Zum Inhalt springen

ADB:Röer, Eduard

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Röer, Eduard“ von Johannes Klatt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 42–45, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:R%C3%B6er,_Eduard&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 10:31 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Rogall, Georg
Band 29 (1889), S. 42–45 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand September 2019, suchen)
Eduard Röer in Wikidata
GND-Nummer 12112651X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|29|42|45|Röer, Eduard|Johannes Klatt|ADB:Röer, Eduard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=12112651X}}    

Röer: Hans Heinrich Eduard R. (auf den Titelblättern seiner englischen Publicationen zuweilen Roer), Sanskritphilologe, geb. am 26. October (nach Anderen am 26. December) 1805 in Braunschweig, † ebenda am 17. März 1866, beschäftigte sich zuerst in Königsberg unter Herbart mit philosophischen Studien, habilitirte sich am 6. März 1833 in Berlin als Privatdocent der Philosophie, gab aber, da er mit seinen Lehrerfolgen nicht zufrieden war, diese Stellung mit dem Schlusse des Winterhalbjahrs 1837/38 auf. Seine philosophischen Schriften sind: „De Spinosae systematis principiis quaestio metaphysica“ 1832 (? nach Vapereau); „Ueber Herbart’s Methode der Beziehungen. [43] Ein Beitrag zur Revision der Metaphysik“, Braunschweig 1833; „Das spekulative Denken in seiner Fortbewegung zur Idee“, Berlin 1837. Inzwischen hatte ihn die damals in Berlin unter Bopp eifrig studirte indische Litteratur zu interessiren begonnen. Sein anfänglicher Plan, als Missionär nach Indien zu gehen, änderte sich dahin, daß er in den Dienst der ostindischen Compagnie trat und in dieser Stellung 1839 nach Calcutta übersiedelte, wo er alsbald zur Asiatic Society of Bengal in Beziehungen kam. Er wurde 1841 Bibliothekar derselben, 1847 Secretär der philologischen Abtheilung und veröffentlichte in ihrem Journal mehrere Abhandlungen (New Series, Vol. 9. Uebersetzung von Lassen, zur Geschichte der griech. und indoskyth. Könige. Vol. 11–14, 20–24. 1840–55), darunter besonders: „Bháscarae Acháryae Siddhánta. Shirómani sic dicti operis pars tertia, Gunitadhiam, sive astronomiam continens, latine vertit“ …, in Vol. 13 (1844), und „Védánta-Sára, or Essence of the Védánta, an introduction into the Védánta philosophy by Sadánanda Parivrájakáchárya, transl. from the original Sanscrit“, in Vol. 14 (1845), ersteres eine Uebersetzung des astronomischen Theiles (Ganitâdhyâya) des Bhâskara, letzteres ein neuer Versuch, den Vedântasâra zu übersetzen.

Ein wesentliches Verdienst Röer’s besteht in seiner Thätigkeit an der „Bibliotheca indica“, einer von der Asiatic Society of Bengal herausgegebenen Sammlung orientalischer, namentlich sanskritischer, auf Indien bezüglicher Texte, deren Herausgabe er seit ihrer Begründung im J. 1847 leitete, und von welcher er 33 Hefte selbständig bearbeitet hat. Als erstes der in der Bibliotheca indica herauszugebenden Werke hatte er die „Rigveda-Sanhitâ“, das älteste Litteraturwerk der Inder ausgewählt, ohne zu wissen, daß gleichzeitig in Oxford durch Max Müller eine Ausgabe vorbereitet wurde. Als die Kunde davon nach Calcutta kam, gab die Asiatische Gesellschaft diesen Plan auf, veröffentlichte aber das bereits fertig gestellte unter dem Titel: „The first two lectures of the Sanhitá of the Rig Veda, with the commentary of Mádhaváchárya, and an english translation of the text.“ Calcutta 1849 (Bibliotheca indica. Vol. 1). An Stelle des Rigveda beschloß die Asiatische Gesellschaft auf Röer’s Vorschlag die Herausgabe der ältesten philosophischen Texte der Inder, der Upanishads, mit Çankara's Commentar, und hierdurch kam R. nun eigentlich erst in das richtige Fahrwasser, da er hierbei an seine früheren philosophischen Studien anknüpfen konnte. In einem Briefe an A. Weber (abgedruckt in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländ. Gesellschaft, Bd. 7, 1853, S. 603 Note) äußert er sich selbst darüber: „Obwohl das philologische Gerüste als Mittel mir natürlich sehr viel gelten muß, so ist es doch die Philosophie der Hindus, welche mich besonders in den Sanskritschriften interessirt, und ein besseres Verständniß derselben herbeizuführen, ist mein vorzüglichstes Bestreben gewesen.“ Die Upanishads, deren Abfassungszeit man zwar nicht genauer bestimmen, aber ungefähr in das zehnte bis fünfte Jahrhundert vor Chr. setzen kann, nennt R. selbst sublime emanations of the human mind und den Commentar des Çankara (ca. 800 n. Chr.) ein leuchtendes Beispiel der umfassenden Gelehrsamkeit, der geduldigen Forschung und des philosophischen Scharfsinns der alten Hindus. Die von R. in der Bibliotheca indica veröffentlichten und übersetzten Upanishads sind folgende: „The Brihad Aranyaka Upanishad, with the commentary of Sankara Achárya, and the gloss of Ananda Giri. Edited.“ Calcutta 1849 (Bibliotheca indica. Vol. 2. P. 1, 2). „The Brihad Aranyaka Upanishad, and the commentary of Sankara Achárya on its first chapter, transl. from the original sanscrit.“ Calcutta 1856 (Bibliotheca indica. Vol. 2. P. 3). „The Chhándogya Upanishad, with the commentary of Sankara Achárya, and the gloss of Ananda Giri. Edited.“ Calcutta 1850 (Bibliotheca indica. [44] Vol. 3). „The Taittaríya and Aittaréya Upanishads, with the commentary of Sankara Achárya, and the gloss of Ananda Giri, and the Swétáswatara Upanishad with the commentary of Sankara Achárya. Edited.“ Calcutta 1850 (Bibliotheca indica. Vol. 7). „The Iśa, Kéna, Kaṭha, Prasna, Muṇḍa, Máṇḍukya, Upanishads, with the commentary of Sankara Achárya, and the gloss of Ananda Giri. Edited.“ Calcutta 1850 (Bibliotheca indica. Vol. 8). „The Taittaríya, Aitaréya, Svétáśvatara, Kéna, Iśa, Katha, Praśna, Muṇḍaka and Máṇḍukya Upanishads. Transl. from the original sanscrit.“ Calcutta 1853 (Bibliotheca indica. Vol. 15). Weitere Veröffentlichungen Röer’s in der Bibliotheca indica sind die Ausgabe und Uebersetzung des Bhâshâparicheda, eines Compendiums der Nyâya-Philosophie: „Division of the categories of the Nyáya philosophy, with a commentary by Viswanátha Panchánana. Edited, and the text transl. from the original sanscrit.“ Calcutta 1850 (Bibliotheca indica. Vol. 9), die Ausgabe des Sâhityadarpaṇa, eines im 15. Jahrhundert verfaßten Handbuches der Rhetorik: „The Sáhitya-Darpana or mirror of composition, a treatise on literary criticism; by Viśwanátha Kavirája. The text revised … by E. Roer. Transl. into english by J. R. Ballantyne“. Calcutta 1851 (Bibliotheca indica. Vol. 10), die Ausgabe eines der Mahâkâvya der Hindus, nämlich des im 12. Jahrhundert verfaßten, die Geschichte des Nala und der Damayantî behandelnden Uttara-Naishadhacarita: „The Uttara Naishadha Charita, by Srí Harsha, with the commentary of Náráyaṇa.“ Calcutta 1855 (Bibliotheca indica. Vol. 11), die Ausgabe der Taittirîya-Saṃhitâ, welche R. bis S. 768 des ersten Bandes allein, darauf wegen Anwachsens seiner Amtspflichten mit Cowell zusammen (bis Heft 13) besorgte, bis endlich R., nachdem er Indien verlassen hatte, ganz ausschied: „The Sanhitá of the Black Yajur Veda, with the commentary of Mádhava Achárya. Edited by E. Roer and E. B. Cowell.“ Vol. 1. Calcutta 1860 (1854 begonnen, Bibliotheca indica). Auch von der Ausgabe des Textbuches der Vedânta-Philosophie („The aphorisms of the Vedánta, by Bádaráyana, with the commentary of Sankara Achárya and the gloss of Govinda Ananda. Edited by Paṇḍita Ráma Náráyana Vidyáratna.“ Vol. 1, 2. Calcutta 1854—63, Bibliotheca indica) rühren die beiden ersten Hefte (1854) von R. her; die Ausgabe wurde infolge des zeitweiligen Aufhörens der Bibliotheca indica im J. 1856 unterbrochen, später im J. 1861 wieder aufgenommen, als R. nach Deutschland zurückgekehrt war. Von anderen Schriften, welche R. während seines Aufenthalts in Indien veröffentlicht hat, sind zu nennen eine bengalische Uebersetzung von Lamb’s tales from Shakespeare (Calcutta 1853), s. Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellsch. Bd. 9, S. 637, und eine englische Bearbeitung des Gesetzbuches des Yâjnavalkya: „Hindu law and judicature from the Dharma-Sástra of Yájnavalkya in english with explanatory notes and introduction. By E. Röer and W. A. Montriou.“ Calcutta, London 1859.

Inzwischen hatte das Klima in Indien so auf Röer’s Gesundheit eingewirkt, daß ein längerer Aufenthalt daselbst ausgeschlossen war. 1861 gab er seine einflußreiche Stellung in Calcutta auf und verließ nach einem 22jährigen Aufenthalte Indien. In seiner Vaterstadt Braunschweig verbrachte er mit wissenschaftlichen Studien beschäftigt den Rest seines Lebens. Eine Frucht derselben war eine größere, erst nach seinem Tode gedruckte Abhandlung: „Die Lehrsprüche der Vaiçeshika-Philosophie von Kaṇâda; aus dem Sanskrit übers. und erläutert“, in der Zeitschr. d. Deutsch. Morgenländ. Gesellsch. Bd. 21 (1867), S. 309–420; Bd. 22 (1868), S. 383–442. Manches Unvollendete mag sich in seinem Nachlasse befunden haben, doch ist über den Verbleib desselben nichts bekannt geworden.

[45] R. hat durch seine Forschungen auf dem Gebiete der indischen Philosophie, für welche er durch seine doppelten, philologischen und philosophischen Kenntnisse wohl ausgerüstet war, und durch eine Reihe sorgfältiger kritischer Ausgaben von Sanskrittexten sich ein bleibendes Verdienst erworben. Als ein würdiger Vertreter deutscher Wissenschaft hat er im fernen Osten zum Ruhme des deutschen Namens beigetragen.

Vgl. die Nekrologe: Proceedings of the Asiatic Society of Bengal 1867. S. 2. – R. Gosche im Wissenschaftlichen Jahresbericht über die morgenländ. Studien 1862–67, Heft 1 (1871), S. 63 f.