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ADB:Otto, Nikolaus

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Artikel „Otto, Nicolaus August“ von Franz Maria Feldhaus in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 734–735, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Otto,_Nikolaus&oldid=- (Version vom 21. Oktober 2024, 15:16 Uhr UTC)
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Otto: Nicolaus August O., der Erfinder des Gasmotors, ist geboren am 10. Juni 1832 zu Holzhausen a. d. Haide bei Schlangenbad in Nassau. Sein Vater Philipp Wilhelm Otto war dort Gastwirth und Posthalter. Von Ostern 1839–46 besuchte O. die Elementarschule seiner Heimath, dann die Realschule zu Langenschwalbach bis zum 17. April 1848. Am 1. December dieses Jahres trat er bei dem Kaufmann Wilhelm Guntrum zu Nastätten in die Lehre. Gern wäre er Techniker geworden, doch seine Mutter hielt ihn zum „besseren“ Kaufmannsstande an. Nach vollendeter Lehrzeit (24. December 1851) finden wir ihn in verschiedenen Stellungen, so bei Ph. Jac. Lindheimer zu Frankfurt a. M. (25. Juni 1852 bis 19. Juni 1854), bei J. C. Altpeter in Köln (23. October 1854 bis 1858) und dann zwei Jahre lang dort bei Karl Mertens. Diese Stelle diente ihm, mit Wissen seines Freundes Mertens, nur als Vorwand, da er sich damals bereits mit mechanischen Dingen beschäftigte, und viel in einer kleinen Werkstatt arbeitete, die er sich eingerichtet hatte.

Am 24. Januar 1860 war dem Franzosen Lenoir ein brauchbarer Gasmotor patentirt worden und mit Hülfe großen Capitals wurde die Maschine bald in Paris in die Praxis eingeführt. Der Altmeister der Ingenieure, Max v. Eyth, schildert in seinem „Im Strom der Zeit“ (Heidelberg I, 28) anschaulich, den Taumel, der die damalige Technik bei den Nachrichten von diesem neuen Motor ergriff. Das Endresultat aller Versuche der Techniker, hinter Lenoir’s Geheimniß zu kommen, war jedoch, sagt Eyth, daß der ganze Fabrikshof nach Gas roch.

Nur einer kam hinter das Geheimniß, der Kaufmann Otto. Nach verschiedenen Versuchen ließ er bei dem Mechaniker Zons in Köln im Winter 1861/62 einen viercylindrigen Motor mit acht Kolben bauen, der schon das eigenthümliche Merkmal der Otto’schen Motoren, die Eintheilung des Processes in vier Tacte (Ansaugen, Compression, Verbrennung, Auspuff) besaß. Doch die Explosionen waren so heftig, daß die Maschine an den Erschütterungen bald zu Grunde ging. Otto griff nun auf die alten Ideen der atmosphärischen Dampfmaschinen vor Watt zurück, bei denen nur ein luftverdünnter Raum unter dem Kolben geschaffen wird, der Druck der atmosphärischen Luft aber die Kraftleistung vollbringen muß. Während seiner Versuche, einen „atmosphärischen Gasmotor“ zu bauen, lernte O. den Ingenieur Eugen Langen (s. A. D. B. LIII) kennen und verband sich mit ihm am 30. September 1864 zu gemeinsamer Arbeit. In der Servaesgasse zu Köln wurde ein kleines Local gemiethet und zunächst eingehende Versuche angestellt. Zur Aufstellung kamen nur wenig Maschinen, weshalb den beiden Männern die Geldmittel immer knapper wurden. Im Augenblicke höchster Noth wagte es der Kölner Commerzienrath Emil Pfeifer in die wenig versprechenden Versuche neue Mittel zu stecken. In gemeinsamer, nun sorgenfreier Arbeit entstand ein atmosphärischer Gasmotor, der 1867 patentirt und auf der Pariser Weltausstellung vorgeführt wurde. Allein wer achtete die unscheinbare, doch geräuschvolle Maschine? Nur dem energischen Auftreten des deutschen Mitgliedes des Preisgerichts, Reuleaux, war es zu danken, daß man die ausgestellten Gasmotoren nach ihrem Gasverbrauch bewerthete. Und da ergab sich zur Ueberraschung, daß Lenoir 10, Hugon 6, Otto nur 4 Theile Gas bei gleicher Leistung verbrauchte. Damit – äußerlich durch Verleihung der großen goldenen Medaille geehrt – war für O. das Feld gewonnen. 1869 entstanden die ersten Werkstätten auf dem Gelände der heutigen Gasmotorenfabrik zu Deutz. Nach zwei Jahren erweiterten O. und Langen ihre Schöpfung zur Actiengesellschaft.

[735] Man wird die alte atmosphärische Gaskraftmaschine bald vergessen haben. Es war, für heutige Begriffe, ein unheimliches Ding. Ich habe nur eine gesehen; auf der Godesberger Mineralquelle, wo mein Vater Director war, stand sie in einer finstern Ecke; doch ich fühle noch die Angst, wenn ich an ihr vorbei mußte. Denn mit gewaltigem Krach schoß der Kolben heraus, griff klirrend über das Schattwerk hin, um dann mit einem ängstlich pfeifenden Ton wieder zu verschwinden. Und diese Explosionen erfolgten scheinbar willkürlich, zwischenher war völlige Ruhe, nur das schwere Schwungrad lief um. Der Zuschauer empfand vor dieser zuckenden und stöhnenden Maschine wahrlich Furcht, es wundert uns deshalb, heute zu lesen, daß die Firma in zehn Jahren dennoch über 5000 dieser höchstens 3-pferdigen Ungethüme absetzte.

O. hatte nicht auf den reichen geschäftlichen Erfolgen dieser Zeiten geruht, sondern fortdauernd weiter gegrübelt, eine stoßfrei arbeitende Maschine zu erfinden. Die Frucht war das Patent Nr. 532 vom 4. August 1877 (Landespatent vom 5. Juni 1876), der heutige Gasmotor. Der Erfolg war ein beispielloser: nach zwölf Jahren, als O. und Langen ihr 25jähriges Zusammenwirken feierten, waren 30 000 ihrer Motore in Betrieb. Sie zählten 1871 53 Arbeiter, 1889 über 700 und außerdem Zweigfabriken in Manchester, Philadelphia, Paris, Lüttich, Wien, Dessau, Mailand, Kopenhagen, Petersburg und Moskau.

Otto’s Denken ging ganz in seinem Werke und seinem glücklichen Familienleben auf. Die einzige persönliche Auszeichnung, die er erhielt, war die für den Ingenieur damals seltene Verleihung des Ehrendoctors seitens der Universität Würzburg. Am 26. Januar 1891 raffte ihn zu Köln eine Herzlähmung nach kurzer Krankheit fort.

Otto’s Werk, die „Gasmotoren-Fabrik Deutz“, nimmt in der von ihm geschaffenen Industrie noch immer die führende Stellung ein.

Mittheilungen der Firma und der Wittwe, Frau Dr. N. A. Otto, Anna geb. Gossi. – Privatdrucke der Familie. – A. Slaby, in: Zeitschrift- des Vereins deutscher Ingenieure XXXV, 205.