Zum Inhalt springen

ADB:Rochleder, Friedrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Rochleder, Friedrich“ von Richard Anschütz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 726–727, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rochleder,_Friedrich&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:45 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Rochotius, Andreas
Band 28 (1889), S. 726–727 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Friedrich Rochleder in der Wikipedia
Friedrich Rochleder in Wikidata
GND-Nummer 116578351
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|28|726|727|Rochleder, Friedrich|Richard Anschütz|ADB:Rochleder, Friedrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116578351}}    

Rochleder: Friedrich R. wurde am 15. Mai 1819 in Wien als Sohn des Apothekers Anton R. geboren. Von seinem Vater für die Pharmacie bestimmt, fand er in dem geisttödtenden, geschäftlichen Theil dieses Berufes keine Befriedigung und wandte sich zunächst der Medicin zu. 1842 wurde er alsdann zum Doctor der Medicin promovirt. Allein schon während dieser Studien wuchs seine Neigung für die Chemie derartig, daß er beschloß, sich ausschließlich dieser Wissenschaft zu widmen, in der er durch seine pharmaceutische Ausbildung bereits gute Vorkenntnisse erworben hatte. Beeinflußt war dieser Entschluß Rochleder’s wol mit durch seinen älteren Freund Redtenbacher, der ebenfalls das Studium der Medicin mit dem der Chemie vertauscht hatte und damals bereits Assistent der Chemie an der Wiener Universität war. Wie zu jener Zeit Chemiker aus allen Ländern der Erde nach Gießen pilgerten, um den Unterricht Liebig’s zu genießen, so wandte sich auch R. im J. 1842 nach Gießen, um dort seine chemische Ausbildung zu vollenden. Die Richtung, welche R. bei seinen chemischen Untersuchungen in der Folge besonders bevorzugte, wurde bestimmt durch sein hervorragendes Interesse für Botanik und gerade in dieser Beziehung war Liebig der geeignetste und anregendste Lehrer, den er hätte finden können, weil Liebig zu jener Zeit seine reformatorischen Ideen über die Anwendung der Chemie auf die Physiologie und den Ackerbau entwickelte.

Nachdem R. in Liebig’s Laboratorium seine ersten chemischen Experimentaluntersuchungen ausgeführt und seine chemische Ausbildung abgeschlossen hatte, erweiterte er seinen Gesichtskreis durch einen mehrmonatlichen Aufenthalt in Paris und London. Nach seiner Rückkehr wurde er im Alter von 26 Jahren durch den damaligen österreichischen Minister Grafen Stadion zum Professor der technischen Chemie an der Akademie in Lemberg ernannt. 1848 erwählte die Akademie der Wissenschaften zu Wien R. zu ihrem Mitglied. 1849 wurde R. an Stelle seines nach Wien versetzten Freundes Redtenbacher nach Prag berufen, dem er nach weiteren 21 Jahren, nachdem Redtenbacher im J. 1870 gestorben war, auf die Wiener Lehrkanzel der Chemie nachfolgte. Aber in Wien war ihm nur eine kurze Wirksamkeit beschieden. Während der nach den Entwürfen von Ferstel’s und Redtenbacher’s begonnene Bau des Wiener chemischen Laboratoriums unter Rochleder’s Augen weitergeführt wurde, mußte sich R. in den Räumen des ganz ungenügenden alten Laboratoriums behelfen. Mißmuthig über den Aufenthalt, den seine wissenschaftlichen Untersuchungen durch diese Verhältnisse [727] erfuhren, wartete er mit Ungeduld auf die Vollendung der Einrichtung des neuen Institutes. Allein kaum hatte er das fertiggestellte Laboratorium bezogen, voll von Entwürfen für neue Untersuchungen, als er von einer Meningitis ergriffen wurde, deren Qualen er am 15. Mai 1874 erlag.

Oben ist bereits angedeutet worden, welchen Theil der Chemie R. zu seinem Hauptarbeitsfeld erwählte, es war das Gebiet der Pflanzen- oder Phytochemie. Das Ziel, welches R. bei diesen Arbeiten vorschwebte, kennzeichnete er in einer Abhandlung: „Ueber die natürlichen Familien der Rubiaceen“ mit folgenden Worten: „Ich trage die Ueberzeugung in mir, daß die organische Chemie für die Botanik und Pflanzenphysiologie das werden kann, was die unorganische Chemie für Mineralogie und Geognosie geworden ist, ein Hülfsmittel bei Diagnosen, ein Hülfsmittel bei Erklärung von Erscheinungen, das vor unzähligen Irrthümern bewahrt.“ Im Verein mit seinen Schülern erweiterte R. durch seine sachkundigen, mit unermüdlichen Fleiße durchgeführten Arbeiten unsere Kenntnisse über die Pflanzenstoffe mehr als je ein Chemiker vor ihm. Eine außerordentlich große Anzahl eigenthümlicher Pflanzenstoffe hat er theils entdeckt, theils näher untersucht in der Absicht, ihre gegenseitigen Beziehungen, ihre Entstehung und Umbildung in den Pflanzen aufzuklären. Schließlich mußte er sich gestehen, daß er bei den Versuchen zur Lösung seiner Aufgabe über die Vorarbeiten nicht hinausgekommen war und in der That ist dieselbe auch mit den Mitteln der heutigen Chemie noch bei weitem nicht gelöst. An der Entwicklung einiger wichtiger Begriffe der theoretischen Chemie betheiligte sich R. wesentlich, so an der Ausbildung des Begriffes der Homologie, sowie des Begriffes der ungesättigten Verbindungen.

Die Resultate seiner theils im Verein mit seinen Schülern und Assistenten ausgeführten Experimentaluntersuchungen legte er in zahlreichen Abhandlungen nieder, die in Liebig’s Annalen der Chemie und Pharmacie, sowie später in den Sitzungsberichten der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien zur Veröffentlichung kamen. Von seinen litterarischen Arbeiten ist besonders seine im J. 1854 erschienene Phytochemie, sowie der 1857 erschienene phytochemische Theil des Handbuchs von Gmelin hervorzuheben. (Vgl. den von Rochleder’s Schüler und Freund H. Hlasiwetz verfaßten Nekrolog im Almanach der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu Wien 1875 p. 195–212; abgedruckt in den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft 1875, VIII, 1702.)