ADB:Plinganser, Georg Sebastian
Kaiser Josef gerichteten Begnadigungsgesuch behauptete, daß er von den Bauern „under Ansezung des Gewährs an [299] die Prust“ zur Theilnahme gezwungen worden sei. Er wurde „Oberkriegs-Commissarius der Churbayrischen Landt-Defension“ und hat als solcher, wie der Propsteiverwalter Stadler gelegentlich der Verhaftung Plinganser’s versicherte, „alsbald an alle Gerichter die Ausschreibungen gethan, die Gelter eingehaischt und andere hechst straffbahre Muethwill ausgeibet.“ Auch der Kriegscommissär Steyrer entwirft in seinem Bericht an die kaiserliche Administration vom 14. Februar 1706 von Plinganser’s Thätigkeit ein ähnliches Bild: „Wenn nun dieser Plünganser von der vorgewesten Rebellion die allererste Haubt-Persohn, der nit allein den Paurs-Mann mit allerhand Rhatt und That angestüfft, zum Aufgebot der Leuth und nothwendigen Vivres alle Patenta ausgeferttiget, sondern auch von underschidlichen kheiserlichen Aembtern, Clöstern und anderen Ohrten etliche tausend Gulden aufgeschwöhrt und hierdurch denen Rebellen die Sustentation verschafft.“ P. spielte ungefähr die nämliche Rolle im bairischen Bauernkrieg wie Baron Hormayr im Tiroler Aufstand von 1809; er ist zwar zu den Häuptern der Landesdefension zu zählen, hat sich aber an der eigentlichen militärischen Führung nicht betheiligt.
Plinganser: Georg Sebastian P., bairischer „Landes-Defensor“, geb. 1680 (nicht, wie die gewöhnliche Annahme lautet, zu Pfarrkirchen), Sohn des Imbslandischen Verwalters zu Thurnstein, Hans Georg P., der 1683 ein Gastgebanwesen zu Pfarrkirchen kaufte. Georg Sebastian wurde, nachdem er auf der Universität Ingolstadt die Rechte studirt hatte, als „Mitterschreiber“ am Pfleggericht Pfarrkirchen angestellt. Als bald darauf der Aufstand in Baiern losbrach, schloß er sich den Reichenberger Landfahnen an; es klingt nicht glaublich, was er selbst später in einem anHauptsächlich durch die Härte, womit von den Kaiserlichen nach der Schlacht bei Höchstädt die Rekrutirung durchgeführt wurde, war im Bürger- und Bauernstand Erbitterung wachgerufen worden, und als sich das Gerücht verbreitete, daß die Kaiserlichen damit umgingen, die kurfürstlichen Prinzen von der als Regentin in Baiern zurückgebliebenen Mutter zu trennen und nach Oesterreich zu bringen, nahm die Bewegung einen oppositionellen Charakter an. Die Losungsworte „Kaiser“ und „Kurfürst“ trennten die ganze Bevölkerung in zwei Lager: der Adel und der Prälatenstand mit wenigen Ausnahmen fügten sich nicht nur ohne Widerstreben, sondern, wie es den Anschein hat, nicht unwillig dem Machtgebot des Kaisers, der Baiern wie eine heimgefallene österreichische Provinz behandelte; Bürger und Bauer aber blieben dem Kurfürsten treu und liehen dem Aufruf zur Erhebung für das angestammte Fürstenhaus gern Gehör. Neben den allgemein patriotischen Beweggründen war auch das sociale Element nicht ohne Bedeutung. Der Bauersmann selbst gab als seine Absicht an, „das ihnen unrecht abgenommene und von den Beambten behaltene Guett wiederumben zu erhaischen, die Obrigkeitten und den meisten Adl zu verjagen und sich ratione der Burdten und Anlagen in den alten Stand wie vor etlich dreißig Jahren zu sezen“. Der erste Gewaltstreich ging von ein paar Hundert oberpfälzischen Bauern aus, die unter Leitung des Weißgerbers Sedelmaier zu Kötzting bei Neunburg vor’m Wald ausgehobene Rekruten befreiten und dann offen die Schilderhebung für den vertriebenen Landesherrn proclamirten. Unverweilt erhob sich auch das Volk an Inn und Isar, und beherzte Männer stellten sich an die Spitze, – da ihrer in der A. D. B. bisher noch nicht gedacht wurde, sei in Kürze auf die Episode eingegangen, – in Niederbaiern außer P. der „Student“ Johann Georg Meindl (geb. 1682 in Weng bei Mauerkirchen, studirte nicht, wie bisher angenommen wurde, mit P. in Ingolstadt, sondern an der Universität Salzburg – als Joannes Georgius Meindl, Wengensis, Boius, Logicus, ist er unterm 9. November 1699 im Matrikelbuch der Salzburger Universität eingetragen, – betheiligte sich schon am Ueberfall von Burghausen, ist in der „Lista deren theils angeworbenen, theils aufgestandenen bayrischen Rebellen“ als „Feld-Marschall und General über ein Regiment Reutter“ bezeichnet), der Wirth von Ried (Schweigersreith?), der Bildhauer Schwanthaler, der das Rieder Aufgebot führte, der Wachtmeister Johann Hoffmann, im Oberland einige kurbairische Officiere, die Lieutenants Johann Clanze und Georg Aberle, Hauptmann Matthias Maier aus Zolling bei Moosburg, endlich ein Franzose, Pierre Gauthier, der sich Generalcapitän des Königs von Frankreich nannte und bald eintreffende französische Unterstützung in Aussicht stellte. Auch in der Landeshauptstadt [300] fehlte es nicht an Freunden der patriotischen Erhebung; insbesondere der Weingastgeb Johann Jäger, Mitglied des äußeren Raths, insgemein der „Jägerwirth“ genannt, stand, selbst aus Tölz gebürtig. mit den Landesvertheidigern aus dem Isarwinkel in Verbindung. Sogar einige Kavaliere und höhere Beamte waren im Einverständniß; der Kurfürst selbst war, wie er seiner Gemahlin versicherte, nicht unmittelbar betheiligt, ließ aber auch die Bewegung nicht völlig unbeachtet; er schickte vorerst einen Vertrauten aus den Niederlanden nach Baiern, um über Charakter und Aussichten des Aufstandes Erkundigung einzuziehen. Binnen Kurzem war der Landsturm auf 30 000 Mann angewachsen. Braunau und Schärding wurden von den Schaaren Meindl’s und Plinganser’s im Sturm genommen; die Hauptmacht der Landesvertheidiger unter Hoffmann bestand glückliche Kämpfe mit den Kaiserlichen unter Oberst de Wendt, der sich, nachdem er vergeblich Kraiburg und Mühldorf zu behaupten versucht hatte, nach Haag zurückzog und mit General Kriechbaum vereinigte. Kelheim, Vilshofen, Cham und andere Städte machten mit den Verschworenen gemeinsame Sache; obwohl die Kaiserlichen gegen jeden Bewaffneten, der ihnen in die Hände fiel, standrechtlich vorgingen, griff die Bewegung immer weiter um sich. Es war, wenn man die Verhältnisse berücksichtigt, ein unbedachtes Unternehmen, da gleichzeitig die kaiserlichen Truppen in die bairischen Winterquartiere eingerückt und die Aufständischen selbst nur ein bunt zusammengewürfelter Haufen waren, ohne feldmäßige Ausrüstung, ohne Kriegszucht und Uebung, ohne sachkundige Führung. Dennoch war die Hoffnung auf glücklichen Erfolg nicht von vornherein abgeschnitten, ja, wenn sich die Aufständischen längere Zeit hätten behaupten können, so wären, da ja auch Ungarn unter Franz Rakoczy’s Führung sich gegen die habsburgische Herrschaft erhoben hatte, die österreichischen Lande in gefährlichste Lage gerathen. Von den Isarwinklern ging der Plan aus, die Hauptstadt München zu befreien; mit ihnen traten die Niederbaiern ins Einvernehmen; am Weihnachtstag sollte die gemeinsame Action ins Werk gesetzt werden. In der Hauptstadt selbst wurde eine Erhebung vorbereitet; Studenten, Bürger und Hofdiener wollten auf ein gegebenes Zeichen die Besatzung entwaffnen und den zum Entsatz heranziehenden Landsleuten die Thore öffnen. Ein glückliches Zusammenwirken der Patrioten wurde aber, wie P. in einem späteren Bericht an den Kurfürsten beklagt, von vornherein dadurch gehemmt, daß ein Theil der Bauernschaft unter Vermittlung der bairischen Landstände zu Anzing mit der kaiserlichen Administration einen Vergleich einging, wodurch u. A. auch ein zehntägiger Waffenstillstand festgesetzt wurde. P. und Meindl protestirten gegen die Anzinger Abmachungen, geriethen aber darüber mit der eigenen Regierung in Conflict, und wie die beiden Führer richtig vorausgesehen hatten, konnte die Waffenruhe zu zweckmäßiger Zusammenziehung und Verstärkung der kaiserlichen Streitkräfte benützt werden. Der bisher in Tirol postirte General Kriechbaum wurde von Prinz Eugen mit der Aufgabe betraut, den Volkskrieg in Baiern zu dämpfen, ehe durch das gefährliche Beispiel auch die bisher noch ruhig verbliebenen Landschaften angesteckt würden und von Osten oder Westen Unterstützung zuflösse. Zunächst war der Verlust der Hauptstadt abzuwenden. Denn der Pflegcommissär Johann Josef Oettlinger von Starnberg hatte inzwischen den Anschlag auf München dem kaiserlichen Administrator Grafen von Löwenstein verrathen; es läßt sich nicht feststellen, ob er in seinem Beamteneifer den „Bauernrummel“ als etwas an sich Schädliches und Strafwürdiges ansah oder von eigennütziger Absicht geleitet war. So konnte noch rechtzeitig die Entwaffnung der Einwohnerschaft angeordnet und die über Haag anrückende Abtheilung Kriechbaum’s zu schleuniger Hilfe herbeigezogen werden. Am 22. December kamen die ersten Landfahnen nach Schäftlarn, das zum Sammelplatz ausersehen war. Allmählich fanden sich die „Mannen“ von Reichersbeuern, Tölz, Lenggries [301] und aus andren Gebirgsthälern ein; zugleich kam aber eine Absage der Unterländer, die sich durch Abmahnung einflußreicher Adeliger abhalten ließen, am Zug nach München theilzunehmen und eine gemeinsame Action gegen Wasserburg in Vorschlag brachten. Auch die Annäherung des Kriechbaum’schen Corps wurde gemeldet. Nun riethen zwar Viele zur Heimkehr, auch der zum Obercommandanten gewählte Hauptmann Maier, „weilen sie zu schwach seyen, kein Proviant, kein Munition, kein Gewehr hätten, indem die Meisten nur mit Stecken, Gabel und Sensen versehen“. Doch der Jägerwirth verwahrte sich gegen jeden Aufschub, und die von ihm aufgestachelten Tölzer drohten, Jeden in Stücke zu zerhauen, der noch ein Wort von Rückzug oder Auseinandergehen spräche. Die Ueberwältigung eines feindlichen Reitertrupps bei Forstenried hob den Muth und steigerte die Unvorsichtigkeit der Bauern. Sie setzten den Hauptmann Maier ab, weil er darauf hinwies, daß ein solcher Vortrab auf die Nähe eines größeren Corps schließen lasse, und deshalb zum Rückzug mahnte, und so wurde der Vormarsch auf München thatsächlich ohne jede militärische Oberleitung fortgesetzt. In der Christnacht langten die Bauern vor München an. Als sie auf das verabredete Zeichen nicht Einlaß fanden, erstürmten sie den sogen. rothen Thurm an der Isarbrücke und beschossen mit ein paar Feldschlangen die Stadtmauer. Während nun aber die Kaiserlichen unter Obristlieutenant Littich aus dem Isarthor einen Ausfall machten, rückte auch schon von Anzing das Kriechbaum’sche Corps herbei, die Aufständischen wurden rasch zurückgeworfen, von allen Seiten umzingelt und gegen Sendling gedrängt. Auf dem Kirchhof dieses Dorfes kam es noch zu verzweifeltem Kampf, der aber rasch mit Niederlage der Bauern und Niedermetzelung von vielen hundert Wehrlosen, welche die Waffen weggeworfen und Pardon erfleht hatten, endete.
Begreiflicherweise wurde diese blutige Katastrophe in der Heimath der gefallenen Patrioten bald durch mannigfache Sagen ausgeschmückt. Als der populärste Held der „Mordweihnacht von Sendling“ galt bis vor Kurzem Baltthasar Mayer, Schmied von Kochel. Es erregte daher nicht geringes Aufsehen, als Aug. Schäffler nachzuweisen versuchte, daß der gefeierte „Schmiedbalthes“ gar nicht unter die historischen Persönlichkeiten zu zählen sei, sondern lediglich der Phantasie eines gewissen Gruber seine Existenz verdanke. Dieser Münchner Litterat habe zuerst, auf eine angeblich in einem Kalender von 1734 gefundene Mittheilung sich stützend, in einem 1832 veröffentlichten Volksbuch jenen Helden in die Geschichte eingeschmuggelt. Gegen solche Annahme ist seither Sepp aufgetreten und hat den historischen Schmiedbalthes zu retten versucht. Er ist nur „in Verlegenheit, von sieben gleichzeitigen Balthasar Maier oder Schmiedbalthes (welche in Taufregistern und anderen officiellen Actenstücken erwähnt sind) den richtigen herauszufinden“. Damit ist aber offenbar nicht mehr bewiesen, als daß damals wie heut in jener Gegend der Name Maier nicht ungewöhnlich war, denn durch keine gleichzeitige Nachricht ist festzustellen, daß einer von jenen Sieben am Volkskampf von 1705 mit Auszeichnung theilgenommen habe. Trotzdem ist wohl kaum anzunehmen, daß „der Schmied von Kochel“ lediglich eine Erfindung jenes Litteraten sei; man hat es in diesem Falle zwar nicht mit urkundlicher Geschichte zu thun, aber auch nicht mit einer Fälschung, sondern mit lebendiger Sage. In den Thälern des baierischen Hochlandes erhielt sich das Andenken an einen Schmied von ungewöhnlicher Körperstärke, der sich Anno 1705 besonders hervorthat und bei Sendling sein Grab fand. Gruber lernte während eines Aufenthalts in Kochel diese Sage kennen und brachte sie in glücklich nachgeahmtem Chronikenstil in die Oeffentlichkeit. Eine nur der Phantasie des obscuren Erzählers entsprungene Novellenfigur wäre nicht in so kurzer Zeit in die Tradition des baierischen Volkes übergegangen; auch ist durch die von Sepp in großer Zahl mitgetheilten Aussagen der ältesten Leute von Kochel und [302] Umgebung, mag man dergleichen Versicherungen noch so skeptisch aufnehmen, jedenfalls so viel festgestellt, daß die Sage vom Balthes schon vor dem Jahre 1832 verbreitet gewesen ist.
Die Sendlinger Katastrophe hatte noch ein blutiges Nachspiel. Nicht blos wurden die in die Stadt geschleppten Schwerverwundeten „pro terrore lang auf den Gassen liegendt gelassen“, auch die Rädelsführer erlitten barbarische Strafe. Die ehemaligen Officiere Clanze und Aberle und drei Münchener Bürger, der Weingastgeb Johann Georg Khidler, der Eisenkrämer Sebastian Senser und der Jägerwirth wurden auf dem Schrannenplatz zu München enthauptet und geviertheilt, viele Andere erschossen oder massakrirt. Hauptmann Matthias Maier wurde gefoltert und zum Tode verurtheilt, aber zu Gefangenschaft im Falkenthurm begnadigt; erst die Rückkehr des Kurfürsten Max Emanuel brachte ihm Befreiung, und am 8. Februar 1716 wurde decretirt, daß er (durch Schwingen der Regimentsfahne über seinem Haupte) wieder als ehrlicher Mann und Officier erkannt werde.
Inzwischen (19. December) war in Braunau ein Landescongreß zusammengetreten, der außer Mitgliedern der „bewaffneten Gemein“ auch Deputirte der Landschaft umfaßte; auch sollten von jedem Gericht im Rentamt Burghausen ein Adeliger, ein Pfarrer, ein Bürger und Bauersmann theilnehmen. Hauptquellen für die Geschichte jener Vorgänge sind ein Begnadigungsgesuch, das P. am 1. Juli 1706 aus dem Falkenthurm zu München an Kaiser Josef I. richtete, und ein Memoriale, das er jedenfalls erst nach dem Badener Friedensschluß für den Kurfürsten Max Emanuel schrieb (beide abgedruckt im 8. Bd. der Verhandlungen des histor. Vereins von Niederbayern, S. 111). Nun widersprechen sich aber die beiden Actenstücke in vielen Punkten; während er im Bericht an den Kurfürsten den eigenen Antheil an der aufständischen Bewegung in ruhmrediger Weise hervorhebt, sucht er im de- und wehmüthigen Bittgesuch – Schwäbl glaubt den erbärmlichen Bettelbrief mit den Worten rechtfertigen zu können: „Er war eben kein Fabricius und kein Regulus, er war ein Sohn des achtzehnten Jahrhunderts!“ – glaubhaft zu machen, daß er überhaupt nur gezwungen am Aufstand Theil genommen, seiner österreichischen Gesinnung wegen von den Rebellen viel zu leiden gehabt, trotzdem bei jeder Gelegenheit die Kaiserlichen beschützt und begünstigt hätte. Wenn man die beiden Documente unbefangen vergleicht und die anderwärts bezeugten Thatsachen heranzieht, wird man zur Ueberzeugung gelangen, daß P. mit beiden Behauptungen übertrieben hat, daß er weder der eigentliche Führer war, der die Bewegung im Unterland nach seinem Willen und Ermessen leitete, bis er der Eifersucht des Adels zum Opfer fiel, noch der österreichisch gesinnte Verräther im bairischen Lager, als welchen er sich vor dem Kaiser darstellen will. Jedenfalls zählte er zu denjenigen, die am zähesten an Kampf und Widerstand festgehalten wissen wollten; dies beweist schon seine Enthebung vom Amt eines Kriegscommissärs durch den Braunauer Congreß. Denn hier gewann, seit die Nachricht von der Niederlage bei Sendling und dem blutigen Ende so vieler Landsleute eingetroffen war, die zur Verständigung mit dem kaiserlichen Regiment geneigte Adelspartei die Oberhand. Der ehemalige kurbairische Oberst Baron d’Ocfort wurde zum Commandanten von Braunau ernannt. P. sollte nur noch „Secretaridienst“ versehen. Unter energischer, einheitlicher Leitung hätten die Streitkräfte der Landesdefensoren noch immer der kaiserlichen Verwaltung ernste Schwierigkeiten bereiten können, allein davon war unter den bestehenden Verhältnissen nicht mehr die Rede. Das Zaudern des Gegners gestattete der kaiserlichen Heeresführung, genügende Reichstruppen zu Deckung der Hauptstadt und Besetzung des Oberlandes zusammenzuziehen und das Corps Kriechbaum mit den gefürchteten Panduren und Kroaten [303] gegen die noch unter Waffen stehenden Unterländer zu verwenden. Am 8. Januar 1706 wurden die bei Aidenbach in der Nähe von Vilshofen stehenden Bauernschaaren aufs Haupt geschlagen. Auch hier gewannen die regulären Truppen gegen die nur nothdürftig bewaffneten und – da Commandant Hoffmann bald Alles verloren gab und die Flucht ergriff – führerlosen Bauern leichten Sieg, nach einstündigem Treffen bedeckten die Leichen von viertausend Landesvertheidigern die Wahlstatt. Meindl, dem der Braunauer Congreß die Obristenstelle über die Schützen verliehen hatte, traf zu spät ein; Baron d’Ocfort war, da er den Widerstand von schlecht bewaffneten und undisciplinirten Bauern gegen regulirte Truppen für aussichtslos ansah, nicht zu bewegen gewesen, Braunau zu verlassen. Hoffmann schlich sich glücklich durch Baiern und ließ sich bei Prinz Eugens Armee in Italien anwerben; nach zwei Jahren wurde er jedoch erkannt, in Braunau vors Kriegsgericht gestellt und enthauptet. Unmittelbar auf die Niederlage der Bauern bei Aidenbach folgte der Fall von Burghausen und Schärding, ja, die stärkste Festung, Braunau, wurde schon am 17. Januar 1706 durch d’Ocfort selbst den Kaiserlichen ausgeliefert. Umsonst versuchte P., wie er wenigstens im Bericht an den Kurfürsten versichert, mit den „yber die Brucken in 4000 Mann starck gestandtenen Landtestrouppen“ die Uebergabe zu verhindern. Oberst d’Ocfort, „vorgebent, das er zwar die Soldaten, nit aber die Paurn zu commandiren gelernt habe“, wollte nichts mehr von Widerstand wissen; vielleicht handelte er nach geheimem Befehl, jedenfalls nach der Intention des Kurfürsten, dessen Sache durch längere Fortdauer des hoffnungslosen Aufstandes nur geschädigt werden konnte. Nun löste sich die Landesdefension gänzlich auf, und „ein ieder (hat), so guet er geköndt, nach der sicherheit sich umbsehen mießen“. Nur Meindl lieferte noch am 22. Januar den Kaiserlichen bei Kling unweit Wasserburg ein letztes, glückliches Gefecht, zog sich aber dann nach den Weilharter Waldungen zurück. Durch kaiserliches Patent vom 25. Januar wurde er für vogelfrei erklärt und auf seinen Kopf ein Preis von 100 Speciesducaten gesetzt. Es gelang ihm aber, nach Salzburg zu entkommen. Hier trat er in die Leibgarde ein, wo er bis zum „hochfürstlichen Carabinierkorporal und Lieutenant“ vorrückte und erst am 9. März 1767, 85 Jahre alt, starb. P. fand ein Versteck im Franciscanerkloster zu Eggenfelden und entwich später glücklich ins Salzburgische Gebiet. Im Mai schlich er sich nach Altötting zurück. Hier ließ ihn aber der kurfürstliche Propsteiverwalter Stadler, wie er in seinem Bericht an die kaiserliche Administration zu München hervorhebt, mit Rücksicht auf die „Französischen Progressen,“ die „gar leichtlich ein neues verdambliches Rebellionsfeuer aufgehen“ lassen könnten, festhalten und der kaiserlichen Behörde ausliefern. Der Verhaftete soll geäußert haben, daß er „nicht fürchte, daß ihme an dem Leben was geschehe, woll aber vill Gelt begerth werden mechte“; dagegen wolle er, „weil es nimmer anderst sein kan, vile Große in das Spill bringen“. Er wurde in Burghausen verhört, dann in den Falkenthurm zu München verbracht. Daß er vom Schicksal des Jägerwirths und anderer Rädelsführer verschont blieb, verdankte er vermuthlich der Fürsprache einflußreicher Männer, die durch ihn compromittirt zu werden befürchteten. Er wurde sogar nach dreijähriger Haft freigelassen und erhielt noch unter österreichischem Regiment das Amt eines Verwalters in Mengkofen bei Dingolfing. Auch vor dem zurückgekehrten Landesherrn vertheidigte er sich mit Glück, so daß er 1716 als Hofgerichtsadvocat zugelassen wurde. 1723 siedelte er als erster Rath und Kanzler des Reichsstifts St. Ulrich nach Augsburg über, wo er am 7. Mai 1738 starb. Wie sich das Volk der baierischen Berge seinem Ideenkreis entsprechend den „Schmied von Kochel“ nach Belieben formte, so wurde der Liebling des Unterlands der in Volksbüchern und Dramen verherrlichte „Student von Pfarrkirchen“. [304] Man ging in neuerer Zeit mit dem Gedanken um, dem „vollendeten Patrioten“ ein Denkmal zu setzen, allein auf Betreiben der historischen Classe der Akademie der Wissenschaften wurde davon Umgang genommen. –
- Rastlos (Christoph von Aretin), Die Oesterreicher in Baiern (1805). – Hormayr, Die Mordweihnachten von Sendling; Taschenbuch für vaterländische Geschichte, Jhgg. 1835, 178. – Schäffler, zur Geschichte der oberbairischen Landeserhebung, in Sybel’s histor. Zeitschr., Jhgg. 1861, 287, und Die oberbairische Landeserhebung im Jahre 1705 (1880). – Destouches, Münchener Bürgertreue (1880). – Morawitzky und Alois Schels, Beiträge zur Geschichte des Volksaufstandes in Niederbaiern; Verhandlungen des hist. Ver. f. Niederbaiern, Jhgg. 1862, 89. – Otto Schels, zur Geschichte über Georg Plinganser, Vhdl. d. hist. Ver. f. Niederb., Jhgg. 1881, 265. – Schwäbl, Georg Sebastian Plinganser, Vhdl. d. hist. Ver. f. Niederb., Jhgg. 1883, 185. – Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen, 8. u. 9. Bd. – Sepp, der baierische Bauernkrieg mit den Schlachten von Sendling und Aidenbach (1884). – Konrad Meindl, Schützenoberst Johann Georg Meindl und der bair. Bauernaufstand im Rentamt Burghausen; Vhdl. d. hist. Ver. f. Niederb., Jhgg. 1887, 363.