ADB:Raditschnigg von Lerchenfeld, Joseph
Kaiserin Maria Theresia die bedeutenden Reformen im Unterrichtswesen Oesterreichs angebahnt, als L. von [425] seinen Reisen zurückkehrte. Er ward nun auch im Unterrichtswesen angestellt und erhielt seine Bestimmung nach Siebenbürgen, das auch sein zweites Vaterland wurde. Er war zuerst Lehrer an der katholischen Normalschule in Hermannstadt, bald Director derselben, und am 8. November 1786 Oberaufseher sämmtlicher katholischer Normalschulen in Siebenbürgen, in welcher Eigenschaft er für Verbreitung des Schul- und Unterrichtswesens unter dem Volke, wie für bessere Subsistenz der ihm untergeordneten Lehrer eifrig und erfolgreich wirkte. – In früheren Jahren beschäftigte sich L. mit schöngeistigen Arbeiten und veröffentlichte einige Bände Poesien und Theaterstücke und zwar in Gemeinschaft mit seinem Freunde Richter: „Gedichte zweier Freunde“, 1775, dann allein: „Der Barbier von Sevilla, Lustspiel in 4 Aufzügen, aus dem Französischen“, 1776, und: „Der Ehefeind, Lustspiel in 5 Aufzügen“, 1776. – In der Folge aber widmete er seine Mußestunden der Pflege der Naturwissenschaften, vornehmlich der Botanik. Auf seinen mannigfachen Dienstreisen nach und nach in alle Theile Siebenbürgens gelangend, benützte er diese Ausflüge zur Anlage verschiedener Sammlungen, namentlich einer Mineraliensammlung und eines siebenbürgischen Herbariums. Die Frucht 20jähriger unermüdeter Forschungen im Gebiete siebenbürgischer Pflanzenkunde war seine nachgelassene „Flora Transsilvaniae“, deren, nach verschiedenen Fährlichkeiten emporgebliebenen Reste im J. 1851 vom Verein für Naturwissenschaften in Hermannstadt käuflich erworben wurden. Sie bestehen aus einem Manuscript, das die Beschreibung von etwa 400 Phanerogamen mit 58 Abbildungen enthält, aus 200 Beschreibungen von Pilzen, vorzüglich aus den Gattungen Agaricus und Boletus, aus 144 sehr guten Abbildungen von Pilzen (Agaricus, Boletus, Hydnum, Lycoperdon, Helvella etc.) und aus einer Pflanzensammlung von 1613 eingelegten Phanerogamen, die ursprünglich um ein Dritttheil zahlreicher gewesen sein muß. Die Zeit des Sammelns fällt in die J. 1785–90 und es finden sich darin manche Pflanzen, welche in Baumgarten’s Enumeratio stirpium Transsilvaniae, 1816, nicht aufgenommen sind. Schur bezeichnet die von L. angefertigten Abbildungen als sehr genau und elegant, von denen nur wenige mit den Kitaibel’schen Sammlungen (s. Bd. XVI, S. 40) übereinstimmen und bemerkt, daß L. die Mehrzahl der abgebildeten Pflanzen als neue Species behandelt, was sie – aus den J. 1790–94 herrührend – vor dem Erscheinen des Kitaibel’schen Werkes (1802–12) zum Theile auch wirklich waren. – Außerdem verzeichnet Trausch in seinem Schriftstellerlexikon der Siebenbürger Deutschen noch verschiedene kleinere Arbeiten Lerchenfeld’s, sowie er constatirt, daß L. mit Eder und Lebrecht an der Redaction der Hermannstädter Zeitung (Siebenbürger Bote) bethätigt gewesen ist. In dem 1795 gedruckten Operate der systematischen Landtagsdeputation in cameralibus et commercialibus erscheint ein Verzeichniß aller in Siebenbürgen wildwachsenden Pflanzen, welches der Protomedicus M. Neustädter, zufolge ausdrücklichen Auftrages des Gubernialpräsidiums, aus dem Lerchenfeld’schen „Herbarium vivum“ vervollständigt hatte. Ebenso verordnete der Landtag 1810, welcher beschlossen hatte, daß die vom Botaniker Peter Sigerus verfaßte Flora Transsilvaniae in Druck gelegt werde, um dieses Werk vollständig zu machen, daß Sigerus gemeinschaftlich mit L. die noch unbereisten Gegenden Siebenbürgens bereisen sollte, zu welchem Behufe ihnen freier Vorspann und die Unterstützung sämmtlicher Behörden zugesichert wurde. Leider unterblieb in Folge des Finanzpatentes vom J. 1811 die ganze geplante Unternehmung. – Aus den im Nachlasse Lerchenfeld’s vorgefundenen Aufzeichnungen und Papieren erhellt, daß L. unter anderem auch mit Jacquin (Bd. XIII. S. 631), Willdenow und Kitaibel in litterarischem Verkehre gestanden und es läßt sich so die Uebereinstimmung mancher seiner Abbildungen mit denen Kitaibel’s erklären. Weniger scheint der sonst vielverdiente [426] Baumgarten (Bd. II. S. 159) bei Bearbeitung seiner „Enumeratio stirpium Transsilvaniae“ in Verbindung mit L. gestanden zu sein, obgleich er ihn durch die Benennung einer seltenen und hübschen Pflanze (Silene Lerchenfeldiana, En. Stirp. I. 813) ehrte. Oder hat er von diesem Verhältniß absichtlich keine Notiz genommen, was ihm P. Sigerus in seinen handschriftlichen Bemerkungen zu der Enumeratio mit dürren Worten vorwirft: „Auch hätte der Herr Doctor an eigenem Verdienste gewiß nicht verloren, wenn es demselben beliebt hätte, des Herrn v. L. mit dem ihm gebührenden Lobe als ersten Finders vieler in diesem Werke vorkommender Gewächse zu erwähnen, da dieser bereits eine bedeutende Pflanzensammlung gemacht hatte, bevor der Herr Verfasser (Baumgarten) nach Siebenbürgen hereinkam“ (Ad Tom. I. p. XIII. l. 10). In den siebenbürgischen Provinzialblättern (II. 287) wird L. der erste Botaniker Siebenbürgens, und ebendaselbst (IV. 58) ein verdienstvoller, großer Gelehrter genannt. – Was die Prioritätsfrage zwischen L. einerseits und Kitaibel, wie Baumgarten andererseits, anbelangt, so ist dies ein Gegenstand specieller, strengwissenschaftlicher Forschung und genauer Vergleichung seines Nachlasses mit den angedeuteten Quellen, die hoffentlich bald von berufenen Händen zur Ehrenrettung des verdienten Pfadfinders erfolgen wird, hier aber übergangen werden muß. Thatsache aber ist, daß L. jedenfalls in dieser Beziehung als anerkannter Forscher und Fachmann betrachtet und lange vor den Arbeiten jener Beiden mit Peter Sigerus als hervorragende Autorität über die Pflanzenkunde Siebenbürgens in Anspruch genommen wurde, Thatsache, daß er auch in dieser Richtung seiner zweiten Heimath große Dienste geleistet hat. L. war auch Mitglied der herzoglichen mineralogischen Gesellschaft in Jena. – Von seiner Gattin Magdalena, Tochter des Hermannstädter Bürgermeisters Johann Georg v. Honnamon (getraut im August 1779, † am 17. October 1810), hinterließ er drei Töchter und einen Sohn, Karl, welcher als Forstrath und Cameralwaldschaffer am 19. Februar 1860 zu Topánfalva kinderlos starb.
Lerchenfeld: Joseph Raditschnigg v. L., Schulmann und Botaniker, geboren zu Klagenfurt in Kärnten am 19. Februar 1753, † zu Hermannstadt in Siebenbürgen am 16. Januar 1812, beendete die Studien theils in seiner Vaterstadt, theils in Wien und machte dann mehrere Reisen nach Deutschland und Italien, auf denen er seine Bildung vervollständigte und im Verkehre mit ausgezeichneten Männern seiner Zeit jene edlere Richtung einschlug, die sein ganzes späteres Wirken kennzeichnete. Eben hatte- Vgl. Wurzbach, Biograph. Lexikon, 24. Theil 1872, S. 199, 200 unter Raditschnigg, wo auch die Litteratur ziemlich genau verzeichnet ist. Hinzuzufügen wären noch: Siebenb. Provinzialblätter, II. 287 u. IV. 53; Mittheilungen des Vereins für Naturwissenschaften in Hermannstadt, I. 1850, S. 12 u. IV. 1853, S. 88–96; Archiv des Vereins für siebenb. Landeskunde. Neue Folge, VII. S. 378. Trausch, Schriftstellerlexikon, II u. III. (unter Lerchenfeld, Lebrecht, Neustädter, Peter Sigerus). Acta diaetalia Magni Principatus Transsilvaniae, 1795, 1810. Peter Sigerus, Anmerkungen zu Baumgarten’s Enumeratio Stirpium M. Transsilvaniae Principatui praeprimis indigenarum, 1816. Ms. ad Tomum I. p. XIII. l. 10. Katholisches Stadtpfarrarchiv zu Hermannstadt.