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ADB:Pauli, Friedrich August von

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Artikel „Pauli, Friedrich August von“ von Karl Maximilian von Bauernfeind in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 251–258, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pauli,_Friedrich_August_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 23:21 Uhr UTC)
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Pauli: Friedrich August von P., Oberbaudirector. Nach seinen eigenen Aufzeichnungen stammte Friedrich August P., dessen Name als Ingenieur und Förderer des technischen Bildungswesens in Baiern den gleichen guten Klang hat, aus einer seit zwei Jahrhunderten in der Rheinpfalz ansässigen Predigerfamilie. Sein Vater, Johann Philipp Gerhard[WS 1], war zuerst Erzieher [252] im Anhalt-Bernburgschen Fürstenhause und dann reformirter Prediger in Dresden. Einige Jahre später an die reformirte Gemeinde in Hamburg berufen, verheirathete er sich daselbst am 4. Juni 1781 mit der ältesten Tochter Marie des dortigen Kaufmanns Keesmann. Anfangs der neunziger Jahre kehrte er in die Heimath zurück und wurde Pfarrer in Kaiserslautern. Nach der Schlacht in der Nähe dieser Stadt (26. bis 28. November 1793) flüchtete er mit Familie nach Heidelberg und fand im dortigen Kirchenrathe Beschäftigung. Als nach zwei Jahren wieder einige Ordnung am linken Rheinufer hergestellt war, wurde Vater P. zum ersten Pfarer in Osthofen bei Worms ernannt, und hier ist Friedrich August am 6. Mai 1802 geboren worden, als der jüngste unter zwölf Geschwistern, wovon vier in früher Jugend starben. Im Herbste 1811 wurde der neunjährige Knabe zum Besuche der Lateinschule nach Grünstadt verbracht, und an Ostern 1814 trat derselbe in das Gymnasium zu Kaiserslautern ein, dessen Rector sein Pathe war. Der ziemlich ungenügende Sprachunterricht war vielleicht schuld, daß P., was er dem Mangel an Talent zuschrieb, den lateinischen und griechischen Classikern kein Interesse abgewinnen konnte. Desto mehr zog ihn das Studium der Mathematik, insbesondere der Geometrie an, welche Rector Balbier lehrte. So sehr war P. in diesem Fache seinen Mitschülern überlegen, daß er zu ihrem Repetitor der Geometrie aufgestellt wurde. Als im April 1816 der Vater gestorben und die Mutter nicht in der Lage war, ihren Sohn August weiter auf dem Gymnasium zu belassen, erbot sich dessen Bruder Wilhelm, der in Manchester Procuraträger der Filiale eines Hamburger Hauses war, ihn zu sich zu nehmen und für seine fernere Ausbildung zu sorgen. Im Sommer 1817 kam dieses Anerbieten zur Ausführung. Von Manchester aus brachte Wilhelm P. seinen des Englischen ganz unkundigen Bruder behufs Erlernung der Sprache zu einem in der Nähe wohnenden Landgeistlichen, der weder deutsch noch französisch verstand. So in ausschließlich englische Umgebung versetzt, machte August P. in der Sprache so rasche Fortschritte, daß er schon nach einem halben Jahre schriftlich und mündlich verkehren konnte. Hierauf trat derselbe bei seinem Bruder in die kaufmännische Lehre, und als dieser bald, besonders aus der Lectüre erkannt hatte, daß der Lehrling von der angewandten Mechanik im hohen Grade angezogen wurde, machte er ihm selbst den Vorschlag, zu ihr überzugehen. P. fand sofort Aufnahme in den Werkstätten des wissenschaftlich gebildeten Mechanikers White, während John Dalton, einer der bedeutendsten englischen Physiker jener Zeit, sich bereit finden ließ, ihm Privatunterricht in Mathematik und Physik zu geben. Der angehende Mechaniker hatte sich in der neuen Lehre nicht nur mit mechanischen Arbeiten zu beschäftigen, sondern auch die zahlreichen von White erfundenen Maschinen zu studiren, wodurch er auch in der Beurtheilung von anderen Werken der Mechanik sehr gefördert wurde. Nach Beendigung der zweijährigen Lehrzeit bei White versiegte für P. die aus dem Einkommen seines Bruders geflossene Unterstützung, da dieser im Juli 1821 starb, und er mußte nun darauf bedacht sein, sich seinen Unterhalt selbst zu verdienen. Er versuchte dies mit dem Betriebe einer auf eigene Rechnung errichteten Metalldreherei; als aber die Einnahmen aus derselben bei aller Einschränkung kaum zum Leben ausreichen wollten, kehrte er nach einiger Zeit über Hamburg in die Heimath zurück, um mit Freunden und Bekannten zu überlegen, welchem Berufe er sich nun zuwenden solle. P. entschied sich für das Ingenieurfach und bezog deshalb von Ostern 1822 bis zum Herbst 1823 die Universität Göttingen, um an ihr vorzugsweise reine und angewandte Mathematik, sowie Naturwissenschaften zu studiren. Seine praktischen Studien machte er im Kreisbaubureau zu Speier, in das er nach seinem Abgange von Göttingen als Bauadspirant aufgenommen [253] wurde. Nachdem er zur Erweiterung und Befestigung seiner theoretischen Kenntnisse im Winter 1824/25 in München, wo es damals weder Universität noch Polytechnikum gab, bei verschiedenen Mitgliedern der Akademie auch noch deren Vorlesungen über Physik, Chemie und Mineralogie gehört und an den damit verbundenen praktischen Uebungen theilgenommen hatte, legte P. im Juni 1825 bei der Königlichen Obersten Baubehörde die Staatsdienstprüfung ab, welche er „in allen Theilen mit ausgezeichnetem Erfolge“ bestand.

Schon war P. im Begriff, in der Eigenschaft eines Baupraktikanten nach Speier zurückzukehren, als ihn ein neues Verhältniß in München festhielt. Zu den Akademikern, deren Vorlesungen er kürzlich besucht hatte, gehörte auch Joseph Fraunhofer. Dieser berühmte Optiker wollte den jungen P. zu seinem Nachfolger heranziehen und bot ihm deshalb Beschäftigung in seinem Institute an; sein Wunsch sollte sich aber nicht erfüllen, da er schon nach einem Jahre (7. Juni 1826) in den Armen seines jungen Freundes starb. Bald darauf kehrte P. in die Pfalz zurück, wo er mit dem Kreisingenieur Panzer Vorarbeiten für die Fortsetzung des Kanals Monsieur von der französischen Grenze bis Speier herzustellen beauftragt war. Aber noch vor Vollendung derselben wurde er am 17. Februar 1827 als Hilfsingenieur zur Ministerialbausection nach München berufen, um bei dem Entwurfe eines die Donau bei Kelheim mit dem Main bei Bamberg verbindenden Schifffahrtskanals, den schon Karl der Große geplant und angefangen hatte, jedoch technischer Schwierigkeiten wegen nicht ausführen konnte, mitzuwirken. Pauli’s und seiner Mitarbeiter nächste Aufgabe war, das Terrain auf der die genannten Ströme trennenden Wasserscheide und in den dazu gehörigen Thälern aufzunehmen, um hiernach die Theilungshaltung des Kanals festzusetzen. Die Lösung dieser Aufgabe und der Projectirung der Kanalstrecke Neumarkt-Bamberg war um so mühsamer und zeitraubender, als es damals für Franken noch keine Steuerblätter gab, in welche die technischen Bestimmungen sofort hätten eingetragen werden können. Schon in diesen Vorarbeiten für den Donaumainkanal tritt uns in P. der gelehrte und denkende Ingenieur entgegen, welcher, der erste in Baiern und Deutschland, das aus der französischen Schweiz stammende und vom Genfer Ingenieur Ducarla 1782 zur Versinnlichung der Oberflächengestalt des Meeresbodens angewendete Hilfsmittel der Horizontalcurven auf das feste Terrain und die Projectirung von Ingenieurbauwerken übertrug, sowie er es bei seinen im Jahre 1840/41 im Ingenieurcurse zu München gehaltenen Vorlesungen seinen Zuhörern dringend zur Benutzung empfahl und später (1843–1860) bei der Trassirung der bayrischen Staatseisenbahnen in ausgedehntem Maße anwenden ließ. Im April 1832 wurde P., der nun fünf Jahre unter den Augen der obersten Baubehörde praktisch thätig war, unter dem Titel eines Kreisingenieurs mit der Vorstandschaft der königl. Bauinspection Reichenhall betraut. Aus dieser Stellung berief ihn jedoch schon am 15. März 1833 ein königliches Decret zum Oberingenieur der obersten Baubehörde, zum Professor der höheren Mechanik an der Universität München und zum zweiten Vorstande der königl. Polytechnischen Schule daselbst. Eine Ministerialentschließung vom 11. Septbr. jenes Jahres fügte auch noch das Rectorat der neugebildeten Kreisgewerbeschule für Oberbaiern hinzu.

Ein so reicher Aemtersegen, wie er außer P. wohl noch keinem anderen Beamten auf einmal bescheert wurde, bedarf einer Erläuterung, welche auf das zu Anfang der dreißiger Jahre in Baiern geschaffene System des technischen Unterrichts zurückgreifen muß. König Ludwig I. hatte seit seinem Regierungsantritt der Hebung von Kunst, Gewerbe und Landwirthschaft besondere Fürsorge zugewendet und infolge dessen unter dem 16. Februar 1833 die Errichtung von drei [254] Gattungen technischer Unterrichts- und Bildungsanstalten befohlen: Landwirthschafts- und Gewerbeschulen, polytechnische Schulen und eine technische Hochschule. Im Herbste jenes Jahres traten über zwanzig Landwirthschafts- und Gewerbeschulen ins Leben, darunter acht Kreisanstalten, welche den humanistischen Gymnasien parallel gestellt waren und deren Absolutorium, wenn ihm das einer vierclassigen Lateinschule vorausging, zum Uebertritt an die technische Hochschule befähigte, im anderen Falle aber nur zur Aufnahme in einer der drei mit dem Range von Lyceen ausgestatteten polytechnischen Schulen zu München, Nürnberg und Augsburg. Die technische Hochschule war mit der cameralistischen Facultät der Universität München verbunden, und an ihr sollte der Oberingenieur P. neben seinen sonstigen umfassenden amtlichen Arbeiten Vorträge über höhere Mechanik halten. Zur Vorbereitung auf dieselben wurde ihm allerdings eine Frist von zwei Jahren gewährt; als aber dieser Termin verstrichen war, erklärte sich P. wegen Mangels an Zeit außer Stande, die ihm übertragene Universitäts-Professur anzutreten, und bat um Enthebung von derselben. Seinem Gesuche wurde jedoch erst dann willfahrt, als man auf Grund einer siebenjährigen Erfahrung an maßgebender Stelle einsah, daß die technische Hochschule an der Universität nicht gedeihen könne und in anderer Weise für die Ausbildung von Adspiranten des technischen Staatsdienstes gesorgt werden müsse. Dieses Auskunftsmittel bot die Errichtung eines Ingenieurcursus an der polytechnischen Schule in München, welcher am 14. Juli 1840 beschlossen und mit Beginn des Studienjahres 1840/41 eröffnet wurde. An diesem Curse nun hatte der gleichzeitig zum Rector der erweiterten polytechnischen Schule ernannte, dagegen vom Rectorate der Kreisgewerbeschule enthobene Oberingenieur P. Vorträge über Straßen-, Brücken- und Wasserbau zu halten. Als Oberingenieur besorgte er das Referat über das Bauwesen in zwei alljährlich zu bereisenden Regierungsbezirken und über den Donaumainkanal, ferner mußte er als Collegialmitglied den wöchentlichen Sitzungen der obersten Baubehörde beiwohnen, endlich Jahr für Jahr die Concursprüfungen für den Staatsbaudienst abhalten. Als Professor lag ihm der Vortrag der Theorie des Ingenieurwesens und die Leitung der damit verbundenen Constructionsübungen ob, ein Pensum, welches jetzt (freilich in colossaler Erweiterung) an den meisten technischen Hochschulen drei Professoren beschäftigt. Und die Führung des Rectorats der polytechnischen Schule war selbst damals keine Sinecure, wenn auch die Zahl der zu erledigenden Geschäftsnummern nicht den zehnten Theil der jetzigen betrug.

Die Verdienste Pauli’s um das technische Bildungswesen in Baiern verbreiten sich in drei Richtungen: Zunächst auf seine Mitwirkung bei der Ein- und Durchführung der Gewerb- und polytechnischen Schulen, für welche es damals an geeigneten Lehrern und Rectoren fehlte. Dann auf seine an dem Ingenieurcurse in München gehaltenen Vorträge über Straßen-, Brücken- und Wasserbau, welche deutsche Studirende mit der damals bedeutendsten Litteratur des Ingenieurfaches, der französischen, in einer Weise bekannt und vertraut machten, wie es an keiner andern polytechnischen Schule in Deutschland geschah. Endlich auf das Praktikum, welches er nach Niederlegung des Lehramts für seine beim Eisenbahnbau verwendeten ehemaligen Schüler jedesmal dann abhielt, wenn er die ihm untergeordneten Bausectionen visitirte, um mit deren technischem Personale an Ort und Stelle die in Aussicht genommenen oder bereits in Ausführung begriffenen Erd- und Kunstbauten in derselben klaren und lebendigen Weise zu besprechen, die auch seine Vorlesungen auszeichnete. Die Katheder-Lehrthätigkeit Pauli’s und seine selbständige Rectoratsführung an der polytechnischen Schule a. O. erstreckte sich kaum über ein Jahr, da er mit Ende Juni [255] 1841 nach Nürnberg übersiedeln mußte, um dort als dirigirendes Mitglied in die Eisenbahnbau-Commission einzutreten, welcher König Ludwig I. die Aufgabe gestellt hatte, von der sächsischen Reichsgrenze bei Hof über Bamberg und Nürnberg bis Augsburg und gegebenen Falls bis Lindau eine Locomotiv-Eisenbahn auf Staatskosten zu bauen. An der Spitze dieser Commission standen anfänglich drei Directoren: Kreisbaurath Denis für die Strecke Hof–Nürnberg, Oberingenieur P. für die Strecke Nürnberg–Augsburg, und Oberzollinspector Dürig für die Administrativgeschäfte auf der ganzen Linie. Eine so vielköpfige Oberleitung bewährte sich jedoch nicht, und schon nach einem Jahre trat Denis von ihr zurück und P. erhielt die gesammte technische Direction, während Dürig nach wie vor die ökonomischen Geschäfte besorgte. Während seines siebenjährigen Aufenthalts in Nürnberg (1841 bis 1848) wurde P. unter Belassung in seiner Stellung als technischer Vorstand der königl. Eisenbahnbaucommission zweimal befördert: 1843 zum Kreisbaurath bei der Regierung von Mittelfranken, und 1848 zum Oberbaurath bei dem königl. Ministerium des Innern; auch erhielt er in dieser Zeit zwei inländische Ordensdecorationen: 1845 das Ritterkreuz des Verdienstordens vom heiligen Michael und 1847 das den persönlichen Adel verleihende Ritterkreuz des Civilverdienstordens der bayrischen Krone. Von seinen technischen Leistungen während dieses Zeitraumes wird noch besonders die Rede sein; über die von ihm zu bewältigende Arbeitslast aber äußerte er selbst, daß sich in Folge derselben der Sonntag bei ihm von den Wochentagen nur dadurch unterschieden habe, daß er am Vormittag die Predigt besuchen und am Nachmittag um 5 statt um 8 Uhr nach Hause gehen konnte.

Von Nürnberg hatte P. zwei größere wissenschaftliche Reisen in Eisenbahnangelegenheiten zu machen. Die erste im Winter 1843/44 nach England und Irland, um im Auftrage der königl. Staatsregierung die eben vollendete und so hoch gepriesene „atmosphärische Eisenbahn“ zwischen Kingstown und Dalkey einzusehen und zu studiren; die andere im Frühjahr 1846 in die Schweiz, um auf Einladung des St. Galler Eisenbahncomités in Gemeinschaft mit dem würtembergischen Oberbaurathe Etzel ein Gutachten über die wirthschaftlichste Anlage einer von Rorschach über St. Gallen nach Wyl führenden Eisenbahn abzugeben. Die Ergebnisse seiner Reise nach England hat P. in zwei sehr eingehenden Berichten an das ihm vorgesetzte königl. Staatsministerium dargelegt und darin sich gegen die Einführung der auf dem Druckunterschiede zwischen gewöhnlicher und in Röhren verdünnter Luft beruhenden atmosphärischen Eisenbahn in Deutschland und Baiern ausgesprochen, weil der Betrieb, abgesehen von seiner Kostspieligkeit, sowohl durch die gekünstelte Einrichtung der Treibröhren für die Kolben als auch durch die Unbilden des deutschen Winters fortwährenden Störungen unterliegen würde. Im Verfolge der Schweizer Angelegenheit gab P. außer dem mit Etzel im Mai 1846 bearbeiteten gemeinsamen Gutachten im April 1851 auch ein Separatvotum ab, worin die Ansichten der vom schweizerischen Bundesrathe über die gleichen Fragen vernommenen englischen Ingenieure R. Stephenson und H. Svinburne gründlich erörtert und einer scharfen fachlichen Kritik unterstellt wurden. Es handelte sich dabei nicht um die Verschiedenheit der Trassen, welche von deutscher und englischer Seite vorgeschlagen wurden, sondern um den Unterschied in den Bewegungsmitteln, welche an den steilsten Stellen der in Aussicht genommenen Bahnstrecken in Anwendung kommen sollten. Die Deutschen P. und Etzel waren für den Locomotivbetrieb, wie sie ihn auf den schiefen Ebenen bei Neumarkt in Bayern und auf der rauhen Alp bei Geißlingen in Würtemberg eingeführt haben, die beiden Engländer verfochten den Seilbetrieb mit stehenden, durch Wasserkraft zu betreibenden Maschinen. Daß die wissenschaftlich besser gerüsteten deutschen [256] Kämpfer einen glänzenden Sieg über ihre englischen Gegner davon trugen, ergiebt sich auch für den Laien schlagend aus dem Umstande, daß schon lange auf großen Eisenbahnen gar kein Seilbetrieb mehr besteht. Am 18. Septbr. 1854 wurde P. zum Director der königl. Eisenbahnbaucommission und am 15. Januar 1856 gleichzeitig auch zum Vorstande der Obersten Baubehörde im Staatsministerium des Innern ernannt: beides auf Antrag des Ministers v. d. Pfordten. Beide Aemter führte P. fort, bis nach Vollendung der München-Salzburger Bahn (15. August 1860) die Eisenbahnbaucommission der Generaldirection der königl. Verkehrsanstalten einverleibt wurde. Da legte er die neunzehn Jahre lang geführte Vorstandschaft derselben nieder, um als Oberbaudirector seine Kräfte ausschließlich der Verwaltung des sogenannten ordentlichen Staatsbaudienstes zu widmen.

Aus dieser letzten Periode seines Wirkens im Staatseisenbahnbaudienste sei blos ein Werk besonders hervorgehoben, die Eisenbahnbrücke über die Isar bei Großhessellohe, welche zur Zeit ihrer Vollendung (1857) durch die schmiedeeisernen Fachwerkträger Aufsehen erregte und deren den Namen Pauli tragendes System nach der bei Hessellohe bestandenen Probe sofort in den Stromgebieten des Rheins und der Donau die ausgedehnteste Anwendung fand. Auffallenderweise fehlt nicht blos in Pauli’s hinterlassenen biographischen Notizen, sondern auch in den Acten der königl. Eisenbahnbaucommission jede Nachricht über den Ursprung der Erfindung, und wohl deshalb, weil sich auch an dem Pauli’schen Brückensystem der schon vielfach erprobte Satz bewährte, daß im Gebiete des Ingenieurwesens keine für die Praxis wichtige Erfindung sofort fertig in die Welt tritt, sondern erst nach und nach durch die Gedankenarbeit Mehrerer die Vollendung erhält, in der sie Gemeingut wird. In der That unterscheidet sich die erste von P. allein construirte und im J. 1853 bei Günzburg ausgeführte Fachwerkbrücke wesentlich von der vier Jahre später bei Hessellohe erbauten, für welche auf Herrn v. Pauli’s Wunsch der Verfasser dieser Biographie im Mai 1856 ein von den Mängeln des Günzburger befreites und somit verbessertes System entwickelt und in einer ausführlichen Denkschrift dargestellt hatte. An diesem Systeme traf P. in Verbindung mit dem damaligen in seinem Dienste stehenden Ingenieurpracticanten, nunmehrigen rühmlichst bekannten Director der Süddeutschen Brückenbaugesellschaft H. Gerber nur noch bezüglich eines Constructionstheils eine Aenderung, und mit dieser mehr ökonomischen Verbesserung kam das fragliche Trägersystem bei der Großhesselloher Brücke zur Anwendung. – Hatten nun an der Feststellung dieses Systems zwei engere Fachgenossen und an der Ausarbeitung der Constructionspläne ein hervorragender praktischer Mechaniker [[[ADB:Werder, Ludwig|L. Werder]] in Nürnberg) mitgewirkt, so konnte und wollte sich P. nicht als den eigentlichen Erfinder des nach ihm benannten und auf seinen Namen patentirten Brückensystems bezeichnen; wohl aber gebührt ihm allein die Ehre, die Erfindung dieses Brückensystems veranlaßt und geleitet und dann den Muth gehabt zu haben, dessen wissenschaftliche und praktische Bedeutung durch den Hesselloher Bau unwiderleglich zu erweisen.

In die Verwaltung des baierischen Staatsbauwesens war zwar gegenüber früheren schwankenden Zuständen durch drei an ihrer Spitze gestandene Männer wie G. v. Reichenbach, L. v. Klenze und F. v. Schierlinger eine feste Ordnung gebracht worden; doch empfand man es noch als einen Uebelstand, daß in derselben die Trennung zwischen dem Hochbaufache und dem Ingenieurwesen nicht ebenso durchgeführt war wie auf einem anderen Gebiete die Trennung der Justiz von der Verwaltung. Wesentlich dieser Mangel und die hieran sich knüpfende Forderung an die Baucandidaten, zwei verschiedene Anlagen fordernde Fächer wie Architektur und Ingenieurwissenschaft gleichzeitig zu studiren, veranlaßten [257] bald nach Pauli’s Eintritt in die Oberste Baubehörde eine Reorganisation des Bauwesens, bei der es jedoch des Kostenpunktes wegen noch nicht möglich war, die Trennung des Ingenieurfachs vom Landbaufache ganz durchzuführen; sie geschah vorläufig blos bei der Obersten Baubehörde und den Kreisbaubehörden, die äußeren Bauämter behielten noch Vorstände, die für beide Fächer geprüft und ausgebildet waren. Demnach konnte auch der Unterricht an der in München bestehenden Bau- und Ingenieurschule noch nicht auf ein Fach beschränkt werden. Eine von P. herrührende Eigenthümlichkeit der Organisationsverordnung vom 13. November 1857 war es auch, daß die beiden Professoren des Ingenieurwesens (C. M. Bauernfeind) und der Hochbaukunst (G. Neureuther) an der genannten Bau- und Ingenieurschule unter Beibehaltung ihrer Lehrstühle als Bauräthe zur obersten Baubehörde versetzt, und soweit es ihr Lehrberuf nur immer gestattete, mit Referaten über die von ihnen vertretenen Fächer bedacht wurden. Vorzugsweise dem Einflusse dieser zwei jüngsten Collegialmitglieder war es zu danken, daß bei der Organisation der technischen Hochschule im J. 1867/68 für das Studium des Ingenieurfachs und der Architektur besondere Abtheilungen an derselben errichtet wurden, womit auch den Vorbedingungen der vier Jahre später vollständig durchgeführten Trennung des Hoch- und Tiefbaus vollständig Genüge geschah. Die königliche Verordnung vom 23. Januar 1872, welche diese Trennung aussprach, kam noch unter Pauli’s Mitwirkung zu Stande, zu ihrer Durchführung hielt er sich aber, da er unterdessen siebenzig Jahre alt geworden war, nicht mehr für rüstig genug, und er bat deshalb, das drei Jahrfünfte hindurch mit höchster Einsicht und Gewissenhaftigkeit verwaltete Amt eines königlichen Oberbaudirectors niederlegen zu dürfen, was ihm auch unter den huldreichsten Ausdrücken der Anerkennung seiner ausgezeichneten Dienste am 3. Februar jenes Jahres gerne bewilligt wurde.

Noch elf Jahre eines friedlichen Lebensabends waren P. beschieden. Er verbrachte ihn frisch fast ausschließlich in seinem kleinen Landhause zu Leutstetten bei Starnberg. Obwohl sich ihm die Beschwerden des Alters wenig fühlbar machten, unterbrach er doch jedes Jahr die ländliche Stille und Zurückgezogenheit durch einen mehrwöchentlichen Aufenthalt in Reichenhall oder Kissingen. Dorthin war er auch Mitte Mai 1883 gegangen. Nach den ersten Wochen eines anscheinend günstigen Kurgebrauchs überfiel ihn am 4. Juni eine Krankheit ohne bestimmten Charakter, und schon am 17. desselben Monats trat eine Schlundlähmung ein, welche den Genuß von Speise und Trank unmöglich machte und den Verfall der Sprache und Kräfte nach sich zog. Pauli’s Bewußtsein aber blieb ungetrübt, bis er am 26. Juni, umgeben von seiner Familie, sanft entschlief. Nach seinem Willen ruht er auf dem Kirchhofe zu Kissingen, nicht weit vom Grabe des gelehrten Oberbergdirectors v. Flurl und gegenüber dem Standbilde der trauernden Germania, welche das Massengrab der am 10. Juli 1866 dortselbst in heißem Kampfe gefallenen deutschen Krieger schmückt.

Oberbaudirector v. Pauli, der in seiner äußeren stattlichen Erscheinung an englisches Wesen erinnerte, war ein eigenartiger scharf ausgeprägter Charakter. In Dingen des privaten Lebens wenig aus sich herausgehend, wurde er sehr mittheilsam in Bezug auf seine schaffende öffentliche Thätigkeit, zumal im Kreise junger Ingenieure. Als Vorgesetzter war er, der an sich selbst die größten Anforderungen des Fleißes und der Gewissenhaftigkeit stellte, immer strenge, mochte er als Rector über sittliche Fehler oder Unarten von Schülern, oder als Amtsvorstand über mangelnde Berufstreue oder Pflichtversäumniß von Beamten und Dienern zu urtheilen haben. Wer auf Mannestugend, Berufstüchtigkeit und Pflichttreue etwas hielt, mußte ihn hochachten; lieben aber konnte ihn nur, wer einen Blick in sein Innerstes gethan, dessen Mittelpunkt eine unzerstörbare, den [258] Geheimnissen des christlichen Glaubens zugewandte Zuversicht war. Auf diesem Herzensgrundgefühle ruhte seine ganze Persönlichkeit, wie sie sich in zwei glücklichen Ehen, im Familienleben, im amtlichen und gesellschaftlichen Verkehr offenbarte. Aus ihm erklärt sich die unerschütterliche Ruhe bei dem Tode seiner ersten Gattin und dreier erwachsener Kinder, darunter eines zu großen Hoffnungen berechtigten Sohnes, und hierauf läßt sich das willige Ertragen von Kränkungen, die auch ihm nicht erspart blieben, sowie seine unglaubliche Bedürfnißlosigkeit und Genügsamkeit, auch den erlaubten edleren Genüssen des Lebens gegenüber, zurückführen. Viele Worte waren seine Sache nicht, weder im Familien- und Berufsleben, noch in Freud und Leid: wo Blicke und Worte nicht genügten, waren seine Zurechtweisungen kurz, im Dienste auch manchmal scharf. Doch barg die ruhige und scheinbar kalte Außenseite ein warmes Herz, wie nicht blos seine Hinterbliebenen und zahlreichen Freunde, sondern auch seine ehemaligen Untergebenen und Viele, welche Zeugen seiner Opferwilligkeit waren, bestätigen. Seiner Natur hat es mehr zugesagt, greifbar zu gestalten, als beschreibend darzustellen: er hat daher außer den schon genannten Gutachten über schweizerische Eisenbahnangelegenheiten nur wenige Artikel für technische Zeitschriften, namentlich des Kunst- und Gewerbeblatts des polytechnischen Vereins für Baiern geschrieben. Dieser Verein, dem er ein halbes Jahrhundert lang und davon zwei Jahrzehnte als Ausschußmitglied angehörte, ehrte ihn mit seiner großen goldenen Vereinsmedaille, sowie ihm zwei Könige von Baiern, der Kaiser von Oesterreich und die Könige von Preußen, Sachsen und Würtemberg für die ihren Regierungen erwiesenen Dienste durch Verleihung hoher Orden ihre Anerkennung kundgaben. Hat es sonach dem Oberbaudirector v. P. in einem langen Leben an wohlverdienter Anerkennung nicht gefehlt, so bleibt ihm auch nach seinem Tode ein treues Andenken seiner Hinterbliebenen und Freunde gesichert, und sein Name, den keine Geschichte der Entwicklung der Eisenbahnen übergehen kann, sowie seine im neuen Münchener Bahnhofe neben James Watt, George Stephenson und Karl August Steinheil verkörperte Persönlichkeit ermahnen die Laien zu Dank und Hochachtung, die Jünger des Ingenieurfachs aber zu ausdauernder und gründlicher Arbeit, die zur inneren Befriedigung meist auch lohnenden äußeren Erfolg gewährt.

Vergl. C. v. Bauernfeind’s Gedächtnißrede auf Friedrich August v. Pauli, München 1884. – Dann die Eisenbahnzeitung von Etzel und Klein, Jahrgänge 1850 und 1851, ferner in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure vom Jahre 1865 den Artikel von Gerber über die Berechnung der Brückenträger nach Pauli’s System, und endlich die Zeitschrift für Baukunde, Band VII.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Johann Friedrich Gerhard