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ADB:Rehnschild, Karl Gustav Graf

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Artikel „Rehnschild, Karl Gustav“ von Theodor Pyl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 602–604, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rehnschild,_Karl_Gustav_Graf&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:19 Uhr UTC)
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Rehnschild: Karl Gustav R., Graf und Feldmarschall unter dem Könige Karl XII. von Schweden, stammte aus einem westfälischen Geschlecht, welches früher den Namen „v. Keffenbrinck“ führte und in seiner einen Linie Grundbesitz in Rügisch-Pommern erwarb, wo dieselbe auf Gribenow, Creuzmannshagen und Willershusen noch gegenwärtig blüht, und den ursprünglichen Namen sowie das ältere Wappen, mit einem springenden Hirsche, beibehielt. Die Mehrzahl ihrer Mitglieder stand in schwedischen Militär- und Civildiensten, während Julius Friedrich v. K.[WS 1], verschiedene preußische Aemter bekleidend, zuletzt als Präsident der Regierung und Curator des akademischen Gymnasiums zu Stettin 1775 verstarb, wo er auch mehrere Schriften über pommersche Geschichte und Alterthümer herausgab. Die andere Linie des Geschlechts erwarb dagegen vorzugsweise Grundbesitz in Schweden, bekleidete wiederholt hohe Militärwürden und Staatsämter, und führte, seit ihrer Aufnahme in die schwedische Ritterschaft (1639), nach einem angeblich früher bewohnten Orte „Rehn oder Rheine“ bei Münster, oder nach der Einwanderung vom Niederrhein, den Namen „Rehnskiöld oder Rensköld“, welcher in deutschen Geschichtswerken die abweichenden Schreibarten „Rehnschild, Rhenschildt, Rheinschild“ zeigt. Der erste Träger dieses Namens Gerd Anton (geb. 1610 † 1658), begleitete als Feldkämmerer den König Gustav Adolph auf dessen Zug nach Deutschland, und wurde, in Anerkennung seiner Verdienste, (1639) Mitglied des Staatsrathes und (1650) Oberkammerpräsident. Aus seiner zweiten Ehe mit Brita Torscheskall, einer Großnichte des einflußreichen schwedischen Gesandten und Staatsmannes Adler Salvius[WS 2], stammten außer mehreren anderen Kindern drei Söhne: Johann, welcher unter Karl XI. (1672) die Ministerwürde empfing, der Oberst Axel († 1677), dessen Sohn Franz Anton (1700) in der Schlacht bei Narwa, als Lieutenant der Leibgarde fiel, und Karl Gustav, welcher mit Stenbock, Horn, Lewenhaupt u. A. den Ruhm der kriegerischen Thaten Karl’s XII. theilte. Geboren am 6. August 1651 zu Stralsund, erhielt er seine Ausbildung auf den Universitäten zu Greifswald und Lund, wo er namentlich den Unterricht Samuel Pufendorf’s in den Staatswissenschaften genoß; alsdann seit 1673 in schwedischen Militärdiensten, (1689) Oberst, (1696) Generalmajor, (1698) Generallieutenant bei der Cavallerie, wurde er zugleich zum Gouverneur von Schonen und in den Freiherrnstand erhoben, sowie später (1705) auch Mitglied des schwedischen Staatsrathes. Als nun Karl XII. im J. 1700 den Krieg gegen die verbündeten Mächte von Dänemark, Polen und Rußland begann, erlangte R. durch die Verwandtschaft des Charakters, welcher dem des Königs an Kühnheit gleichkam und ihn an Erfahrung übertraf, dessen besondere Gunst. Bei dem Zuge nach Dänemark ermunterte er ihn, gegen den Rath der vermittelnden Mächte von England und Holland, zur Landung auf Seeland, indem er ihn auf das Beispiel Gustav Adolph’s hinwies. Da dieses gefahrvolle Unternehmen einen glücklichen Erfolg hatte, und zu dem vortheilhaften Frieden von Travendal führte, so stieg R. noch höher in der Achtung des Königs. Noch glänzenderen Ruhm erwarb er jedoch beim Ausbruch des Krieges gegen Polen und Rußland, als er, um die überladene Jacht, auf welcher Karl XII. in Livland landen wollte, zu erleichtern, auf seinem Rosse in das Meer sprang und durch dieses Wagniß die Person des Königs mit seiner Umgebung vor dem Versinken bewahrte. Als nun in der nach Rehnschild’s Angriffplan unternommenen Schlacht bei Narwa das kleine schwedische Heer einen entscheidenden Sieg über die fünffach überlegene russische Armee errang, verbreitete sich der Ruf des Königs und seiner Heerführer durch [603] ganz Europa. In dem Feldzug gegen August den Starken von Polen zeigte R. einen ebenso klaren staatsmännischen Blick, wie kriegerische Erfahrung und Kühnheit, indem er einerseits Karl’s XII. diplomatische Kunst, die Sache Polens von der Person seines sächsischen Herrschers zu trennen, mit Vorliebe unterstützte, andererseits in den Schlachten an der Düna und bei Klissow (1701–2) neue Lorbeeren erwarb; auch hatte er das Verdienst, manche gefährliche Wagnisse, welche der König nach der Schlacht bei Pultusk (1703) ohne Nothwendigkeit unternahm, wider Wissen und Willen desselben durch vorsichtige Maßregeln zu einem glücklichen Ausgange zu leiten. Als dann Karl die gegen August gewonnenen polnischen Parteien zu einer Conföderation vereinigte, welche den sächsischen Herrscher entthronen und an seiner Stelle den einheimischen Wojewoden Stanislaus Lesczinski zum König erwählen sollte, wurde diese Versammlung dem Schutze Rehnschild’s anvertraut, welcher nach einem schnellen glücklichen Zuge Posen eroberte und diese Stadt zum Mittelpunkte der schwedisch-polnischen Partei erhob. Zu gleicher Zeit wußte er durch fortgesetzte Verfolgung August’s diesen so zu entmuthigen, daß er zur Entsagung und zum Frieden neigte. Von entscheidender Wirkung war endlich der glänzende Sieg, welchen R. bei Fraustadt an der schlesischen Grenze, östlich von Glogau (1706), über 15,000 Polen unter dem König und 14,000 Sachsen unter Schulenburg, sowie 6000 Russen unter Wustromirski errang, obwohl er ihnen nur 12,000 Schweden ohne Artillerie entgegenstellen konnte. Durch einen Scheinrückzug vermochte er die drei Armeen zu trennen, durch schnelles Absitzen der Cavallerie die sächsischen Geschütze unschädlich zu machen, und dann, nach Eroberung der Kanonen, zuerst die Sachsen und dann die Russen zu schlagen, während August, ohne zum Treffen zu kommen, die Polen nach Warschau zurückführte. In Anerkennung dieser That ernannte der König R. zum Feldmarschall und erhob ihn in den Grafenstand, bei welcher Gelegenheit das Wappen desselben in der Weise verändert wurde, daß um den Mittelschild mit dem springenden Hirsche sich sechs Felder reihten, welche mehrere auf seine siegreiche Tapferkeit bezügliche Embleme zeigen. Als Karl dann (1708) sich gegen Rußland wandte, rief er R. wieder in seine Nähe, da er bei ihm, im Gegentheil zu den älteren Generälen und zu seinem Minister Piper, ein unbedingtes Eingehen auf seine kühnsten Pläne voraussetzen durfte. In diesem Sinne begleitete R. und der Prinz Max Emanuel von Württemberg den König bei der gefahrvollen Eroberung von Grodno, aus welcher Stadt sie den Czaren Peter vertrieben, und förderte gleichfalls Karl’s Plan, den Zug nach Moskau durch die Ukraine zu unternehmen, angeblich aus Eifersucht und Feindschaft gegen Lewenhaupt und Piper, wahrscheinlicher jedoch, weil er einsah, daß der König, welcher zu dieser Fahrt durch das ihm von dem Kosakenhettmann Mazeppa und von der Türkei angebotene Bündniß bewogen wurde, durch keine Mahnungen der Vorsicht und des Verstandes zurückzuhalten sei, vielmehr stets demjenigen Plane folgen würde, welcher die größere Kühnheit erforderte und die meisten Gefahren in Aussicht stellte. Anfangs war dieser Feldzug, welcher den Wendepunkt in Karl’s bisher vom Glücke begünstigten kriegerischen Unternehmungen bildete, von ähnlichen Siegen begleitet, namentlich wußte R. bei Golowtschin die kühnen Angriffe des Königs durch strategische Künste zu unterstützen und einen glänzenden Erfolg zu erringen. Auch in den Treffen bei Malatize und Rajowka wetteiferten R. und der Prinz von Württemberg mit Karl an Tapferkeit, jedoch blieb dieselbe, da die übrigen schwedischen Heerführer geschlagen wurden, und die von ihnen, sowie von Mazeppa erwartete Verstärkung nur geringe Hülfe gewährte, ohne praktische Bedeutung; dennoch behielt R., obwol er bei der Eroberung von Weprik (1709) eine Wunde empfing und die Truppen durch die Kälte des Winters und Mangel an Nahrung ohne [604] Nutzen aufgerieben wurden, die gleiche furchtlose Zuversicht, und übernahm, da der König wegen seiner Verwundung nicht selbst zu commandiren vermochte, an seiner Stelle in der Schlacht von Pultawa (27. Juni a. St. 1709) den Oberbefehl in der freudigsten Hoffnung. Auch würde ihm der Wahrscheinlichkeit nach das Glück treu geblieben sein, wenn nicht die zwischen ihm und Lewenhaupt herrschende Eifersucht, sowie die auf Piper’s Rath seine Dispositionen kreuzenden Anordnungen des Königs den Kriegsplan gestört und trotz verzweifelter Gegenwehr einen entscheidenden Sieg der Russen herbeigeführt hätten. Als R. diesen Ausgang kommen sah, traf er in der Eile noch Vorkehrungen zur Flucht des Königs, er selbst aber gerieth, als er sich wieder gegen den Feind wandte, ebenso wie der Prinz v. Württemberg und Piper, in russische Gefangenschaft, wurde aber vom Czaren, in Anerkennung seiner Tapferkeit, auf das ehrenvollste behandelt. Hiermit schloß seine kriegerische Laufbahn; denn als er, gemäß der vom Grafen Görz zwischen Schweden und Rußland geführten Bündnißverhandlungen (1718) aus der Haft entlassen. in die Heimath zurückkehrte, bewirkte der bald nach seiner Ankunft in Frederikshall erfolgte Tod Karl’s XII., daß die vom Hofe, vom Reichsrathe und vom Volke schon lang ersehnten Friedensschlüsse fast sämmtliche vom Könige vertheidigten Länder in den Besitz der Nachbarfürsten übergehen ließen und daß Schweden auf längere Zeit aus der Reihe der kriegführenden Mächte zurücktrat. Diese schmerzlichen Erfahrungen, im Zusammenhang mit dem herannahenden Alter, erschütterten seine geistigen und körperlichen Kräfte. Zwar waltete er noch einige Jahre als Gouverneur von Schonen und als Erneuerer des während Karl’s Abwesenheit in der Türkei sehr zerrütteten Militärwesens, aber schon am 19. Januar 1722, im 71. Lebensjahre, ereilte ihn auf einer zu diesem Zwecke nach Südermanland unternommenen Reise der Tod, vier Jahre nach dem Ableben des Königs, welchen er fast auf allen ruhmvollen Unternehmungen begleitet hatte. Seine Ruhestätte fand er in der Gruft seines Großoheims Adler Salvius. Sein Grundbesitz, u. a. die ihm von den Agnaten vererbten Güter: Gribenow mit dem von ihm erbauten Schloß, Creuzmannshagen, und Willershusen gingen auf seine mit ihm seit 1697 vermählte Gattin Bar. Elis. v. Funk und deren zweiten Gemahl, den Grafen Erasmus v. Küssow über, fielen aber, da beide Ehen kinderlos blieben, nach längeren Rechtsverhandlungen (1783) an die Keffenbrinck’sche Linie zurück.

Vitae Pom.Gesterding, Pom. Geneal. I, 272 ff. u. dessen handschr. Gen. d. G. Keffenbrinck, im Besitz des Rüg.-Pom. GV. – Bohlen, Gesch. d. G. Krassow, I, 45 ff. – Kosegarten, Gesch. der Univ. Gr. I, 271 ff. – Fryxell, Gesch. Karl’s XII, n. d. Schwed. b. v. A. v. Etzel, Leipz. 1860. – Vgl. ü. d. Wappen Bagmihl, Pom. W.-B. IV, p. 1–8, Taf. I–II und Svearikes Wapnbok, 2 A. 1764, Grafen, Nr. 48, Nachtrag Nr. 270. – Anrep, Svenska Adelns Ättartaflor, 1858–64. – Die a. a. O. aufgezählten Namen: Reenfelt, Reenhielm, Reenstierna, Rehnberg, Rehnhorn, welche alle das Emblem des Hirsches, resp. Rennthieres (Ren) führen, machen es wahrscheinlich, daß der Name „Rehnskiöld“ nicht von einem Orte abgeleitet, sondern mit dem Emblem willkürlich gewählt ist.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Julius Friedrich von Keffenbrink, auch Keffenbrinck, (* 17. April 1714 in Plestlin; † 26. September 1775 in Stettin), Jurist, Numismatiker und preußischer Regierungsbeamter.
  2. Johan Adler Salvius (* 1590 in Strängnäs; † 24. August 1652 in Stockholm), schwedischer Freiherr, Reichsrat und Diplomat der Schweden bei den Verhandlungen zu Münster 1645-48, die zum Westfälischen Frieden führten.