ADB:Salzmann, Carl
Christian Gotthilf Salzmann’s, des Stifters der Erziehungsanstalt Schnepfenthal. Der Knabe zeigte einen gesunden, tüchtigen Verstand, Wahrhaftigkeit, Gewissenhaftigkeit und ein frommes Gemüth, das Erbe seines edlen [301] Vaters. Schon 1789 wurde er unter die Zahl der Zöglinge der Anstalt seines Vaters aufgenommen; sein Fleiß und seine Fortschritte bewirkten bald seine Versetzung unter die älteren und vorgerückteren Schüler. Außer den üblichen Unterrichtsfächern wurde auch Musik, besonders das Orgelspiel, mit Eifer und schönem Erfolg von ihm betrieben. Nach seiner 1799 erfolgten Confirmation wurden ihm schon einzelne Obliegenheiten in der Anstalt übertragen, und im Januar 1801 durfte er, obwohl selbst noch Zögling, am Unterrichten der jüngeren Schüler theilnehmen. Nachdem er die Anstalt absolvirt hatte, trat er am 1. April 1802 an die Stelle des die Anstalt verlassenden Lehrers Buch und übernahm die Leitung eines Theils der jüngeren Zöglinge. Diese Thätigkeit währte jedoch nur kurze Zeit, da S. am 15. October 1803 nach Göttingen abging, um seine Universitätsstudien zu beginnen. Welche Professoren er daselbst gehört, läßt sich nicht feststellen. Ende März 1805 brach S. seine Studien daselbst ab und ging nach London, um sich in der Uebung der englischen Sprache, mit der er sich zuvor schon eingehend beschäftigt hatte, zu vervollkommnen und zugleich auch die pädagogischen Einrichtungen Englands genauer kennen zu lernen. 1805 kehrte S. nach Schnepfenthal zurück und trat nun, ausgerüstet mit reichen Kenntnissen und getragen von den edelsten Vorsätzen sein Lehr- und Erziehungsamt daselbst an. Die Fächer, die ihm übertragen wurden, waren zunächst Botanik, die er mit besonderer Vorliebe betrieb, sodann englische Sprache und seit 1809 auch Latein, wozu dann noch Sternkunde trat; außerdem ward ihm eine Abtheilung für Gymnastik und der Unterricht im Schwimmen zugewiesen, sowie auch eine Anzahl Zöglinge seiner Specialaufsicht anvertraut. Trotz seines noch jugendlichen Alters verstand es S., seiner Aufgabe mit dem ihm zeitlebens eigenen Ernste, mit gewissenhafter Sorgfalt und der ihn immer auszeichnenden ruhigen Ueberlegung gerecht zu werden, welche Eigenschaften ihm die geistige Ueberlegenheit über fast gleichalterige Zöglinge sicherten. In dieser Zeit seiner ersten Lehrthätigkeit lernte S. Thusnelda Lenz kennen, die älteste Tochter seines Schwagers, des in Nordhausen als Director des dortigen Gymnasiums wirkenden Christian Ludwig Lenz; ihre geistigen Vorzüge und häuslichen Tugenden bestimmten S. sie zu seiner Lebens- und Berufsgenossin zu wählen. Am 8. August 1807 fand die Vermählung statt. Ihr beiderseitiges Streben war fortan, gemeinsam die ihnen gewordene schwierige Aufgabe, die Erziehung und Pflege der ihrer Fürsorge anvertrauten Jugend, in treuester Pflichterfüllung zu lösen. Und sehr bald fiel ihnen diese Aufgabe in vollem Maße zu, denn der Gründer der Anstalt Christ. Gotthilf S. starb schon am 31. Oct. 1811, und die Leitung derselben ging nun vollständig in die Hände des Sohnes und seiner Gattin über. Karl S. war damals 27 und seine Frau 20 Jahre alt; es waren junge Kräfte fürwahr, denen hier eine schwere Arbeit zugewiesen war, aber bald zeigten die Erfolge, daß sie derselben gewachsen waren. Am 8. Novbr. 1811 übernahm S. förmlich die Direction der Anstalt. Die Grundsätze des Stifters, nach denen dieselbe bisher geleitet worden war, und die sich als richtig bewährt hatten, verblieben natürlich, sie waren ja erprobt; einzelne Aenderungen, die nichts Wesentliches berührten, kommen jenen Principien gegenüber nicht in Betracht. Schwieriger gestaltete sich für S. die Weiterführung der Anstalt in materieller Hinsicht; dies war keine so einfache Sache; denn es mußten die von dem Vater für die Uebernahme der Anstalt gestellten Bedingungen erfüllt und die an die übrigen Geschwister Salzmann’s geschuldeten Forderungen befriedigt werden. Daß dies nicht leicht war, geht daraus hervor, daß erst 1831 es S. gelang, alle Verpflichtungen dieser Art abzulösen und daß erst mit diesem Jahre die Anstalt in seinen Alleinbesitz überging. S. hatte das Glück, bei Uebernahme des Directorats über eine Anzahl tüchtiger, schon zuvor [302] durch ihre Wirksamkeit an der Anstalt bewährter Lehrkräfte verfügen zu können, und es gelang ihm zumeist, sie dauernd an das Institut zu fesseln; erwähnt mag hier sein Johann Christoph Guts Muths, Friedr. Weißenborn, Joh. Wilh. Ausfeld, Julius Girtanner sowie Ernst und August Ausfeld; von andern ausgezeichneten Lehrern, die S. für die Sache gewann, sollen hier nur August Rein, Siegmar Lenz, August Röse, August Winzer und Eduard Thomas genannt werden.
Salzmann: Johann Christian Karl S., geboren am 3. Juli 1784 auf dem Gute Schnepfenthal, † daselbst am 21. November 1870, war der dritte SohnDie Leitung der Anstalt brachte S. eine Mehrung der Geschäfte, so daß er einen Theil seiner Unterrichtsfächer sowie auch die ihm bisher zufallende Specialaufsicht über eine gewisse Zahl von Zöglingen seinen übrigen Mitarbeitern zuweisen mußte. Um aber in steter geistiger Fühlung mit allen Schülern bleiben und vor allem den weitgehendsten Einfluß auf das Gemüth sowie auf den religiös-sittlichen Fortschritt derselben gewinnen zu können, übernahm S. den Religionsunterricht in allen Classen. Wie sein Vater es gethan, richtete er diesen Unterricht so ein, daß Glieder beider christlichen Confessionen daran theilnehmen konnten. Obwohl nicht Theologe, fühlte S. sich doch zu diesem Gebiete hingezogen und hatte sich hier ein Wissen angeeignet, das ihn zu einer erfolgreichen Führung des Religionsunterrichtes an seiner Anstalt ganz wohl befähigte; er war persönlich durchdrungen von echter Frömmigkeit und erfüllt von dem Wort und dem Geiste der heiligen Schrift. Für die Zwecke dieses Unterrichts ließ er in späteren Jahren eine Auswahl von Bibelsprüchen im Druck erscheinen; außerdem gab er in gleicher Absicht 1829 eine „Uebersicht des Merkwürdigsten aus der Geschichte des Alten Testamentes“ heraus, die 1839 in 2. Auflage erschien. Der Religionsunterricht galt S. als das wichtigste Erziehungsmittel, und in der Art, wie er ihn ertheilte, bildete er sich die sicherste Grundlage für alle weitere geistige Entwickelung seiner Zöglinge.
Die kriegerischen Zeitverhältnisse der Jahre 1812 und 1813 wirkten nachtheilig auf die Frequenz der Anstalt; zu Anfang des Jahres 1814 zählte dieselbe nur 22 Zöglinge. Schnepfenthal erfuhr nach der Schlacht bei Leipzig die Schrecken des Krieges aus unmittelbarster Nähe. Doch hob sich nach dem Frieden der Besuch der Anstalt in erfreulichem Maße, ein Beweis des Zutrauens, das dem bewährten Institut entgegengebracht wurde. S. arbeitete trotz aller äußeren und persönlichen Hemmnisse und Schicksale mit seiner ihn treu unterstützenden Gattin vertrauensvoll und rastlos weiter und suchte nach gemachten Erfahrungen und den Anforderungen der fortschreitenden Entwickelung auf dem Gebiete der Pädagogik entsprechend die Einrichtungen der Anstalt stets zu vervollkommnen. Die Ertheilung des Reitunterrichtes, der 1811 aufgegeben worden war, wurde 1817 wieder begonnen; 1818 wurde der Turnplatz unter Guths Muths Leitung zweckdienlich umgestaltet und so erweitert, daß gleichzeitig alle Zöglinge vereint die Turnübungen vornehmen konnten; auch wurden zugleich die Turngeräthe vermehrt. Die Pflege des Gesanges, des kirchlichen wie weltlichen, wurde als vorzügliche pädagogische Aufgabe betrachtet. S. war bestrebt, hier nur sorgfältig Ausgewähltes üben zu lassen, er sammelte und prüfte selbst das Geeignete; so ließ er 1821 ein „Neues Gesangbuch für die Erziehungsanstalt in Schnepfenthal“ erscheinen, das den kirchlichen Zwecken diente, diesem folgte 1826 die Sammlung „Lieder zur Beförderung des geselligen Vergnügens“. Beide Sammlungen sind nach ihrem wesentlichen Inhalt in die noch heute in der Anstalt benützten Gesangbücher übergegangen. Wenn die Frequenz der Anstalt in den einzelnen Jahrgängen sich bald bedenklich minderte, bald aber auch erheblich stieg, so darf dies nicht als ein Zeichen von schwankendem öffentlichen Vertrauen bezüglich der Leistungen derselben betrachtet werden, sondern als eine Folge mehr oder minder günstiger äußerer Zeitverhältnisse; dabei mag nicht [303] übersehen werden, daß auch die öffentlichen höheren Schulen mehr und mehr gesteigerte Erfolge aufwiesen, und daß allenthalben ähnliche Institute, wie die Schnepfenthaler Anstalt entstanden.
Das Ansehen und Vertrauen, das Salzmann’s Anstalt fortwährend in ungemindertem Maße genoß, offenbarte sich besonders auch in dem huldvollen Interesse, welches das regierende herzogliche Haus derselben stets entgegenbrachte und das oftmals in der Gewährung mancher Gunst und Gnade sowie in dem persönlichen Besuch der Anstalt seitens der Glieder der herzoglichen Familie Ausdruck fand. Herzog Ernst I. bekundete seine Anerkennung der Verdienste Salzmann’s, indem er ihm unterm 16. Februar 1827 den Titel eines herzoglich sächsischen Hofrathes verlieh. Einer der schönsten Ehrentage für S. und seine Anstalt war der 7. März 1834, an diesem Tage beging das Institut die Jubelfeier des 50jährigen Bestandes desselben. Zahlreiche ehemalige Pflegesöhne der Anstalt erschienen bei diesem Feste und legten Zeugniß ab von ihrer Dankbarkeit und Anhänglichkeit. Der Herzog und die Herzogin mit den Prinzen und anderen fürstlichen Persönlichkeiten erhöhten die Feier durch ihre Anwesenheit. Der Herzog verlieh S. das Verdienstkreuz des herzogl. sächsischen Hausordens mit einem huldvollen Begleitschreiben. Außerdem bezeugten viele Freunde von nah und fern ihre warme Theilnahme an diesem Feste; unter anderm übersandte der bekannte Geograph Karl Ritter, ehemaliger Schüler und Lehrer der Anstalt, an S. eine eigens zur Feier des Tages in Druck gegebene Schrift „Ueber das historische Element in der geographischen Wissenschaft“.
Am 1. November 1836 waren es 25 Jahre, seit S. die Leitung der Anstalt übernommen hatte; Lehrer und Zöglinge begingen diesen Jubeltag ihres Vorstandes in festlicher Freude. Wohl konnte nun S. auf eine Reihe von Jahren, reich an segensreichen Erfolgen zurückblicken, die geeignet waren ihn mit froher Befriedigung zu erfüllen; aber auch die trübe Zeit sollte ihm nicht erspart bleiben: am 21. April 1838 starb sein Sohn Karl, der eben die ärztliche Praxis angetreten hatte und ausgezeichnet mit reichen Gaben zu den schönsten Hoffnungen berechtigte, und an dem gleichen Tage, wo die Beerdigung des letzteren stattfand, verschied ein jüngerer Sohn Salzmann’s. Auch die Anstalt verlor bald einen ihrer ausgezeichnetsten Lehrer: am 21. Mai 1839 starb Guts Muths.
Die Jahre 1846 und 1847 waren durch mancherlei Unfälle und besonders durch den im letzten Jahre am 16. August erfolgten Tod eines dritten Sohnes ganz dazu angethan, in S. den Entschluß zu reifen, sich von seiner Wirksamkeit zurückzuziehen und die Leitung des Instituts in jüngere, jedoch bewährte Hände zu legen. Zu seinem Nachfolger hatte sich S. seinen Neffen Wilhelm Ausfeld ausersehen, der bisher in Moskau als Schulrector wirksam gewesen war. Am 1. October 1848 übergab S. an letzteren die Leitung der Anstalt, die er 37 Jahre lang mit umsichtiger Gewissenhaftigkeit und pädagogischem Geschick in guten wie in schlimmen Tagen mit sicherer Hand geführt hatte. Er zog sich nun mit seiner Gattin, die an seinem Werk mit verständigem Sinn mitgewirkt hatte, auf seinen Ruhesitz im Gutshause zu Schnepfenthal zurück. Es war dem Paare noch vergönnt, am 8. August 1857 die Feier der goldenen Hochzeit zu begehen, sowie am 7. März 1859 das 75jährige Bestehen der Anstalt mitfeiern zu können. Seit 1860 stellte sich bei S. einige Schwerhörigkeit ein; sonst beschleunigte aber kein besonderes Leiden vorerst die wohl allmählich merkbare Abnahme der körperlichen Kräfte beider Gatten. Am 14. Juni 1867 schied Salzmann’s treue Lebensgefährtin aus dem Leben; schwer bestand er diese Prüfung; ein Leben ohne sie war ihm kaum denkbar. Es war aber noch nicht der letzte Schmerz, der ihn treffen sollte: am 25. April 1869 erlag sein jüngster Sohn [304] Ottomar einem Lungenleiden. 1870 stellten sich Anzeichen der Wassersucht bei S. ein, infolge der er am 21. November desselben Jahres verschied.
Salzmann’s nicht zu unterschätzendes Verdienst ist es, daß er die schöpferischen Ideen seines Vaters in gleichem Geiste mit Verständniß und Geschick für die praktischen Zwecke der Erziehung mit Erfolg zu verwerthen verstand. Zu den von dem Vater aufgestellten erziehlichen Einrichtungen, die auf wohlerwogenen Grundsätzen beruhten und sich pädagogisch bewährt hatten, ließ sich nichts Wesentliches mehr hinzufügen. noch weniger aber auch etwas von Bedeutung von denselben hinwegnehmen, wenn das Werk in seinem System Bestand haben sollte. Was S. besonders auszeichnete, war ein hoher sittlicher Ernst, verbunden mit echt religiösem Sinn; treue und gewissenhafte Hingabe an seine Aufgabe und ein sicherer, praktischer Blick, der ihm den Erfolg zumeist sicherte.
- Vgl. Festschrift zur hundertjährigen Jubelfeier der Erziehungsanstalt Schnepfenthal, 1884, S. 107–127.