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ADB:Rittmeyer, Jacob Bartholome

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Artikel „Rittmeyer, Jacob Bartholome“ von Hermann Wartmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 652–653, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rittmeyer,_Jacob_Bartholome&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 16:46 Uhr UTC)
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Rittmeyer: Jacob Bartholome R., geboren am 20. September 1786 in Lindau, † am 25. December 1848 in St. Gallen. – Als Sohn eines Senators der freien Reichsstadt Lindau besuchte R. bis in sein 13. Lebensjahr die Lateinschule seiner Vaterstadt und reiste dann unter der Obhut des reitenden Lindauer Boten über Feldkirch, Chur und den Bernhardin bis Magadino und von da nach Intra am mittleren, rechten Ufer des Lago Maggiore, um hier im Hause Cobianchi seine kaufmännische Lehre durchzumachen. Nach wohl vollbrachter, mehrjähriger Lehrzeit finden wir ihn im verhängnißvollen Jahre 1806 zu Berlin in dem Tuchgeschäfte eines Thedy aus Cressonay, dem bekannten [653] Walserthal am südlichen Fuße des Monte Rosa; – einige Jahre später im Hause Paravicini zu Basel. Von hier kehrte R. nach Lindau zurück, um mit einem ältern Bruder das 1777 von dem Großvater gegründete väterliche Geschäft zu übernehmen. Von dem Verkaufe von Passementerien aus Wolle, Seide und Metall ausgehend, die damals in den noch allgemein üblichen Landestrachten vielfache Verwendung fanden, zog die Firma später auch englische und französische Wollengewebe in ihren Bereich und dehnte ihre regelmäßigen Geschäftsreisen über die ganze Oberschweiz aus; auch die altberühmten Zurzacher Messen wurden – längere Zeit hindurch noch mit gutem Erfolge – bis 1839 besucht. Die Einführung hoher Zollansätze in den süddeutschen Staaten (1822) veranlaßte die Gründung einer eigenen Filiale jenseits der Grenze in Rheinegg, wohin die Waare direct von dem Bezugslande geschickt wurde, und die wachsende Bedeutung der geschäftlichen Verbindungen mit der Schweiz führte schon 1829 zur gänzlichen Ablösung des Schweizer Geschäfts von der Lindauer Firma und zur Uebersiedelung Rittmeyer’s nach St. Gallen, wo er sich 1832 auch das Bürgerrecht erwarb. An diesem Sitze eines lebhaften Exporthandels in Baumwollwaaren jeder Art vertauschte er allmählich seine Einfuhr von Wolltüchern mit der Ausfuhr zuerst türkischroter Baumwolltücher, dann auch von Weißwaaren, vorzüglich grober Handstickereien, theils nach Deutschland, theils in Consignation nach Amerika.

Im J. 1840 gingen von seinem Schwiegervater, Herrn Franz Mange, vier vielnadlige Stickmaschinen auf R. über, welche Herr Mange von ihrem Erfinder, Josua Heilmann in Mühlhausen, erworben und an denen er sich seit einem Jahrzehnt mit Versuchen abgemüht hatte, ohne ein im Handel brauchbares Product zu Stande zu bringen. Diese vier Stickstühle wurden nun in den Händen ihres neuen Besitzers der Ausgangspunkt für die ganze schweizerische Maschinenstickerei, indem es der Einsicht und zähen Ausdauer von R. und seines ältesten Sohnes Franz Elisäus R. Schritt für Schritt gelang, durch weitere Verbesserungen im Einzelnen die im Principe von Anfang an richtig gedachte und construirte Maschine so weit zu vervollkommnen, daß ihre Erzeugnisse marktfähig wurden und sich neben diejenigen der Handstickerei stellen durften. 1844 konnte ein eigenes kleines Fabrikgebäude für 12 selbst angefertigte Stickstühle errichtet werden, und von dieser ersten Stickfabrik aus faßten die maschinengestickten Einsätze auf Mousseline und Jacconat langsam Boden auf überseeischen Märkten, bis ihre rasche Verbreitung in den Vereinigten Staaten den von Rittmeyer Vater und Sohn mit so großer Geduld und Sorgfalt gelegten Keim unserer Maschinenstickerei mit ungeahnter Schnelligkeit und Großartigkeit zu voller Entfaltung brachte. Beschäftigt doch heute die schweizerische Stickerei in runder Zahl 25,000 Maschinen. Hat R. diese Entfaltung auch nicht mehr mit eigenen Augen gesehen, so bleiben doch die Anfänge der Maschinenstickerei für alle Zeiten auf das engste mit seinem Namen verknüpft, und die späten Früchte der unermüdlichen, gewissenhaften Arbeit des eben so streng rechtlichen, als wolwollenden Mannes erntete nicht bloß eine zahlreiche Familie, sondern das ganze schweizerische Industriegebiet.