ADB:Preu, Georg Michael
Ittig (Kirchenhistoriker) und Günther (Dogmatiker) fand er wohlgeneigte Gönner. Besonders kam ihm zu statten, daß Ersterer ihm freie Benutzung seiner reichen Privatbibliothek [115] gewährte, Letzterer ihn als gut honorirten Informator in das Haus eines angesehenen Großkaufmanns Namens Boetticher brachte. So wurde es P. möglich, fünf Jahre lang an der Akademie zu weilen, sich umfassendes Wissen auf den verschiedensten Gebieten anzueignen, dabei auch im mündlichen Vortrag – als Lehrer, Prediger, Disputator – sich auszubilden. Schon bald nach Abschluß seiner Studien (2. Mai 1705) ernannte ihn Fürst Albrecht Ernst II. von Oettingen zum Leiter des dortigen evangelischen Seminars, in welcher Eigenschaft er auch gewisse kirchliche Functionen zu verrichten hatte. Im J. 1710 erhielt er die vereinigten Pfarreien Magerbein und Kleinsorheim zur Pastoration überwiesen. Unterm 12. October 1715 erfolgte seine Beförderung zum Archidiakonus zu Oettingen, woselbst er 14 Jahre lang mit rühmlichem Eifer wirkte. Anfangs Januar 1729 als Diakonus bei St. Jakob nach Augsburg berufen, wurde er 1731 Pastor an dieser Kirche, 1736 „des evangelischen Predigerministeriums Senior“. Sein Tod erfolgte (glaublich) am 25. März 1745.
Preu: Georg Michael P., lutherischer Theologe, ward geboren am 15. März 1681 in der damals reichsunmittelbaren, jetzt kgl. bairischen Stadt Weißenburg als Sohn des Bürgers und Lohgerbers Johann Preu und dessen Gemahlin Sibylla geb. Kirschner. Er besuchte zuerst die lateinische Schule daselbst, welche unter dem Rectorate Döderlein’s einen vorzüglichen Ruf genoß, und bezog, mit den nöthigen Vorkenntnissen ausgerüstet, zwanzig Jahre alt (1701) die Universität Leipzig. Hier oblag er mit großem Fleiße dem Studium der Philologie, Philosophie und Theologie. In den ProfessorenGeorg Michael P. soll drei Mal verheirathet gewesen sein: 1. mit Maria Susanna Lotzbeck, 2. mit Elisabeth Geiselmaier geb. Lutz und 3. mit Margarethe Kern. Doch konnten wir nur betreffs 2. Näheres eruiren, da merkwürdiger Weise weder die Registratur der St. Jakobskirche noch das sog. „evangelische Wesensarchiv“ (Appertinenz des Stadtarchivs) Preu’s Amts- und Personalverhältnisse beleuchtende Aufzeichnungen enthält. Unsere Angaben stützen sich in dieser Hinsicht lediglich auf einen im Besitz des Kirchenraths Preu zu Weißenburg befindlichen „Familienstammbaum“, nach welchem auch G. M. P. in erster Ehe zwei Söhne gezeugt haben soll, nämlich Georg Gottlieb (1710 bis 1758), als Diakon zu Augsburg kinderlos verstorben; dann Georg Peter Christoph, Syndikus und vorderster Rathsherr in Bunzlau (Schlesien), dessen Geschlecht noch heute im Mannesstamm blüht.
Dieselbe Quelle besagt ferner, daß unser P. drei Brüder hatte, von denen zwei in ihrer Vaterstadt – wo die Familie schon 1445 seßhaft – bürgerliche Gewerbe betrieben, während der dritte, Johann, als fürstlich Oettingen’scher Specialsuperintendent und Pfarrer zu Haarburg im Ries 1759 verstarb.
Georg Michael P. hat nach den über ihn vorhandenen Nachrichten nicht nur in seinen verschiedenen Lebensstellungen sich durchaus bewährt, sondern auch in zahlreichen Schriften Belege eines unermüdlichen Fleißes, eines außergewöhnlichen Scharfsinns, wie einer umfassenden und gründlichen Gelehrsamkeit hinterlassen.
Ueber seine schriftstellerischen Leistungen gibt näheren Ausschluß Georg Adam Michel in seiner „Oetting. Bibliothek“ (Ansbach 1758) und Baader „Lexikon verstorbener bairischer Schriftsteller des 18. und 19. Jahrhunderts“ (Augsburg und Leipzig 1825) II. Bd., 1. Theil, S. 258 u. 259. Doch sind diese Mittheilungen nicht vollständig und die fürstliche Bibliothek zu Maihingen im Ries besitzt außer den von Michel und Baader erwähnten Impressis noch einzelne, weitere Elaborate Preu’s, so eine Predigt „Ueber den großen Unterschied eines Menschen und eines Christen“ (Augsburg 1735); eine Trauerrede „Die Leitungen Gottes nach seinem Rathe“ (Oettingen 1737) und Anderes mehr.
Preu’s Hauptwerk ist aber seine apologetisch-polemische Schrift „Licht ohne Schatten“, das in den Jahren 1733 und 1736 zu Augsburg bei Mertz & Mayer (I. Theil) und Johann Jakob Lotter (II. und III. Theil) erschien. Es bezweckt, das Buch des Dominicanerpaters Johann Ferler „Licht und Schatten, das ist Auslegung aller Artikel des katholischen Glaubenbekenntnisses“ (Augsburg 1730) zu widerlegen und „die purlautere Wahrheit, welche in der [116] evangelischen“ (d. i. lutherischen) „Kirche Christi gelehrt wird“, Jedermann vor Augen zu stellen. Protestantische Scribenten, wie Gött in „Das jetzt lebende gelehrte Europa“ (1736) 2. Aufl., II. Theil, S. 271 ff.; Moser, „Beitrag zu einem Lexikon der jetzt lebenden lutherischen und reformirten Theologen“ (1740) S. 821, behaupten, daß P. seine Aufgabe „auf gründliche, kluge und sittsame Art“ gelöst, ja sogar den hochbetagten P. Ferler von der Wahrheit der evangelischen Doctrin überzeugt habe und daß dessen formeller Uebertritt zur Augsburger Confession nur durch seine Gefangensetzung verhindert worden sei. Inwieweit an dieser Angabe ein wahrer Kern, läßt sich leider nicht mehr nachweisen, da gelegentlich der Säcularisation die Registraturen der Dominicanerconvente vielfach verschleudert und vernichtet worden sind, das Archiv des Generalats zu Rom aber keine auf den Fall bezügliche Notiz enthält. So viel steht fest, daß P. an Gelehrsamkeit und dialektischer Gewandtheit P. Ferler überlegen war, daß sein Werk von den Zeitgenossen als unwiderleglich betrachtet wurde (vergl. z. B. Zapf, „Augsb. Bibliothek, II. Bd., S. 715). Letzteres ist unzutreffend, und nach dem heutigen Stand der theologischen Wissenschaft müßte P. gar manche seiner Behauptungen als zu weit gehend oder irrig fallen lassen. Immerhin darf man zugeben, daß der Pastor von St. Jakob ein wohlgerüsteter Streiter für seine Ueberzeugung und eine Zierde des Augsburger Predigerstandes gewesen ist.
Die Maihinger Bibliothek besitzt noch ein Manuscript des ehemaligen Oettingenschen Archidiakonus P., betitelt „Reformationshistorien“, 1142 Seiten in 4° umfassend. Die katholische (d. h. vorreformatorische) Zeit wird in genanntem Elaborat nicht berührt. Nach Michel (a. a. O. I, S. 90) soll P. beabsichtigt haben, auch diese Epoche zu bearbeiten. Doch scheint er nicht dazu gekommen zu sein.
- Archive zu Augsburg, Oettingen, Wallerstein; Bibliotheken zu Augsburg, Oettingen. Die bei Baader (a. a. O. S. 259) angeführte Litteratur; Mittheilungen des Kirchenraths Preu in Weißenburg a. S., des Professors Dr. Weiß, ord. Praed. in Freiburg, Schweiz. – Auffallender Weise ist Preu in „Gesch. d. Wissenschaften“ (Prot. Theologie) ebensowenig erwähnt, wie in Herzog’s „Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche“ (Hauck’sche Neubearbeitung).