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ADB:Reiser, Anton

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Artikel „Reiser, Anton“ von l. u. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 119–121, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reiser,_Anton&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:13 Uhr UTC)
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Reiser: Anton R., bekannter lutherischer Theologe, wurde am 7. März 1628 zu Augsburg geboren, wo sein gleichnamiger Vater Kaufmann war. Seine Mutter war eine Schwester des Pastor Daniel Schmid in Presburg. Dieser sein Onkel, sowie der gleichfalls mit ihm verwandte augsburger Prediger Paul Jenisch († 1648, vgl. Jöcher II, Sp. 1682) nahmen sich seiner nach dem frühen Tode seines Vaters an. Nachdem er zu Augsburg durch Privatunterricht [120] und auf der St. Annenschule wohl vorbereitet war, bezog er im J. 1646 zum Studium der Theologie die Universität Straßburg; hier scheint besonders Johann Konrad Dannhauer (s. A. D. B. IV, 745) auf ihn Einfluß gewonnen zu haben; mit ihm blieb er auch später in brieflichem Verkehr. Nachdem er vier Jahre in Straßburg studirt hatte, begab er sich noch nach Tübingen, Gießen und Altdorf; am letztgenannten Orte wurde er am 29. Juni 1651 Magister. Durch Vermittlung seines schon genannten Onkels wurde er im J. 1652 als Diakonus nach Schemnitz in Ungarn berufen; von hier kam er im J. 1659 als Pastor nach Presburg. Nachdem er hier dreizehn Jahre mit großem Eifer gewirkt, so daß seine Tüchtigkeit ihm selbst am Hofe in Wien Freunde erworben hatte, mußte er den Nachstellungen der Jesuiten weichen. Man verlangte von ihm und seinem Collegen Titius schließlich, sie sollten die Kirche und Schule den Katholiken ausliefern; als sie das nicht wollten, wurden sie gefänglich eingezogen und ihres Amtes entsetzt. R. sollte sogar hingerichtet werden; er erhielt dann wahrscheinlich auf Betrieb seiner Freunde in Wien das Leben geschenkt, mußte aber mit seiner Familie in die Verbannung ziehen und sich schriftlich verpflichten, niemals ohne specielle Erlaubniß des Kaisers wieder nach Ungarn zurückzukehren; seine reiche Bibliothek wurde ihm geraubt. So begab er sich denn im J. 1672 wieder nach Augsburg, wo ihm bald das Rectorat der St. Annenschule übergeben wurde; zugleich ward er zum Bibliothekar ernannt. Im J. 1675 folgte er einem Rufe des Fürsten von Hohenlohe an die Kathedralkirche in Oehringen, und von hier ward er am 3. November 1678 als Nachfolger des schon am 14. April 1675 verstorbenen Caspar Mauritius (vgl. A. D. B. XX, 710) zum Hauptpastor zu St. Jacobi in Hamburg erwählt. (Diese Stelle war so lange vacant geblieben, weil der große Kurfürst den von den Kichenvorstehern im J. 1675 erwählten Aegidius Strauch, als er von Danzig zur See nach Hamburg reisen wollte, auf der Ostsee wegen seiner lutherischen Gesinnung hatte abfangen und nach Cüstrin bringen lassen. Strauch wurde nach etwa dreijährigem Gefängniß unter der Bedingung freigelassen, daß er nicht nach Hamburg gehe. So mußten denn die Hamburger einen andern wählen). Auf der Reise nach Hamburg erwarb sich R. zu Gießen im December 1678 den Grad eines Licentiaten der Theologie. In Hamburg war er am 3. Januar 1679 von Senior Gottfried Gese in sein Amt eingeführt; doch hat er nur noch kurze Zeit hier gewirkt; nachdem er im J. 1683 zum Doctor der Theologie ernannt war, starb er schon am 29. April 1686 an einem hitzigen Fieber. – R. war ein durch umfassende Gelehrsamkeit und ernsten, frommen Eifer in der Vertheidigung der evangelischen Wahrheit ausgezeichneter Theologe, innerhalb der lutherischen Kirche gehörte er zu denen, die zu der Wirksamkeit Spener’s und der Gesinnungsgenossen desselben sich freundlich stellten. Daß ein großer Theil seiner Schriften polemischer Art ist, ist zu sehr in der ganzen Denkweise und Gewohnheit jener Zeit begründet, als daß ihm daraus ein persönlicher Vorwurf gemacht werden könnte. Gegen Katholiken und Reformirte, Quäker und Atheisten hat er geschrieben; auf das einzelne kann hier nicht näher eingegangen werden. Besonderes Aufsehen erregte der Streit, in welchen er in Hamburg mit dem reformirten Prediger in Altona, Christian Pauli († 1696), gerieth; es handelte sich hier zunächst um die Frage, wie weit die Reformirten berechtigt seien, sich für Bekenner der Augsburgischen Confession zu halten. Ein weiter gehendes Interesse hat der Kampf Reiser’s gegen die Opern, die man in Hamburg kurz, ehe R. dorthin kam, aufzuführen begonnen hatte. R. ging bei seiner Verwerfung derselben von dem Gedanken aus, daß die Zeiten zu ernst seien, namentlich weil noch an so vielen Orten die evangelischen Glaubensbrüder von Katholiken bedrückt und verfolgt würden, als daß wahre Christen an solchen Lustbarkeiten [121] Freude haben könnten. Er gerieth über diese Sache in eine litterarische Fehde mit dem katholischen Schauspieler Christoph Rauch, der natürlich für Reiser’s Hauptargument kein Verständniß hatte, übrigens auch die Opern nur schwach vertheidigte. R. fand sodann in Johann Winckler, der 1684 als Hauptpastor zu St. Michaelis nach Hamburg kam, einen Verbündeten; Winckler hat auch nach Reiser’s Tode den Kampf fortgesetzt, und in den unruhigen Zeiten, die damals in Hamburg folgten, wurden dann auch Aufführungen von Opern zunächst untersagt. – R. war zweimal verheirathet gewesen; aus seiner zweiten Ehe überlebten ihn einige Kinder, der Pastor Johann Christoph Auerbach in Stade, seit 1693 in Hamburg, war sein Schwiegersohn.

Moller, Cimbria literata II, 703 ff. – Nicolaus Wilckens, Hamburgischer Ehrentempel, S. 436 ff. – Lexikon Hamburgischer Schriftsteller VI, 231 ff. (hier das beste Verzeichniß seiner Schriften). – Jöcher III, Sp. 1990 f. – Rotermund zum Jöcher VI, Sp. 1742. – Ueber den sogen. ersten hamburger Theaterstreit vgl. Joh. Molleri isagoge ad historiam chersonesi Cimbrici, S. 599 ff.; ferner Johannes Geffcken in der Zeitschrift für hamb. Geschichte, Bd. III, 3 ff., und in seinem Leben Winckler’s, S. 24 ff. – Auf der hamburger Stadtbibliothek befinden sich im Original vier Briefe Reiser’s an Dannhauer (vgl. oben) aus den Jahren 1656, 1660 und 1666 und vier Briefe an Johann Christoph Meelführer aus den Jahren 1680 und 1681. Andere Briefe von ihm sind gedruckt in Joh. Henr. a Seelen, Philocalia epistolica, Rostochii 1727, S. 275 ff., sowie in Spener’s lateinischen Bedenken. – Mit dem Helden in dem bekannten Roman von Moritz „Anton Reiser“ (vgl. A. D. B. XXII, 317) hat unser R. nichts zu thun; die Gleichheit des Namens scheint völlig zufällig zu sein.