ADB:Pesch, Tilman
Pesch: Tilmann P., Jesuit, Philosoph, geboren am 1. Februar 1836 zu Köln, † am 18. October 1899 zu Valkenberg in Holland. P. trat am 15. October 1852 zu Münster in das Noviziat der Gesellschaft Jesu, machte die philosophischen und theologischen Studien in Paderborn und Bonn, war dann vier Jahre als Lehrer am Jesuiten-Gymnasium zu Feldkirch thätig und empfing am 13. Januar 1866 zu Maria-Laach die Priesterweihe. Von Herbst 1867–1869 wirkte er als Professor der Philosophie im Collegium zu Maria-Laach, von Herbst 1869–1872 in Aachen in seelsorgerlicher Thätigkeit. Nach der Ausweisung des Ordens begab er sich 1872 zuerst für kurze Zeit nach Castell Wynandsrade im holländischen Limburg, wo die bisher in Münster studirenden Ordenscleriker untergebracht werden sollten. Seit dem 1. Januar 1873 wirkte er zu Tervueren in Belgien in der Redaction der „Stimmen aus Maria-Laach“. Im Herbst 1876 wurde er in das Studienhaus der Ordensprovinz nach Blijenbeck berufen, um wieder das Lehramt der Philosophie (Naturphilosophie und Psychologie) zu übernehmen; er verwaltete dasselbe acht Jahre, bis er es im Herbst 1884 niederlegte, um sich fortan ganz seiner schriftstellerischen Thätigkeit zu widmen. Daneben war er auch seelsorgerisch thätig und wirkte oft mit großem Erfolg als Kanzelredner, in Volksmissionen und Exercitien und als Redner in öffentlichen Versammlungen. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er im Collegium zu Valkenberg.
P. war ein ungemein fleißiger und litterarisch fruchtbarer Gelehrter, einer der namhaftesten Vertreter der scholastischen Philosophie in den letzten drei Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts. Die Hauptwerke seiner wissenschaftlichen Lebensarbeit liegen vor in den lateinischen scholastischen Lehrbüchern, die er als Bestandtheile der auf seine Anregung unternommenen „Philosophia Lacensis“ verfaßte, in welcher von frühern Philosophieprofessoren des Collegs von Maria-Laach das Gesamtgebiet der Philosophie in Einzelwerken dargestellt werden sollte: „Institutiones Philosophiae naturalis secundum principia [20] S. Thomae Aquinatis“ (Freiburg i. Br. 1880; 2. Aufl. 1897 in 2 Bänden); „Institutiones logicales secundum principia S. Thomae Aquinatis“ (2 Theile in 3 Bänden, ebd. 1888–1890); „Institutiones psychologicae secundum principia S. Thomae Aquinatis“ (2 Theile in 3 Bänden, ebd. 1896–1898) und in dem in freierer Form verfaßten, für weitere wissenschaftlich gebildete Leserkreise bestimmten großen deutschen Werke: „Die großen Welträthsel. Philosophie der Natur. Allen denkenden Naturfreunden dargeboten“ (2 Bde., ebd. 1883 f.; Bd. 1: Philosophische Naturerklärung; Bd. 2: Naturphilosophische Weltauffassung; 2. Aufl. 1892), eine Darstellung der christlichen Naturphilosophie im Sinne der scholastischen Speculation, unter eingehender Berücksichtigung der modernen Wissenschaft, und Vertheidigung der christlichen Weltanschauung gegen den Monismus. (Vgl. dazu Gla, Repertorium der katholisch-theologischen Litteratur, Bd. I, 2, Paderborn 1904, S. 150 ff.) Der philosophischen Vertheidigung der christlichen Weltanschauung gegen moderne Gegner derselben für weitere Kreise dienen auch die zahlreichen Artikel, die P. in den Jahren 1873–1877 und 1881 (Bd. 4–13 u. 20) in den „Stimmen aus Maria-Laach“ erscheinen ließ, und besonders die drei unter den Ergänzungsheften zu dieser Zeitschrift erschienenen größeren Arbeiten: „Die moderne Wissenschaft betrachtet in ihrer Grundfeste. Philosophische Darlegung für weitere Kreise“ (Freiburg i. Br. 1876; 1. Ergänzungsheft zu den Stimmen aus Maria-Laach); „Die Haltlosigkeit der ‚modernen Wissenschaft‘. Eine Kritik der Kant’schen Vernunftkritik für weitere Kreise“ (ebd. 1877; 3. Ergänzungsheft); „Das Weltphänomen. Eine erkenntnißtheoretische Studie zur Säcularfeier von Kant’s Kritik der reinen Vernunft“ (ebd. 1881; 16. Ergänzungsheft). Auf fachwissenschaftlich philosophischem Gebiete ist noch zu nennen: „Seele und Leib als zwei Bestandtheile der einen Menschensubstanz, gemäß der Lehre des hl. Thomas von Aquin“ (Philosophisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft, 7. Bd., 1894, S. 1–29; u. separat, Fulda 1893). Durch die damaligen Angriffe auf die katholische Kirche wurden die zuerst unter dem Pseudonym Gottlieb, in späteren Auflagen unter dem Namen des Verfassers veröffentlichten populär-apologetischen Schriften veranlaßt; zuerst: „Briefe aus Hamburg. Ein Wort zur Vertheidigung der Kirche gegen die Angriffe von sieben Läugnern der Gottheit Christi“ (Berlin 1883; die einzelnen Briefe waren zuerst in der „Germania“ erschienen); bildet in den spätern Auflagen (3. Aufl. 1889; 4. Aufl. 1893; 5. Aufl. 1905) den I. Band des Werkes: „Christ oder Antichrist? Beiträge zur Abwehr gegen Angriffe auf die religiöse Wahrheit“; als II. Band schloß sich an: „Der Krach von Wittenberg. Blicke auf den religiösen Wirrwarr der Gegenwart“ (ebd. 1890; 2. Aufl. 1894). Auch unter den auf seine Anregung ins Leben gerufenen, im Verlag der „Germania“ in Berlin erschienenen „Katholischen Flugschriften zu Wehr und Lehr“ sind mehrere Nummern von ihm verfaßt, theils unter seinem Namen, theils unter dem Namen Gottlieb (1890–92). Zu nennen sind endlich noch die werthvollen, in zahlreichen Ausgaben verbreiteten Erbauungsbücher: „Das religiöse Leben. Ein Begleitbüchlein mit Rathschlägen und Gebeten für die gebildete Männerwelt“ (Freiburg i. Br. 1878; 13. Aufl. 1906); „Christliche Lebensphilosophie. Gedanken über religiöse Wahrheiten. Weitern Kreisen dargeboten“ (ebd. 1895; 9. Aufl. 1906), und das nach dem Französischen von A. Baudon bearbeitete Büchlein: „Der Christ im Welt-Leben und seine kleinen Unvollkommenheiten. Zur Beherzigung für gebildete Christen aller Stände“ (Köln, 3. Aufl. 1896; 16. Aufl. 1906).
- Stimmen aus Maria-Laach, 57. Bd. 1899, S. 461–475.