ADB:Resius, Philipp Valentin von
[247] so in Schrecken, daß er, zugleich in der Befürchtung, ringsum eingeschlossen zu werden, Abends 7 Uhr einen Kriegsrath hielt, welcher sich dafür entschied, um 12 Uhr in der nächsten Nacht den Rheinfels in aller Stille zu verlassen und sich auf das jenseitige rechte Rheinufer zurückzuziehen. Man hatte es damit so eilig, daß man schon um 11 Uhr aufbrach. Den Soldaten gegenüber ward der Plan geheim gehalten; sie waren unter dem Vorwande versammelt worden, daß es sich um einen Ausfall handele; als sie die Wahrheit erfuhren, begegnete der Abmarsch lauter Mißbilligung. Letztere gab auch die Bürgerschaft der unter dem Rheinfels gelegenen Stadt St. Goar kund, durch deren Straßen der Marsch ging; ein Bürger wollte den General mit einer Axt todtschlagen, fiel aber im Augenblick, wo er den Streich führen wollte, und brachte ihm nur eine leichte Wunde bei. Alle Vorräthe, auch die Geschütze, blieben zurück, selbst einige Posten blieben in der Eile unabgelöst. Sobald der Landgraf Kunde von dem Vorgefallenen erhielt, ließ er in Ziegenhain ein Kriegsgericht zusammentreten, welches sämmtliche Unterzeichner des Beschlusses vom 1. November mit strengen Strafen belegte; R. ward zum Tode durch das Schwert verurtheilt. Der Landgraf milderte die Urtheile: Am 6. Januar 1795 fand auf dem Paradeplatze vor dem Schlosse zu Ziegenhain die Vollstreckung statt. R. wurde vor den Reihen einer zu seiner Erschießung bestimmten Abtheilung des Garderegiments eröffnet, daß er schon die Umwandlung der vom Kriegsrecht ausgesprochenen Strafe des Todes durch das Schwert in die durch die Kugel als eine Gnade anzusehen haben würde, daß aber der Landgraf seine Milde dahin ausdehnen wolle, ihm das Leben zu schenken; er solle infam kassirt, seiner Orden, Uniform und des Portepee für unwürdig und für ehrlos erklärt und zu lebenslänglichem Gefägniß nach der Festung Spangenberg gebracht werden. Der Auditeur übergab ihn darauf dem Henker, welcher des Generals Degen zerbrach, ihm die Stücke vor das Gesicht hielt und dann vor die Füße warf, ihm die Achselschnüre und die Aufschläge von der Uniform riß und ihm zuletzt einen entehrenden Tritt gab. In einem finsteren, kerkerähnlichen Gemach der Festung Spangenberg hat er bis zu seinem im Alter von achtzig Jahren am 19. März 1798 erfolgten Tode gelebt. Schon während der Untersuchung nur theilweise noch Herr seiner Geisteskräfte, war er zuletzt vollständig stumpfsinnig, sodaß er sich weigerte, sein Zimmer auch nur einen Augenblick zu verlassen, aus Furcht, dann hingerichtet zu werden. Seine Kinder erhielten die Erlaubniß, den Namen ihrer Mutter, einer geborenen v. Todenwarth, zu führen. Einen großen Theil der Verantwortlichkeit für die schmähliche Räumung des früher zu verschiednen Malen gegen die französischen Gelüste tapfer vertheidigten Rheinfels trägt jedenfalls die hessische Kriegsverwaltung, welche einen abgelebten Greis auf einen so gefährdeten Posten stellte.
Resius: Philipp Valentin v. R., landgräflich hessen-kassel’scher Generalmajor, war ein im Dienst grau gewordener Officier, welcher seinen Grad und seinen Adel allein seinen im Krieg und Frieden erprobten und bewährten Leistungen verdankte, dann aber, als hoher Siebenziger, durch eine That des Kleinmuthes und der Schwäche seinen Namen für immer entehrte. Es geschah dies durch die Art und Weise, wie er im Jahre 1794 die Feste Rheinfels den Franzosen in die Hände lieferte. Seit 1793 war er Commandant derselben gewesen, als am 26. October 1794 die Vortruppen der von Coblenz durch den General Jourdan abgesandten 6000 Mann starken Division Vincent vor der Festung erschienen. Dieselbe war mit Lebensmittel und Schießbedarf auf vier Monate versehen und hatte eine zuverlässige Besatzung von 3260 Mann; der Commandant hatte von seinem Kriegsherrn den bestimmten Befehl, seinen Posten zu behaupten, und ward durch jenen am 27. in Kenntniß gesetzt, daß er selbst mit Entsatztruppen im Anmarsche sei. Freund und Feind glaubten, daß R. dem Angriffe ein standhafte Vertheidigung entgegensetzten und daß der Rheinfels, wenn er auch, da die umliegenden Höhen seine Werke beherrschten, auf die Dauer und gegen eine regelmäßige Belagerung nicht haltbar war, nicht ohne weiteres von der Besatzung aufgegeben werden würde, zumal da R. wiederholt, mündlich wie schriftlich, den Vorsatz ausgesprochen hatte, sich hartnäckig zu widersetzen, und da die Officiere, welche ihm dabei zur Seite zu stehen hatten, sich sämmtlich des besten, auf tüchtige Kriegsthaten gegründeten Rufes erfreuten. Aber Unerwartetes geschah. – Beide Parteien blieben zunächst ziemlich unthätig: die Franzosen recognoscirten und warteten auf die Ankunft von Verstärkungen, namentlich auf Geschütz, da sie nur sechs leichte Kanonen hatten; die Hessen schickten ab und an kleine Parteien in das Vorland und feuerten tägliche einige Schüsse ab, von denen der allererste, da die Bombe, weil die Lafette zerbrach, in der Feste platzte, einen Mann der Besatzung, den einzigen, den diese verlor, tödtete. Am 1. November langten jene feindlichen Verstärkungen in der Nähe an; am Nachmittage brachte ein französischer Trommler, welcher sich für einen Fahnenflüchtigen ausgab, übertriebene Nachrichten davon in die Festung, erzählte namentlich, daß am folgenden Tage ein Generalsturm erfolgen würde, und setzte den Commandanten dadurch- A. Grebel, Das Schloß und die Festung Rheinfels, St. Goar 1844. – Ch. v. Stramberg, Rheinischer Antiquarius, 2. Abtheilung, 6. Band, Coblenz 1857.