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ADB:Richgard

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Artikel „Richardis“ von Wilhelm Wiegand in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 420–421, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Richgard&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:50 Uhr UTC)
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Richardis oder Richarda, die heilige, die Tochter des im Elsaß reichbegüterten Grafen Erchanger, wurde im J. 862 mit Karl, dem jüngsten und schwächlichsten Sohne Ludwig’s des Deutschen vermählt. Ueber ihre Jugend und ihre Erziehung wissen wir Nichts. Auch aus der Zeit ihrer fünfundzwanzigjährigen Ehe sind die Nachrichten verhältnißmäßig dürftig, doch gewinnt man immerhin aus ihnen den Eindruck, daß sie auf ihren Gemahl einen nicht unbedeutenden Einfluß geübt, daß sie aber zugleich auch an seiner Seite das häusliche Glück nicht gefunden habe. Nur um so entschiedener wird sich in ihr die Neigung zu einem beschaulichen gottgeweihten Leben verstärkt haben. Nahezu alle Urkunden, die sie erwähnen, zeigen uns R. in Verbindung mit Klöstern und andern frommen Stiftungen. Karl III. schenkte ihr das Stift Seckingen, das prächtig gebaute Kloster St. Felix und Regula zu Zürich, ferner die Klöster S. Martino in Pavia und Zurzach, und ebenso freigebig erwies er sich gegen ihre Hauptstiftung in ihrer Heimath, gegen die elsässische Abtei Andlau, welche R. auf ihrem väterlichen Erbgute im Anschluß an die Erlöserkirche zu Eleon im J. 880 gegründet zu haben scheint. Eben diese Abtei Andlau stellt R. unter den besondern Schutz des Papstes mit der Verpflichtung, einen jährlichen Zins an die päpstliche Kammer zu liefern, als wir sie zum ersten Male auf dem großen politischen Schauplatz sehen. Mit ihrem Gemahl ist sie über die Alpen gezogen und im Februar 881 empfängt sie zu Rom mit ihm aus der Hand Johann’s VIII. die kaiserliche Krone. R. scheint allen ihren Einfluß aufgeboten zu haben, den energielosen Kaiser zur Unterstützung des bedrängten apostolischen Stuhles zu bewegen, wenigstens dankt ihr und dem Erzkanzler, dem Bischof Liutward, der Papst für ihre bezüglichen Mühewaltungen. Wie oft sie noch mit dem Kaiser nach Italien gegangen, läßt sich mit Sicherheit nicht feststellen, wie mir scheint, im Ganzen wenigstens drei Mal. In Gemeinschaft mit dem allmächtigen Günstling [421] des Kaisers, dem Erzkanzler Liutward, wird sie noch wiederholt in Urkunden als Fürbitterin genannt. Es ist dies der äußere Ausdruck einer gewissen Verbindung der Beiden, welche wohl darauf zielte, dem schwankenden, immer leidenden Kaiser, welcher der großen ihm zugefallenen Rolle, die Erbschaft Karl’s des Großen zu verwalten, nicht im mindesten gewachsen war, Halt und Festigkeit zu verleihen. Aber diese Gemeinsamkeit der Interessen verwickelte R. auch in den Sturz Liutward’s, den der allgemeine Haß der schwäbischen Großen auf dem Tage zu Kirchen im Juni 887 zu Fall brachte. Verleumdung befleckte ihre Frauenehre und gab den Anstoß, daß R. nach Lösung ihrer Ehe sich aus der Welt in ihr Kloster Andlau zurückzog. Sie soll, nachdem sie und ihr Gemahl öffentlich erklärt hatten, daß sie sich während ihrer Ehe niemals berührt hätten, zum Beweis ihrer Unschuld sich erboten haben, dem Gottesurtheil des Zweikampfes oder des glühenden Eisens sich zu unterwerfen. Die Sage, welche sich des merkwürdigen Stoffes später bemächtigte, hat sie dann wirklich die Feuerprobe glänzend bestehen, auch eine Pilgerfahrt nach Jerusalem antreten lassen. Die wenigen letzten Jahre ihres Lebens verbrachte R. in Andlau, dessen Statuten im Jahre 892 oder 893 auf ihre Veranlassung aufgezeichnet wurden. Das Jahr ihres Todes steht nicht fest, als ihr Todestag ist der 18. September überliefert. Auf seiner Reise durch das Elsaß im November 1049 hat später Papst Leo IX., als er nach Andlau kam und die dort neu erbaute Kirche weihte, die Gebeine der heiligen Richardis erhoben und sie in den Neubau übertragen lassen.

Die Hauptquelle für die Geschichte der Kaiserin Richardis ist die Chronik des Abtes Regino von Prüm. Die Legenda s. Richardis, abgedruckt bei Grandidier, Hist. de l’égl. de Strasbourg II, CCCX, geht auf Hermann’s von Reichenau Angaben zurück. Vgl. Dümmler, Gesch. d. Ostfränk. Reichs III passim. Eine unkritische neuere Bearbeitung des Stoffs gibt das Buch von Ch. Deharbe, S. Richarde, Paris 1874.