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ADB:Otto, Julius (Komponist)

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Artikel „Otto, Julius“ von Moritz Fürstenau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 757–760, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Otto,_Julius_(Komponist)&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:18 Uhr UTC)
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Otto: Ernst Julius O., Cantor und Musikdirector an den drei evangelischen Hauptkirchen zu Dresden, ward geb. am 1. Sept. 1804 zu Königstein in Sachsen, wo sein Vater Apotheker war. Der tüchtige Cantor Albani entdeckte zuerst des Knaben musikalische Fähigkeiten, ward sein erster Lehrer und ließ ihn als neunjährigen Knaben bereits beim Gottesdienst die Orgel spielen und die Sopransoli singen. In den Jahren 1814–1822 besuchte O. die Kreuzschule zu Dresden, trat daselbst als Sopransolosänger, sogenannter Rathsdiscantist ein und erregte durch seine schöne Stimme Aufsehen. Der damalige Cantor Th. Weinlig, und nach dessen Abgange Fr. Uber, waren seine Lehrer in der [758] Theorie der Musik, und schon als Schüler der Obersecunda schrieb er im Auftrage des damals kranken Cantors Uber eine Cantate für Chor, Solo und Orchester beim Amtsantritt des Superintendenten Seltenreich, und führte sie auch in der Kreuzkirche selbst auf. Dieser Cantate folgten noch drei andre für die hohen Feste. Da er nun auch in Wissenschaften sich hervorgethan und als Primaner die besten Censuren aufzuweisen hatte, schwankte er eine Zeit lang zwischen dem Studium der Theologie und der Musik; aber die große Vorliebe für letztere siegte. Er bezog die Universität zu Leipzig, hörte dort philosophische Collegia und studirte Musik unter Cantor Schicht und dessen Nachfolger Th. Weinlig. Nicht wenig wurde er in diesen Studien durch den regelmäßigen Besuch der Gewandhausconcerte gefördert. In diese Zeit fällt die erste Veröffentlichung eines Trio für Pianoforte, Violine und Violoncell (op. 6), einer vierhändigen Sonate (op. 5), und von Variationen für Pianoforte (op. 2), sämmtlich bei Hofmeister in Leipzig erschienen. Kirchencantaten und Motetten von ihm wurden in der Thomas- und Nikolaikirche aufgeführt. Nach Dresden zurückgekehrt, übernahm er den Gesang- und Clavierunterricht in der Blochmannschen Erziehungsanstalt. Da geschah es, daß der damalige Cantor Agthe an der Kreuzschule in Irrsinn verfiel; O. meldete sich zur interimistischen Verwaltung des Amtes, erhielt die einstweilige Leitung, ward aber Ostern 1830 definitiv in das Cantorat eingesetzt, welches er 45 Jahre bekleiden sollte. In dieser langen Zeit nun hat O. bei treuer und gewissenhafter Verwaltung des ihm übertragenen Amtes nicht nur seinen Sängerchor auf eine hohe Stufe gebracht, sondern sich selbst als Lehrer und Componist überaus thätig gezeigt. Er schrieb für die Kirche viele Cantaten, Hymnen, Motetten, eine Missa (dem König Anton überreicht und auch in der katholischen Hofkirche aufgeführt), sowie drei große Charfreitagsoratorien, von denen namentlich „Der Sieg des Heilandes“, gedichtet von Ad. Peters, ganz vorzüglich, aber das von seinem leider früh verstorbenen, reich begabten Sohn Julius gedichtete: „Des Heilands letzte Worte“, sich des allgemeinsten Beifalls erfreuten.

Außer diesen Kirchensachen componirte O. eine große Anzahl einstimmiger Lieder mit Clavierbegleitung, sowie zwei- und vierhändige Rondo’s für Clavier. Das Lied „In die Ferne“ von Kletke (Mannheim, Heckel) erhielt den Mannheimer Ehrenpreis von 9 Ducaten und hat die Runde durch Deutschland gemacht. Von weltlichen Sachen schrieb O. ferner: „Das Stiftungsfest“, gedichtet von Stiebritz, für Solo und gemischten Chor mit Clavierbegleitung, sowie mehrere sogenannte „Kinderfeste“, nämlich das „Schulfest“, das „Weihnachtsfest“, das „Pfingstfest“ und das „Vaterlandsfest“, ged. von Fr. Hofmann in Leipzig. Dieselben sind von Schulkindern mit Clavierbegleitung auszuführen und haben große Verbreitung gefunden, da sie ganz für Kinderherzen geschrieben sind; sie erschienen sämmtlich bei Glaser in Schleusingen. Noch sind von seinen Compositionen zu erwähnen: Die „Nacht“, der „Morgen“ und der „Mittag“, für gemischten Chor und Orchester mit Declamation; Dichter dieser Tageszeiten war Hermann Waldow in Dresden. Eine Oper von O., „Das Schloß am Rhein“, kam 1838 im Dresdner Hoftheater ohne Erfolg zur Aufführung.

Was O. auf dem Gebiete des Männergesanges geleistet, ist weltbekannt; er gilt nicht nur als einer der besten, sondern auch als einer der fruchtbarsten Componisten für diesen Zweig der Tonkunst. – Eine große Anzahl Lieder, sowie religiöse Gesänge sind in dem von ihm redigirten, von Glaser in Schleusingen herausgegebenen Werke „Ernst und Scherz“ enthalten, darunter die von ihm erfundenen Cyclen „Sängersaal, Burschenfahrten, Gesellenfahrten, Soldatenleben, Spinnabend, der Philister“. Er gab auch gegen 12 Hefte vierstimmiger Lieder heraus, sowie eine vierstimmige Vocalmesse. Das Oratorium „Hiob“, [759] für Männerstimmen und Orchester, ged. von Jul. Mosen, ist wohl eines seiner frischesten und besten Werke. Dasselbe kam zum erstenmal 1835 in der Dresdner Frauenkirche in einem Concert des pädagogischen Vereins zur Aufführung. O. war auch der Erste, der es unternahm, eine komische Oper für Liedertafeln zu schreiben. Wem wäre „Die Mordgrundbruck bei Dresden“ wohl unbekannt? Zwei andre, wie die erste, bei Glaser erschienene komische Opern sind: „Die Liedertafel in China“ und „In Schilda“, in welch letzterer die Zukunftsmusik etwas derb ins Gebet genommen wird. Eine vierte komische Oper von Dr. Bösigk in Dresden, „Nach Nürnberg“, erschien bei Leuckart in Breslau. Ebenfalls bei Glaser sind erschienen: „Im Walde“, ged. von C. Gärtner in Dresden, „Am Meeresstrande“, ged. von Klopsch in Breslau, und „Das Mährchen vom Faß“, ged. von Herm. Waldow in Dresden. Sie sind für Solo, Männerchor und Orchester (letzteres Werk mit Declamation) componirt und bestehen je aus 12 Nummern. Noch ist zu erwähnen, daß, als i. J. 1845 die Harmonie-Gesellschaft zu Trarbach ein Fuder (14 Eimer) des besten Moselweins für das schönste Lied zur Verherrlichung der Mosel und ihres Weins ausschrieb, O. unter 195 Bewerbern diesen Preis erhielt durch das Lied: „Des deutschen Rheines Braut“, ged. von seinem Sohne Julius. Für das Würzburger Gesangfest i. J. 1846 componirte O. den von seinem Sohne gedichteten Hymnus nach dem 67. Psalm: „Herr, Du bist meine Zuversicht.“ Für das große deutsche Nürnberger Gesangfest i. J. 1861 schrieb er den 23. Psalm: „Der Herr ist mein Hirte“, für das erste deutsche Bundesgesangfest in Dresden 1865 den 24. Psalm: „Jehova ist die Erd.“ Der 67. und 24. Psalm erschienen bei Glaser, der 23. bei Leuckart in Breslau (jetzt Leipzig). Sämmtliche Werke fanden die allgemeinste Anerkennung und wurden zu den besten der bei diesen Festen aufgeführten Conpositionen gezählt. Für das Gesangfest in Plauen i. V. i. J. 1862 schrieb O. „Rheinsage“, ged. von Em. Geibel, welches Werk bei Glaser erschien. Seine letzten Compositionen vom Dec. 1876 waren: „Das weiße Kreuz im rothen Feld“, für die Schweizer Turner, und „Röslein“ für den Regensburger Liederkranz. O. besaß als Componist für Männergesang einen Weltruf, der ihm mehr als 60 Ehrendiplome eingebracht hatte. Er schuf mit außerordentlicher Leichtigkeit, ohne je trivial zu werden. Volle Beherrschung der Theorie und aller technischen Hülfsmittel zeichnen seine Compositionen aus, welche sämmtlich sehr „sangbar“ geschrieben sind und dadurch, sowie durch schöne, fließende Melodie außerordentlich populär geworden sind. Als charakteristisch für diese Kritik dürfte sein herrliches Lied „Das treue deutsche Herz“ gelten. O. hat übrigens wie C. M. v. Weber, Kreutzer, Methfessel und Marschner durch seine patriotischen Gesänge viel zur Hebung des deutschen Nationalgefühles beigetragen.

Am 31. December 1875 trat O. in den wohlverdienten Ruhestand, am 5. März 1877 ereilte ihn ein schmerzloser, rascher Tod. Bei Abschluß seiner amtlichen Thätigkeit veranstalteten die größeren Gesangvereine Dresdens eine Feier, bestehend in Lampionszug und Ständchen und darauffolgendem Commers, auf dem die Anregung zur Gründung einer Vereinigung dieser Vereine erfolgte, welche auch am 6. Mai 1876 sich vollzog, wobei O. zum Ehrendirigent des seinen Namen tragenden Julius-Otto-Bundes ernannt wurde.

Schon beim Begräbniß Otto’s sprach der Vorsitzende des Bundes den Wunsch an, derselbe möge dem Verstorbenen ein Denkmal errichten. Nachdem die deutschen Männergesangvereine zu Beiträgen aufgefordert worden waren, konnte man an die Ausführung gehen. Das königl. Ministerium des Innern bewilligte aus dem Kunstfond 9500 Mark zur Herstellung des Figurenschmuckes und am 1. September 1886 erfolgte die Enthüllung des Denkmals, welches nach dem Entwurfe vom Bildhauer Dr. Kietz ausgeführt wurde. Den architektonischen [760] Theil haben Baurath Professor Weißbach und Architekt Karl Barth bearbeitet, den Guß C. Albert Bierling in Dresden besorgt, während den Sockel in Granit und polirtem Syenit Friedrich Rietscher in Niederhäßlich ausführte. Die Kosten beliefen sich auf 21000 Mark. Als Aufstellungsplatz war vom Rathe und den Stadtverordneten der Georgsplatz vor dem Gymnasium zum heiligen Kreuz (Kreuzschule), der langjährigen Wirkungsstätte Julius Otto’s, bewilligt worden. Otto’s älterem Sohn, dem in der Sängerwelt beliebten Dichter Julius O., geb. am 11. Juli 1825 in Dresden, † am 5. November 1847 in Pirna, wurde dort seitens der Sängerschaft ein Denkmal in den städtischen Anlagen gesetzt, welches am 8. November 1874 enthüllt wurde.

Franz Ernst O., der jüngere Bruder des vorhergehenden, geboren am 3. Juni 1809 in Königstein, erhielt seine wissenschaftliche und musikalische Ausbildung auf der Thomasschule in Leipzig, wo er unter Anleitung des damaligen Cantor Schicht bereits als Chorschüler und Präfect Motetten und Kirchenstücke schrieb, welche zur Aufführung kamen und viel Beifall erhielten. Nach seinem Abgange von der Schule vertauschte er die Theologie, welcher er sich anfangs widmete, sehr bald wieder mit dem Studium der Musik, bildete sich, im Besitz einer schönen Baßstimme, zum Sänger aus und schrieb Märsche, Lieder, Tänze und dergl. Insbesondere aber widmete er sich der Pflege des Männergesanges, für welchen er seit 1830 eine Reihe sehr beachtenswerther Compositionen schuf, welche bei Breitkopf & Härtel, Hofmeister, Friese und Friedlein in Leipzig erschienen. 1833 ging O. mit drei andern guten Sängern nach London, um dort durch Vortrag von Quartetten den deutschen Männergesang bekannt zu machen: die Künstler fanden außergewöhnlichen Beifall. Nach der Rückkehr widmete sich O. dem Theater, ward hier und da engagirt oder gastirte auf den bedeutenderen Theatern Deutschlands, so 1841 in Dresden. Von hier aus nahm er ein Engagement in Mainz an, wo er bei seiner Ankunft erkrankte und am 30. April 1842 starb. Im J. 1879 erschien in Regensburg bei Alfred Coppenrath unter dem Titel „Otto-Album“ eine Gesammtausgabe (Partitur) sämmtlicher Lieder und Gesänge für vier Männerstimmen von Franz O., herausgegeben von Dr. Franz Espagne, weil. Custos an der Königl. Bibliothek in Berlin. Diese Sammlung enthält 75 Gesänge, unter welchen sich köstliche Perlen befinden. Kein geringerer übrigens als Robert Schumann interessirte sich für Franz O. Dieser hatte ihm eine Sammlung Clavierstücke (Phalenes. Oeuv. 15 Dresden, Thieme) gewidmet. Schumann bespricht das Werkchen in der Neuen Zeitschrift für Musik (1836 Nr. 38) mit Wohlwollen und Interesse. Auch in der Allgemeinen musikalischen Zeitung (Leipzig, Breitkopf & Härtel) werden die Compositionen Otto’s vom Jahre 1830 an sehr günstig beurtheilt.