 512) ein lateinisches Begleitgedicht spendete. Mit der biblischen Erzählung hat S. breite lebendige Sittenschilderungen verbunden; trotz der weitläufigen Anlage – es treten über 50 Personen auf – ist der Sinn für das dramatisch Wirksame nicht zu verkennen. In den ersten drei Acten stellt der lutherische Dichter die Wirksamkeit des Bußpredigers unter den Pharisäern, Zöllnern und Kriegsknechten dar und benutzt als Modelle die „falschen Lehrer und unnützen, faulen Thumpfaffen und Mönche“, die gewissenlosen Kaufleute und die mit ihren Dirnen auf den Dörfern herumziehenden Gartbrüder, „die frommen Kinder von Raubestadt“, die rühmend ihrer Hühnerdiebstähle und anderer Schelmstreiche gedenken. Johannes hebt als „warhafte Contrafactur [353] eines rechtschaffenen getreuen Predigers“ eine Reformation an und eifert gegen das Opfer und die Ceremonien wie gegen das Amt des Hohenpriesters und das lockere Leben der Domherren. Verständigerweise ist seine Strafpredigt in Dialoge mit den bußfertigen und verstockten Vertretern der einzelnen Stände aufgelöst. Die Verwickelung beginnt erst im 4. Act, den die vergilische Fama („in einem Fastnachtskleid mit Flügeln“) wie in Shakespeare’s Heinrich VI. oder in Daniel Cramer’s Plagium mit einer Uebersicht über die Geschichte des Herodes (nach Josephus) eröffnet. Die Scene, in der Herodes, durch die Drohungen des Propheten erschüttert, sich von dem Weibe des Bruders zu trennen denkt, dann aber sich von Herodias zur Einkerkerung des Warners überreden läßt, war schon von Sanders’ Vorgängern, wie Schöpper und Al, deren Zusammenhang mit unserm Dichter noch untersucht werden muß, als die am meisten dramatische der ganzen Fabel erkannt und ausgestaltet worden. Auch hier bildet sie den Glanzpunkt des Stückes. Zuerst holt Hofteufel, vom Kirchteufel unterstützt, Cupido herbei, um durch seinen Pfeil im Herzen des wankelmüthigen Königs die Erinnerung an die Geliebte zu entflammen, dann bestürmt ihn Herodias selbst liebkosend („O Herodes hertzliebster mein, Dein hertze mus viel härter sein Als jennig adamanten Stein, Wo du wirst vergessen mein“) und fußfällig flehend nebst ihrer Tochter und ihren Zofen; durch die Drohung, sich selber zu erstechen, erwirkt sie endlich die Zusage, daß Johannes gefangen gesetzt werden soll. Im Schlußacte sind zeitgemäße Motive, wie die unfläthigen Saufgelage der Edelleute und ihre Bauernplackerei, mit den Vorbereitungen zu einem glänzenden Hoffeste verflochten. Lebendig wird der Empfang der Gäste, der Aufzug der Königin, das Walten des Marschalls, das galante Tischgespräch, das Zutrinken, die Unterhaltung durch Gesang („ein nidesch Lied von falschen Zungen, so hertzliebe scheiden“) und Tanz vorgeführt. Auf die hinter der Bühne vor sich gehende Enthauptung des Täufers folgen als versöhnender Abschluß die Gewissensbisse des Tyrannen, die Enttäuschung der Teufel und der von Engelgesang begleitete Leichenzug.
Sanders: Johann S., lutherischer Dramatiker des 16. Jahrhunderts. Ob er mit dem im Sommer 1547 in Leipzig immatriculirten Joannes Sanderus Granssvigen(sis) identisch ist, muß vorläufig dahingestellt bleiben. Als Pfarrer zu Adenstedt bei Peine gab er 1588 eine „Tragoedia Von dem anfang, mittel vnd ende Johannis des Teuffers“ (Magdeburg, A. Kirchner, 21 Bogen 8°) heraus, zu welcher ein Amts- und Dichtergenosse,